Heft 
(1897) 07
Seite
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In den Warmorvergen.

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Du den Alarmoröeraen.

Von

Isolde Kurz.

I. (Larrara.

HLm: man auf der mittelländischen Bahnlinie von Pisa z nordwärts fährt, so sieht man hinter den Pisaner Bergen eine weiße Alpenkette anstauchen, die sich durch ihre kühnen Formen aufs schärfste von den sanftgeschwungenen Linien des Apennin unterscheidet, und die der Unkundige für nichts andres halten könnte als für ein Schneegebirge. Es sind die Kalkfelsen der Apuanischen Alpen, aus denen der weltberühmte carrarische Marmor gebrochen wird.

Carrara, der Mittelpunkt des ungeheuren Betriebes, ist durch eine Zweigbahn der mittelländischen Eisenbahnlinie angeknüpft. Bei Avenza verläßt der Schienenweg die Küste und läuft zwischen zwei Bergkettei: hin, davon die eine, dem Meere zugewendete, mit herr­lichen Olivenwaldnngen bedeckt ist; die andre, landeinwärts gelegene, von der die weißlichen Zinken hoch :ns Blau emporstarren, trägt nur bis zu halber Höhe eine spärliche Vegetation. Die bloßgelegten Mar­morslanken leuchten weithin wie Alpenfirne, und die Geröllhalden, aus denen der Marmorschutt von den Brüchen herabgestürzt wird, sehen Gletschern täuschend ähnlich.

Längs der Bahnlinie dehnen sich zu beiden Seiten die offenen Lager­plätze aus, auf denen roh behauener Marmor von allen Größen und Sorten der Weiterbeförderung harrt.

Carrara, das geleckte Marmor- städtchen, schmiegt sich zierlich in die Thalmnlde, die der rasche, grünlich fließende Carrione dnrch- strömt. Es hat wie alle italienischen Städte seine großen Plätze mit öffentlichen Bauten; der neue Stadt­teil steigt breit und prahlerisch mit pompösen Marmorterrassen den Hügel hinauf, während der ältere, stilvollere sich um die Ufer des Carrione drängt. Marmor ist überall in verschwenderischer Fülle an Häusern und Monu­menten angebracht, das Pflaster ist weiß von Marmorstanb, und über der ganzen Landschaft lagert eine blendende Helligkeit.

Aus den Bildhanerwerkstätten, die sich eine an der andern viele Straßen weit hinziehen, tönt ununterbrochenes Gehämmer und Gepoche. Unendlich ist die Menge des Produzierten; von Carrara gehen marmorne Statuetten und Nippsachen über die halbe Erde. Wie die Holz­schnitzereien in Schweizer Höhenorten, so ist hier in Hotels und Restaurants das Marmorspielzeug zun: Verkauf aus­gelegt. Dasselbe fabrikmäßige Gepräge tragen auch die großen Standbilder und Grabmäler, die hier gefertigt werden, und was die Stadt selbst von modernen Monu­menten ausgestellt hat, ist mit wenig Ausnahmen von fast grotesker Geschmacklosigkeit.

Ueber terrassenförmige, marmorreiche Anlagen führt der Weg nach Monterosso, der Station der Bergbahn Marmifera.

Weber Land und Meer. Jll. Lkt.-Hefte. XIV. 7.

Seit der Zeit, wo Michelangelo in diesen Bergen hauste und unter unsäglichen Nöten die Niese,iblöcke, die er für seine Arbeiten brauchte, an die Küste schleppen ließ, haben sich die Verhältnisse gewaltig geändert. Jetzt sind die Abgründe überbrückt und die Gebirgsmasfen durchbrochen, ein schmal­spuriger Schienenweg umläuft den Berg in Schlangenlinien, die von Steinbruch zu Steinbruck) führen, und darauf dampft die Mnrmifera in die Höhe, um das gewaltige Material hernnterzuschafsen.

Gewöhnlich führt die Lokomotive nur Lastwagen; für Fremde jedoch, welche die Bergbahn zu befahren wünschen, läßt die zuvorkommende Direktion unentgeltlich einen Per­sonenwagen anhängen, nur muß man tags zuvor angemeldet sein. Herren erhalten auch ausnahmsweise die Erlaubnis, die Lokomitive zu besteigen. Wer jedoch, wie wir, das Unglück hat, zu einer Zeit nach Carrara zu kommen, wo der Direktor verreist und sein Stell­vertreter abwesend ist, dem bleibt, wenn er die Brüche sehen will, nichts übrig, als längs der Geleise zu Fuß hinanfzusteigen. Gefällige Bahnwärter schließen sich an und geben von einer Station zur andern das Geleite. Beim ersten Tunnel, der sich außen am Berghang um­gehen läßt, thnt ein entzückendes Panorama sich ans. In unser»: Rücken, halb ins Grün versteckt, die Marmorstadt, zur Linken das tiefe, von Wassern durchranschte Thal mit den Marmorsägemühlen und dem in der Höhe gelegenen Friedhof, auf einen: Hügelvorsprnng das schöne Torf Sorano und vor uns die weißen, vielzerklüftetei: Bergflanken. Ueber uns kriechen die Schneckenlinien der Bergbahn

mit

von

hat.

mit

denSieben Brücken" hin, denen die Station den Namen Soeben, keucht die Marmifera

Aussetzer eines ManuorbnnhcL bei Carrara.

vollem Dampf vorüber und verschwindet hinter der nächsten Biegung, inn nach wenigen Minuten hoch über unfern Häuptern wieder zun: Vorschein zu kommen, bis ein neuer Tunnel sie verschluckt.

Noch eine Strecke weiter auf dem beschwerlichen Schienenweg, so sind die Brüche von Sorano und La Piastra erreicht. Hier münden die Geleise auf das Marmordepot am Fuß der Brüche, wo die von oben herabgewälzten Blöcke gleich ans dem gröbsten zugehauen werden, um überflüssige Fracht zu vermeiden. Die Brüche selber sind hier nirgends zugänglich; sie lagern an steile:: Wänden, wo nur der geübte Bergarbeiter mit Sicherheit Fuß faßt, und auch dieser bedarf an den gefähr­lichsten Stellen des Seiles, um auf den glatten Marmor­felsen hin und her zu klettern.

Man sieht die Leute in voller Thätigkeit. Was sie abgesprengt und mittels einer Rutschbahn hernnterbesördert haben, liegt alles längs der Bahnlinie und in den Ein­buchtungen des Berges anfgehäuft. Daneben lagern die müden Ochsen, ihrer Belastung harrend, die Fuhrleute sind beschäftigt, die mächtigen Blöcke auf Karren zu laden, die Steinmetzen hämmern, und aus den weißen Klüften hervor donnern die Mimn, deren Echo die Wände einander znwerfen.

Mit Bequemlichkeit kann man auf diesen Depotstationen die verschiedenen Marmorarten unterscheiden lernen.

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