Heft 
(1897) 07
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Ueber Lan­

den fettgetränkten Flügel an, als sollte er ihn braten und wüßte nur nicht, ob in Margarine oder Schweineschmalz.

Aufbrechen!" platzte er dann heraus.Holen Sie einen Schlosser, Isidor!"

Alles an Isidor sträubte sich: das Haar, der Bart, die Finger.

Gott behüte!" ries er und streckte die Arme vor.Aufbrechen! Wollen Sie sich vergreifen an fremdem Eigentum?"

Zum Donnerwetter, dann soll sie den Schlüssel Lausgeben!" dröhnte Meceriuo, dem nun wirklich die Galle überlies.

Thut sie aber nicht."

Muß sie."

Gott der Gerechte, sie thut's nicht! Was werd' ich nicht kennen die Goldsteinl"

Das will ich sehen! Wo wohnt sie?"

In Cohns Gesicht ging die Sonne aus. Endlich Zeigte Meceriuo Einsicht, endlich entschloß er sich Zur Antrittsvisite.

Gleich um die Ecke. Ich werd' zeigen!" rief er frohlockend.

Kriegen wir ihn nicht auf natürlichem Wege, so entreiße ich ihr ihn mit Gewalt!" donnerte Mecerino. Reden kann ich nicht viel."

Man sah's der Spatz an, wie diese Energie sie entzückte. Isidor indessen wurde plötzlich zum Bilde der Besorgnis.

Eh' Sie so gehen eher versuch' ich's noch mal selber."

Damit war er auch schon aus der Thür.

Jeder von uns suchte sich seiner Stimmung ge­mäß einen Platz. Wir waren alle drei verstimmt: Mecerino über die Goldsteiu, die Spatz über Cohn und die Goldstein und ich über das ganze verpfuschte Konzertarrangement. Wenn das so weiterging, passiert irgend was Schreckliches.

(Schluß folgt.)

Im berliner A'oft-ZeiLungsami.

Von

A. Oskar Kkaußmann.

Mit Abbildungen von L. Dettmann und Ewald Thiel.

MlDer gegen fünf Uhr nachmittags in Berlin die König- dD grätzer Straße in der Nähe der Dessauer Straße passiert, bemerkt einen auffallenden Verkehr von Wagen. Große, geschlossene Wagen, die mit den Firmen der größten Ber­liner politischen Zeitungen versehen sind, kommen in scharfer Gangart angejagt und biegen in die Dessauer Straße ein; ebenso sieht man von dort kleine gelbe Post­wagen, mit einem Pferd bespannt, sogenannteKarriolen", in schärfster Gangart aus der Dessauer Straße heraus­kommen. Biegt man in die letztere ein, so erblickt man bald ein freundliches, bunt ornamentiertes Gebäude, das etwas von der Straßenfront zurücktritt, und in dessen Vor­hof sich ein außerordentlich lebhaftes Wagengerassel ent­wickelt. Wir stehen vor dem kaiserlichen Post-Zeitungsamt, und in dieser Nachmittagsstunde beginnen die Berliner- Zeitungen ihre Abendblätter zur Versendung in die Vor­orte, in die Provinz, aber auch für das Ausland auf­zuliefern. Drängen wir uns durch die Zeitungsangestellten,

und Meer.

die Kutscher und Träger von gewaltigen Zeitungsstößen, und gelangen wir durch das Hanptportal in das große Vestibül, so sehen wir hier einen riesenhasten, zwanzig Quadratmeter großen, mit Eisen beschlagenen Tisch, auf den in ununterbrochener Folge Tausende und Abertausende von Exemplaren der verschiedenen Berliner Zeitungen von den Angestellten der Zeitungsexpedition krachend niedergeworfen werden. Wir blicken in lange, saalartige Räume hinein, in denen es von Postbeamten wimmelt, und wir sehen, wie der Tisch, der soeben meterhoch mit Zeitungsexemplaren bedeckt ist, in dem Bruchteil einer Minute abgeräumt wird, um sich unmittelbar darauf wieder aufs neue zu füllen. Für die deutschen Zeitungen, für Verleger, Redakteur und Schriftsteller, ebenso aber für das lesende Publikum im In- und Ausland ist dies Gebäude und das Getriebe, das sich in ihm abspielt, von außerordentlichster Bedeutung.

