Neues vom NüchertLsch.
Von
Aaut von Szczepariski.
Eminem Roman „Der Büttnerbauer", in dem Wilhelm oM> von Potenz die Gefahren schilderte, von denen der bäuerliche Grundbesitz gegenwärtig bedroht wird, hat der aus eigensten Erfahrungen schöpfende Verfasser jetzt einen zweiten Agrarier-Roman, „Der Graben Häger" (Berlin, W. F. Fontane L Co.), folgen lassen, für den die augenblickliche Lage des Großgrundbesitzes den Stoff gegeben hat. Auch den Großgrundbesitz sieht Wilhelm von Potenz bedroht, aber er unterscheidet sich in seinen Ansichten sowohl über die Art der Gefahr wie über die Mittel der Abhilfe sehr wesentlich von dem typischen „notleidenden Agrarier" der Gegenwart, der noch niemals reuig an seine eigne Brust geschlagen hat, sondern die Gründe für die Schwierigkeiten, mit denen auch der Großgrundbesitz seit zwei Jahrzehnten wieder zu kämpfen hat, immer nur außerhalb des Kreises der Besitzer sucht und findet. Man geht jedenfalls nicht fehl, wenn man des Verfassers eigne Anschauungen mit denen identifiziert, die er seinem Herrn von Klaven in den Mund legt, der sich über die agrarische Bewegung der letzten Jahre, die er als gewöhnliche Parteipolitik charakterisiert, folgendermaßen ausspricht: „Diese Bewegung hier sollte doch etwas mehr sein, — wenigstens war das anfangs meine Hoffnung — etwas Ehrliches und Reinliches sollte sie sein. Anstatt dessen haben wir eine Partei mehr bekommen. Wenn ein Mensch von der Notwendigkeit überzeugt ist, daß in den ländlichen Dingen Wandel eintreten muß, so bin ich es. Aber es ist hier wie überall: nichts schadet der guten Sache mehr als ein verfehlter Reformversuch. Hier haben wir wieder mal so eine mit vielen Hoffnungen und gutem Willen und großen Versprechungen vom Stapel gelassene Expedition, die niemals ihr Ziel erreichen wird. Und wissen Sie, warum? Weil man die Ziele nicht hoch genug gesteckt hat. Die Getreidepreise sollen gehoben werden. Schön! Ich bin dabei. Der Landwirt soll einen gerechteren Preis erhalten für seine Produkte. Nur gerechtfertigt! Aber man soll sich nur nicht einbilden, daß wir damit gerettet sind. Das sind Fragen zweiter Ordnung im Vergleich zu der wirklich brennenden Not unsers Berufes und Standes. Auf die Börse, das Spekulantentum, das mobile Kapital wird weidlich geschimpft, wie Sie vorhin erst gehört haben; überhaupt am Räsonnieren und am Entrüsten fehlt's nicht, und dabei
verschließen wir die Augen vor den eignen Fehlern. Leider, leider dürfen wir gar nicht mit gutem Gewissen auf die Auswüchse des Kapitalismus schimpfen, denn wir sind ja selbst seine eifrigsten Anhänger. Unsre Weltanschauung ist gerade so materialistisch wie die der andern auch. Da thut Reform not. Von innen heraus muß die Genesung kommen. Was jetzt geschieht, ist weiter nichts als ein Herumdokteru an den Symptomen, dem Sitz des Leidens will niemand zu Leibe gehen. Und nimmt sich jemand heraus, die Schäden des Standes aufzudecken, dann wird er verketzert. Gesichtspunkte — Ideale! — Wer davon anfängt, gilt als unpraktischer, weltfremder Schwärmer. Nur wer den Leuten sagt, wie sie ihre Einnahmen vermehren können, ist ein Genius." — Auch darüber läßt Wilhelm von Polenz keinen Zweifel, was ihm in erster Linie die Ideale des Landmannes sein sollten: die Liebe zur Scholle, das Sich-eins-fühlen mit dem Grund und Boden, der dem Besitzer eignet. Auf diesem Gefühl der Zusammengehörigkeit baut sich ihm alles Ethische des landwirtschaftlichen Berufes auf. Das wohl hat Poleuz beweisen wollen, als er in den Mittelpunkt seines Agrarromans einen Mann stellte, der nicht von Beruf Landwirt, sondern von Berus Militär ist, der als ein Fremder auf seinem angeerbteu Besitz erscheint und dort erst heimisch werden muß. Aber mit dieser Wahl seines Helden hat Polenz zugleich einen der Kernpunkte der agrarischen Frage angegriffen, wie ich glaube. Denn dieser tüchtige, eine aussichtsreiche militärische Laufbahn plötzlich zu dem Zwecke, den väterlichen Besitz in eigne Bewirtschaftung zu übernehmen, quittierende Offizier ist eigentlich der Typus des modernen Großgrundbesitzers. Es ist traditionell für den Landadel geworden, daß nicht nur die jüngeren Söhne, sondern auch die ältesten, die einmal das väterliche Gut übernehmen sollen, so lange in der Armee dienen, bis der väterliche Besitz frei wird. Sie widmen die Jahre, die sie zu Hause überflüssig sind, dem Staat. Es fragt sich nur, ob sie zu Hause wirklich überflüssig sind, diese ältesten Söhne, und ob sie diese dem Staate gewidmeten Jahre nicht im eignen, im Familieninteresse und im Interesse der Landwirtschaft besser anwenden könnten. Zweifellos, daß der Staat an diesen späteren Großgrundbesitzern eine Anzahl sehr tüchtiger Offiziere besitzt, die die Armee ungern missen würde. Aber