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Meber L
„Klar Mm Gefecht!"
Erlebnisse an iKorö S. TU. K. „Charlotte^ vor iVort-au-A'rrnce in Haiti.
Von
Mndokf Schneider, Marinepfarrer.
Mit zehn Abbildungen.
seiner Majestät Schiff „Charlotte" lag Anfang November -E> im Hafen Porto Grande auf der Kap - Verdefchen Insel St. Vincent, als wir zuerst von der Lüdersschen Angelegenheit zu Port-au-Prince aus italienischen Zeitungen erfuhren. Wir maßen der Sache aber keine besondere Wichtigkeit bei und segelten am 10. November mit kräf-
and und Meer.
zum 15. Dezember, wie der Tagesbesehl lautete, da Zweck und Ziel der Fahrt naturgemäß geheim bleiben sollten.
! Indessen wußten die Leute an Land mehr, als wünschens- ^ wert war.
! Am 2. November, nachmittags vier Uhr, ging das „Treffen"
! in See. Sobald die Schiffe den Hafen verlassen hatten, machten die Kommandanten Offiziere und Besatzung mit dein Zweck der Kreuztour bekannt und schlossen mit einem dreifachen Hurra auf Seine Majestät den Kaiser, das einen ^ begeisterten Wiederhall in jedem Herzen fand. Ja, das ^ war einmal etwas für unsre Leute! Das Feuer patriotischer ! Begeisterung ergriff Mann für Mann, bis zum kleinsten Schiffsjungen und jüngsten Kadetten. Jeder war stolz, das alles miterleben zu dürfen. Unaufhörlich schallten in der
Ans L. Gent» Tipperchauers Werk „Die Insel Haiti" (Leipzig, F. A. Brockhaus). Haitianische Polizei.
tiger achterlicher Brise nach St. Thomas in Dänisch-West- indien. Hier wurde uns die deutsche Verwicklung mit der Negerrepublik Haiti ausführlicher und ernster geschildert. Tie haitianischen Blätter führten eine höchst aufreizende und hochmütige Sprache wider Deutschland. Man glaubte in St. Thomas allgemein nicht an eine friedliche Beilegung. Der Kommandant, Kapitän zur See August Thiele, hatte bereits geheime Befehle von Berlin, S. M. S. „Stein" sollte am nächsten Tage nach unsrer Ankunft in St. Thomas, entgegen der Segelordre, zu uns stoßen und beide Schiffe zusammen nach Haiti gehen, um dem vom deutschen Geschäftsträger, Grasen Schwerin, an die haitianische Regierung gestellten Ultimatum den nötigen Nachdruck zu verleihen.
Am 1. November übernahm der ältere Kommandant, Kapitän zur See August Thiele, auf Befehl des Oberkommandos der Marine das Kommando über das ans diesen beiden Schiffeil gebildete „Treffeil", zu einer Kreuztour bis
^ freien Zeit patriotische Lieder und vaterländische Gesänge ! durchs Schiff. Beim Seitengelvehrschleifen wollte jeder helfen:
! der Büchsenmacher konnte sich kaum der aufgedrungeuen Hilfe erwehren.
I Am 4. Dezember morgens nahm S. Al. -L. „Charlotte" in Porto Plata den deutschen Geschäftsträger, Grasen Schwerin, nebst seiner Gemahlin an Bord. Graf Schwerin glaubte, daß der Präsident, unter dein Druck der Bevölkerung stehend, nicht nachgeben, sondern daß uns aller Wahrscheinlichkeit nach blutiger Ernst bevorstehen würde.
Am 5. Dezember kamen wir in haitianische Gewässer und machten uns in der Nacht zum 6. Dezember gefechtsklar, um einem etwaigen Ueberfall der haitianischen Flotte erfolgreich begegnen zu können. Um sechs Uhr früh am nächsten Morgen stand jeder aus seiner Klarschiffstation. Aus der dämmernden Ferne tauchten die im Hafen von Port-au- Prince liegenden Schiffe hervor. Man sah zwei große