Das kaiserliche Post-Zeitungsamt hat die Aufgabe, die in Berlin erscheinenden politischen Zeitungen es sind deren vierundzwanzig, von denen eine große Anzahl täglich zweimal erscheint, ebenso die nichtpolitifchen, die Fach­zeitschriften (sechsundneunzig), nach sämtlichen Postanstalten des Reiches, bei denen Leser auf diese Zeitungen abonniert sind, zu spedieren. Das Post-Zeitungsamt hat außerdem noch den Debit des preußischen Gesetzblattes und des Neichs- gesetzblattes; es besorgt ferner für das ganze Deutsche Reich die Zeitungen aus dem Ausland und spediert deutsche Zeitungen an sämtliche zum Weltpostverein gehörenden Länder und Postämter, ebenso wie es die deutschen Kolonien in Neu-Guinea, Ost- und Westafrika mit Zeitungen direkt versieht.

Zweimal täglich giebt es im Post-Zeitnngsamt gewal­tige Aufregung, und zwar früh von PL bis 8 Uhr und abends von PL üis 10 Uhr. Es ist dies die Zeit, in der die Berliner politischen Blätter ihre Ausgaben in Hunderttausenden von Exemplaren abliefern. Die Fach­zeitungen kommen im Laufe des Tages in das Post- Zeitungsamt und werden hier, wenn nicht gerade besondere Umstände vorliegen, in aller Ruhe und Gemächlichkeit aus die verschiedenen Stationen verteilt. Die Berliner politischen Zeitungen aber kommen am Morgen und am Abend immer im sogenanntenletzten Moment", unmittelbar bevor die Karriolpostwagen aus dem Post-Zeitungsamt nach den Bahnhöfen jagen, damit die in Säcke verpackten Pakete für die verschiedenen Stationen in die Postwagen der von Berlin abgehenden Züge geworfen werden können. Es handelt sich deshalb bei dem Morgen- und Abendansturm in dem Post-Zeitungsamt darum, innerhalb weniger Minuten Hunderttausende von Exemplaren abzuzählen, zu verteilen, auf die verschiedenen Stationen zu sortieren, zu verpacken, zu verschnüren, die zu einein Postkurs gehörenden Zeitnngs- pakete in Säcke zu packen, diese Säcke in Karriolen zu verladen und diese dann vom Hofe zu entlassen. Täglich zweimal werden so die Beamten des Post-Zeitungsamtes vor eine Aufgabe gestellt, die dem Laien unlösbar scheint, und doch lösen sie sie seit langen Jahren dank ihrer Routine und Energie wie dem richtigen Jneinandergreifen aller Kräfte. Wie ein Uhrwerk arbeiten nachmittags gegen 7 Uhr 121 Postschaffner unter der Leitung von Post­beamten und unter der Oberaufsicht des Direktors. Nicht ein einziger von diesen Beamten darf versagen, darf einen Fehler machen, darf auch nur eine halbe Minute lässig sein; er muß wie ein Uhrwerk, eine Maschine seinen Dienst thun, darf sich durch das ungeheure Geräusch, das Getöse, das während der Arbeitszeit im Erdgeschoß und in der ersten Etage herrscht, nicht stören lassen. Es muß ihm gleichgültig sein, daß Hunderte von Menschen im Vestibül hin und her laufen, daß hydraulische und elektrische Auf­züge, mit Zeitungen beladen, auf lind nieder rasseln, daß Laufkarren durch die Säle rollen, das; elektrische Klingeln