342
Neber Land und Meer.
Gereiztheit hinzusetzte: „Sie lächeln; da seh' ich doch, wie sehr ich im Rechte war. Ihnen die Phantasie abzusprechen."
„Verzeihen Sie mir..."
„Und nun werden Sie auch noch feierlich. Das ist die richtige Ergänzung. Im übrigen, wie könnt' ich mit Ihnen zürnen! Ein berühmter deutscher Professor soll einmal irgendwo gesagt haben: ,niemand sei verpflichtet, ein großer Mann zu sein? Und ebensowenig wird er als etwas Pflichtmäßiges eine große Phantasie gefordert haben.
Woldemar küßte ihr die Hand. „Wissen Sie, Gräfin, daß Sie doch eigentlich recht hochmütig find?"
„Vielleicht. Aber mancher entwaffnet mich wieder. Und zu diesen gehören Sie."
„Das ist nun auch wieder aus dem Ton."
„Ich weiß es nicht. Aber lassen wir's. Und versprechen Sie mir lieber, mir von Windsor oder London aus eine Karte zu schreiben. . . nein, eine Karte, das geht nicht. . . also einen Brief, darin Sie mir ein Wort über die Engländerinnen sagen, und ob Sie jede taillenlose Rotblondine drüben auch Ihrerseits so schön gefunden haben werden, wie's von den Kontinentalen fast immer versichert wird."
„Es wird davon abhängen, an wen ich gerade denke."
„Nach dieser Bemerkung ist Ihnen alles verziehn."
Woldemar blieb bis neun. Er hatte gleich in den Zeilen, in denen er sich anmeldete, die Damen wissen lassen, daß er seinen Besuch auf eine kurze Stunde beschränken müsse. So war er denn bei guter Zeit wieder daheim. Aus seinem Tische fand er ein Brieschen vor und erkannte Rex' Handschrift. „Lieber Stechlin," so schrieb dieser, „ich höre eben, daß Sie nach London gehn. In der Zeitung, wo's schon gestanden haben soll, Hab' ich es übersehn. Ich beglückwünsche Sie von Herzen zu dieser Auszeichnung und lege Ihnen eine Karte bei, die Sie (wenn's Ihnen paßt) bei meinem Freunde Ralph Waddington einsühren soll. Er ist Advokat und einer der angesehensten Führer unter den Jrvingi- anern. Fürchten Sie übrigens keine Bekehrungsversuche. Waddington ist ein durchaus feiner Mann, also zurückhaltend. Er kann Ihnen aber mannigfach behilflich sein, wenn Ihnen daran gelegen sein sollte, sich um das Wesen der englischen Dissenter, ihre Chapels und Tabernakels zu kümmern. Er ist ein Wissenschaftler aus diesem Gebiet. Und ich kenne ja Ihre Vorliebe für derlei Fragen."
Stechlin legte den Brief unter den Briefbeschwerer und sagte: „Der gute Rex! Er überschätzt mich. Dissenterstndien. Es genügt mir, wenn ich einen einzigen Quäker sehe."
XXIII.
Was Rex da schrieb, hatte doch ein Gutes gehabt: Woldemar, erheitert bei dem Gedanken, sich durch Ralph Waddington in ein Tabernakel eingeführt zu sehn, sah sich mit einem Male einer gewissen Abspannung entrissen und war froh darüber, denn er brauchte durchaus Stimmung, um noch einige Briese
zu schreiben. Das ging ihm nun leichter von der Hand, und als elf Uhr kaum heran war, war alles erledigt.
Der andre Morgen sah ihn selbstverständlich früh auf. Fritz war um ihn her und hals, wo noch zu helfen war. „Und nun, Fritz," so waren Woldemars letzte Worte, „sieh nach dem Rechten. Schicke mir nichts nach; Zeitungen wirf weg. Und die drei Briefe hier, wenn ich fort bin, thue sofort in den Kasten... Ist die Droschke schon da?"
„Zu Befehl, Herr Rittmeister."
„Na, dann mit Gott. Und jeden Tag lüsten. Und paß ans die Pferde."
Damit verabschiedete sich Woldemar.
-X-
Von den drei Briefen war einer nach Stechlin hin adressiert. Er traf, weil er noch mit dem ersten Zuge sortkonnte, gleich nach Tisch bei dem Alten ein und lautete:
„Mein lieber Papa. Wenn Du diese Zeilen erhältst, sind wir schon aus dem Wege. ,Wir' das will sagen: unser Oberst, unser Zweitältester Stabsoffizier, ich und zwei jüngere Offiziere. Aus Deinen eignen Soldatentagen her kennst Du den Charakter solcher Abordnungen. Nachdem wir ,Regiment Königin von Großbritannien und Irland' geworden sind, war dies ,uns drüben vorstellen' nur noch eine Frage der Zeit. Dieser Mission beigesellt zu sein, ist selbstverständlich eine große Ehre für mich, doppelt, wenn ich die Namen, über die wir in unserm Regiment Verfügung haben, in Erwägung ziehe. Die Zeiten, wo man das Wort ,historische Familie' betonte, sind vorüber. Auch an Tante Adelheid Hab' ich in dieser Sache geschrieben. Was mir persönlich an Glücksgesühl vielleicht noch fehlen mag, wird sie leicht aufbringen. Und ich freue mich dessen, weil ich ihr, alles in allem, doch so viel verdanke. Daß ich mich von Berlin gerade jetzt nicht gerne trenne, sei nur angedeutet; Du wirst den Grund davon unschwer erraten. Mit besten Wünschen für Dein Wohl, unter herzlichen Grüßen an Lorenzen, wie immer Dein Woldemar."
Dnbslav saß am Kamin, als ihm Engelke den Brief brachte. Nun war der Alte mit dem Lesen durch und sagte: „Woldemar geht nach England. Was sagst du dazu, Engelke?"
„So was Hab' ich mir all immer gedacht."
„Na, dann bist du klüger gewesen als ich. Ich habe mir gar nichts gedacht. Und nu noch drei Tage, so stellt er sich mit seinem Oberst und seinein Major vor die Königin von England hin und sagt: „Hier bin ich."
„Ja, gnäd'ger Herr, warum soll er nich?"
„Js auch 'n Standpunkt. Und vielleicht sogar der richtige. Volksstimme, Gottesstimme. Na, nu geh mal zu Pastor Lorenzen und sag ihm, ich ließ ihn bitten. Aber sage nichts von dem Brief; ich will ihn überraschen. Du bist mitunter 'ne alte Plappertasche."
*
Schon nach einer halben Stunde war Lorenzen da.
„Haben befohlen..."