Heft 
(1897) 07
Seite
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Weöer Land und Meer.

Zufall!"

Kaum war die Goldstein mit Cohn verschwunden, als sich wiederum die jenseitige Thür behutsam öffnete und Jeremias erschien, gefolgt von Glasphyra und einem schlanken, schönen jungen Manne, welcher der bessern Gesellschaft anzugehören Wem

Sie müssen zuerst 'raus," wendete Jeremias sich mit verschmitztem Augenzwinkern an letzteren. Damit die Leute Sie nicht Zusammen sehen!"

Er schlich auf den Zehen durchs Zimmer, so als ob die Goldstein in nächster Nähe schliefe und man ihr fürchterliches Erwachen umgehen wolle, öffnete vorsichtig die Thür, und der junge Mann eilte, einen flüchtigen Gruß zurücksendend, aus dem Zimmer.

Drücken Sie sich rechts an die Häuser, damit sie Sie nicht sieht!" zischelte der Pfiffige ihm nach.

Glasphyra sie trug ein weiches, warmes Tuch über dem Arm war ans Fenster getreten und hielt die Augen gesenkt. Es war, als ob sie sich vor uns des kleinen Vorganges schäme.

Der Cousin!" warf Jeremias uns erklärend zu.

Sie schnellte das Haupt in den Nacken, obgleich sie uns den Rücken wendete.

Darum sehen sie sich auch so ähnlich," be­merkte Mecerino ironisch.

Auch ein Herr Goldstein?" fragte sogleich die Spatz, aber ebenfalls nicht ohne Spott.

Jetzt können Sie auch gehen," flüsterte Jere­mias dem Mädchen zu.Drücken Sie sich rechts gegen die Häuser, damit sie Sie nicht sieht!"

Ohne Gruß eilte sie hinaus.

Jeremias schloß grinsend die Thür. Dann folgte er einem Wink Mecerinos.

Sage mal, Kleiner," nahm dieser das Wort und zog den Halberwachsenen nah' zu sich heran, was geht denn hier bei euch vor?"

Einer kommt, und die andern gehen," antwortete Jeremias mit einer Promptheit, die staunenerregend war.

Schafskopf," erwiderte Mecerino und schlug ihm leicht hinter die Ohren. Jener entsprang wie ein Aeffchen, dem man die Kette gelöst hat.

Isidor Cohn steckte den Kopf in die Thür, und als er nur uns in dem Zimmer gewahrte, kam er herein.

Sind sie beide weg?" fragte er den Jungen, der bestätigend nickte.

Er schlug die Hände über dem Kops zusammen.

Gott du Gerechter, was hat sie nur gemacht für ein Geschrei um die Glasphyra. Haben Sie's nicht gehört? Eine wahre Seelenangst hat sie um die Glasphyra. Eine wahre Todesangst hat sie, daß sie dem Levison durch die Finger gehen könnte! Sie ist meschugge."

Warum will man das Mädchen durchaus Zu der Ehe mit diesem allgemein unbeliebten Herrn Levison"

Verhaßten Levison sagen Sie ruhig ,ver­haßten' ; denn er ist verhaßt. Bei den meisten Leuten ist er verhaßt. Warum sie den Levison heiraten soll? Nu, erstens, weil er sie will. Zweitens sitzt

der Levison aus 'm großen Vermögen. Ein junger Mann ist er nicht mehr. Wenn ich sage sechzig na neunundfünszig, will ich sagen da mach' ich ihn auch nicht um ein Jahr älter, als er ist. Wie lange wird er leben? Zehn, fünfzehn, zwanzig Jahr. Er kann auch bald sterben, wenn's das Schicksal will, heute morgen, wie haißt! Nimmt sie 'n, so bekommt sie seine Millionen. Und stirbt sie kinderlos, so erbt die Joel-Goldstein. Das hat die Salche Goldstein schriftlich mit dem Levison ab­gemacht. In Breslau liegt der Kontrakt beim Rechtsanwalt Rosenthal. Jeremias, geh zur Gold­stein und sag ihr, du wärst drüben gewesen und die Glasphyra wäre Zu Hause."

Jeremias schien ohne Schwierigkeiten aufzufassen. Er ging, bestellte, und nach wenigen Minuten dampfte Frau Goldsteiu aus dem Hause.

Cohn sah ihrem Fortgange mit unverkennbarer Befriedigung zu.

Plötzlich wandte er sich an Mecerino:

Sie war sehr wütend, daß Sie ihr keine Staats­visite machen wollen, Willibald. Sie hat gesagt, Isidor, hat sie gesagt, wenn der berühmte Mecerino mir nicht macht seinen Besuch, wie ich's beanspruchen kann als Erste von Nempen, gebe ich den Schlüssel zu meinem Flügel nicht 'raus."

Mecerino lachte gezwungen aus.

Das war' noch besser!"

Sie werden sehen. Gehen Sie gütlich hin, sag' ich."

Da kennen Sie Mecerino schlecht. Wie einen Cirkusreisenden hat sie mich vorhin angeblasen. Der soll ich Besuch machen? Haha!"

Aber ich muß den Flügel proben," sagte die Spatz.

Und ich die Akustik prüfen," fügte Mecerino hinzu.Uebrigens, meine Herrschaften, bitte ich, nicht mehr mit mir zu sprechen. Meine Stimme will geschont sein. Wo ist der Saal, Isidor?"

Ach so, Sie wollen ihn sich ansehen! Kommen Sie."

Er Machte den Fremdenführer.

Die Kouzerthalle, ein großer Raum mit sechs Spitzenbogensenstern, die auf die Straße hinaus­führten, besaß eine Bühne, welche als Konzertpodium dienen mußte. Man konnte von der Bühne aus sogar die Straße und die gegenüberliegende Häuser­front beobachten, wenn man sich im Vordergrund befand.

Villa Levison, ebenfalls ein vornehmeres Gebäude als seine Nachbarn es hatte einen leuchtend gelben Anstrich, Erdgeschoß und Vel-Etage wies bereits einladend auf den Kunstgenuß des Abends hin. Da standen alle Fenster offen, und die über die Brüstungen hinüberschauenden Stuhllehnen bewiesen, daß der Platzverkauf ein recht ergiebiges Geschäft gewesen sein mußte. In dem Dunkel des Hintergrundes bewegte sich eine kleine Gestalt.

Da ist der Levison," sagte Cohn mit dem Ausdruck der Gehässigkeit.Der ist nicht gekommen, zu hören das Konzert; der ist nur gekommen, um sich zu weiden an der Glasphyra!"