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Eine Künstlerfahrt nach Kalb-Lficn.
„Ich fertige meine Klienten nicht ab wie 'n Zahnarzt, der ziehmüde ist. — Sie können ja gar nicht wissen, was die junge Dame eigentlich von mir will!" Ein spitzer Seitenblick auf Spätzchen: „Lieber tot als unhöflich! Wer ein edler Ritter ist, läßt keine Dame sitzen!"
Spätzchen erwiderte diesen Ansspruch mit einem Schweigen, das durch den beredten Blick, der es begleitete, fürchterlich wurde. Ein Tugendengel, der einen Verlorenen anklagt, ist nichts dagegen.
Mecerino hielt fromm, frei und fröhlich diesen Blick aus. Cohn indessen fühlte sich einer einlenkenden Erwiderung benötigt.
„Nu," wendete er sich besänftigend zu ihr, „der Mecerino ist doch 'n solider Mann!"
„Was nennen Sie denn eigentlich solid?" fiel Spätzchen kampflustig ein. „Von zwanzig denken immer zehne, daß er sie aufs Heiraten hin hofiert! Jawohl, Mecerino, seien Sie ganz still! — Und das nennen Sie solid, Herr Cohn? Ich verstehe unter ,solid' ganz etwas andres."
„Bitte, setzen Sie das doch rasch auseinander," sagte Mecerino, unbesorgt, ob seine Dame draußen auf den ersehnten Ritter wartete.
„Daß man's mit einer hält!"
„Wenn aber doch so viele nett sind —"
„Machen Sie rasch!" drängte Cohn. „Die Glas- phyra darf nicht so lange von zu Hause fort. Die Goldstein paßt auf die Minute. Sie wird gehalten wie in 'nem Käsig, bis der Levison wird mit seiner goldnen Hand den schönen Vogel —"
„So bestellen Sie doch das Anspannen!" trieb Spätzchen und gab die Thür frei.
„So was Dummes!" brummte Mecerino. „Als Tugendwächter Hab' ich Sie wahrhaftig nicht mitgenommen. Wenn Sie aber mal so sind, na, dann lassen Sie nur die Dame 'reinkommen, Isidor."
Aus dieses Stichwort hin riß Jeremias die Thüre ans und winkte wild mit der Serviette.
„Kommen Sie'rein! Kommen Sie 'rein!" schrie er. „Ter Herr Mecerino will's haben!"
VI.
Wir stoben auseinander und ließen Mecerino im Zentrum des Zimmers allein zurück. Ich suchte in der Fensternische eine bescheidene Zuflucht, und Spätzchen nistete sich mit ihrer zähen Eifersucht im ausgesessenen Polster des braunen Familiensosas ein, mit dessen Farbenton sie förmlich zusammenfloß. Nur ihre Augen glühten mißtrauisch: Zwei bewegliche Funkelt.
Cohn eilte noch zu Mecerino und zischelte ihm ins Ohr:
„Sie ist ein bißchen ängstlich."
„Das sagten Sie schon vorhin," versetzte jener. „Ich bin nicht schwachsinnig."
„Ich meine nur. . . Damit Sie ihr tüchtig Zureden . . . Jedes Pferd braucht mal 'neu Sporn ..."
Die Spatz hörte die Bemerkung so gut wie ich. Sie zuckte aus, als ob sie etwas Persönliches darauf erwidern wolle, schwieg aber und sank wieder in sich zusammen, denn schon kam Glasphyra.
Mit der Hast der Befangenheit eilte sie ins Zimmer. Sie schien einen Mangel an Selbstvertrauen und Wetterführung durch die Raschheit ihrer Bewegungen und eine nicht ganz wahre innere Entschlossenheit decken zu wollen.
Mit unsicherem Blicke prüfte sie ihre Umgebung. Sie bemerkte uns und nahm uns notgedrungen mit in den Kauf. In dem Gruß gegen Cohn tauchte unwillkürlich eine gewisse Vertraulichkeit auf, um sogleich wieder zu verschwinden.
Nun hob sie ihre Augen zu Mecerino.
Der stand vor ihr, den rechten Fuß vorgesetzt, die linke Hand in der Hosentasche, die rechte am Schnurrbart; halb verlegen, halb überlegen lächelnd, ein Gemisch von Liebenswürdigkeit, Größenwahn und Selbstgefälligkeit. Seine Augen blickten dreist vertraulich, während er sie bewillkommend grüßte.
„Es ist wohl sehr unbescheiden von mir," — begann sie überstürzt und stockte.
„O bitte. Solche Unbescheidenheit läßt man sich schon gefallen."
„Ich wollte Ihnen schon auf dem Bahnhofe meine Bitte aussprechen —"
„So, Sie haben eine Bitte?"
Also deshalb die Rosen! Sie hatte seine Aufmerksamkeit erregen wollen.
„Aber es waren zu viele Menschen um uns herum —"
„Also sind Sie wirklich ängstlich?" Er lächelte ironisch.
Sie errötete leicht.
„Soll ich etwa 'rausgehen?" fragte Cohn plötzlich mit so freundlicher Zudringlichkeit, daß er ihr die Antwort förmlich in den Mund legte.
„Lieber Herr Cohn, Sie genieren durchaus nicht."
Dabei sandte sie ihm einer: Blick, wie man ihn nur einem nahen Freunde oder einem Vertrauensmann spendet.
Er reckte sich und schlich dann zu mir in die Fensternische. „Alan sieht's ihr wirklich nicht an," tuschelte er mir zu, „wie sie so dasteht, daß die Goldstein sie schlägt."
Ich machte eine Bewegung des Entsetzens.
„Auf mein Ehrenwort, sie schlägt sie, wenn sie immer wieder sich sträubt, den Levison zu nehmen."
„Wie gesagt, — ich habe eine Bitte," wiederholte Glasphyra.
„Und die wäre?"
„Sie betrifft mich selber."
„Nur Courage!"
„Herr Cohn riet mir, Sie um Ihr Urteil zu bitten..."
„Nur zu!"
Die Spatz, welche mit einer gewissen Unheimlichkeit in ihrer Sofaecke nistete, verfolgte mit Schlangenblicken Mienenspiel und Wortwechsel der beiden.
„Sie sind ein so großer Künstler, reich an Erfolgen und Ruhm, daß Herr Cohn mir sagte, Sie wären die geeignete Autorität für meine Zweifel und Bedenken —" Das Organ der Redenden war Gesang. Es schmeichelte sich süß, weich und schüchtern