Heft 
(1897) 09
Seite
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Melier Land und Weer.

General de Boisdeffre, Chef des Generalstabs.

den noch rüstigen und kräftigen Mann zuletzt wie vorzeitig gealtert erscheinen ließ, welch gewaltige Anstrengungen sein Inneres während der Schwnrgerichtstage durchzumachen und was für eineil geistigen stampf er zu bestehen hatte. Zu einer Tagesberühmtheit erhob sich während des Zola­prozesses der Rechtsbeistand des Hauptangeklagten, der ver­hältnismäßig noch jugendliche Advokat Labori. Geistvoll, schlagfertig und ein Meister des rednerischen Vortrags, er­innert er ai: die großen Redner, die einst den Stolz der Pariser Gerichtsbarre ansmachten.

Clemeneeau, der den zweiten An­geklagten, den Herausgeber des Pariser- BlattesAurore", vertrat, erinnerte als Redner an die einstigen großen Tage seines Bruders, des radikalen Politikers.

Alan hat während der Verhandlungen die beiden Redner vielfach miteinander verglichen. Labori, so sagte ein geist­voller Schilderer der Prozeßverhand­lungen, der hochgewachsene, schöne Alaun mit vollem blondem Bart und Haar, scheint in seinem Feuer und in seiner »rast unerschöpflich. Tag für Tag wirft er sich mit derselben ungebrochenen Leiden­schaft in die Debatte. Unaufhörlich klingt seine volle, warme Stimme durch den Saal. Das Ungestüm seines Kampfes ist nicht zu beschreiben. Er fällt den Gegner,

Präsident, Staatsanwalt oder Zeuge, an wie ein brüllender Löwe, und wehe dem, der ihm in die Klauen gerät! Wenn Labori der Löwe ist, dann ist Clemeneeau der Tiger. Während Clemeneeau einen Zeugen befragt, liegt er im Hinterhalt, und sobald sich der Zeuge eine Blöße giebt, springt er gleichsam mit einem Satz ans ihn los. Seine Spezialität ist, die Zeugen in Widerspruch miteinander zu bringen und die Wahrheit aus schein­baren Nebendingen zur Entwicklung zu bringen.

Einen wahrhaft tragischen Eindruck macht das Schicksal des Obersten Pic- quart; er war wohl der am sym­pathischsten berührende von allen Zeugen, und doch vermochte er, wie im Esterhazy- Prozesse so auch in dem gegen Zola

angestrengten, dem Mißgeschicke nicht zu entgehen, daß er ans dem Zeugen znm Angeklagten gemacht wurde. Oberst Picqnart wird auch äußerlich, mit seinem kluge», ernsten Gesicht, in der schönen hellblauen Uniform der afrikanischen Tiraillcnrs, als eine gewinnende Persönlichkeit geschildert. Ungemein dramatisch gestaltete sich die Gegen­überstellung Picqnarts mit dein militärischen Untersuchungs­richter General Pellienx und dem Major R a v a r y. Der Zeuge verharrte von dem ersten bis zum letzten Worte seiner Ver­nehmung in derselben unerschütterlichen Ruhe und erzwang sich durch sein Verhalten bei seinem Abgänge eine lebhafte Kundgebung von seiten des im allgemeinen den Angeklagten nicht günstig gesinnten Publikums.

Einen tiefen Eindruck machte von den Zeugen der sozialistische Abgeordnete I a u r 6 s. Seine fast zweistündige Rede wurde zwar schweigend, aber mit gespannter Auf­merksamkeit angehört, weil sie von dem stürmischen Ver­langen nach Licht und Wahrheit durchdrungen war. Weit über den Sitzungssaal und den Ort des Gerichtes sind jedenfalls seine Worte in das Land und die Welt hinaus­gedrungen :Ich glaube, daß das Volk die Wahrheit will. Wenn aber nicht, so ist es besser, im Kampf für die Wahrheit zu unterliegen als zu siegen, indem man sich zum Mitschuldigen aller Zweideutigkeiten macht!" Einen ernsten, würdigen Eindruck machte durch sein Auftreten auch der frühere Großsiegclbewahrer und Justizminister THeven et. Senator Sch eurer-K estn er gewann sich durch seine mannhafte Haltung im Gerichtssaale das An­sehen wieder, das er durch sein zuwartendes und un­entschiedenes Verhalten vor der gesetzgebenden Behörde ein­gebüßt hatte. Er war thatsachlich ein Opfer der ihm von

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