Heft 
(1897) 09
Seite
325
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Stechern.

2^oman

von

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(Fortsetzung.)

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Karenzen nickte.Kann mir's denken, daß die Prinzessin etwas wie Sühne darin sieht, Sühne wegen des von ihr gethanen Schrittes. Alles an ihr ist ein wenig überspannt. Und doch ist es eine liebenswürdige Dame."

Wovon niemand überzeugter ist als ich," sagte Tubslav.Freilich bin ich bestochen, denn sie sagt mir immer das Schmeichelhafteste. Sie plaudere so gern mit mir, was auch am Ende wohl zutrifft. Und dabei wird sie dann ganz ausgelassen, trotzdem sie eigentlich hochgradig sentimental ist. Was nicht überraschen dars, denn aus Sentimentalität ist doch schließlich die ganze Katzlerei hervorgegangen. Bin übrigens ernstlich in Sorge, wo Hoheit den richtigen Taufnamen für das Jüngstgeborene hernehmen wird. In diesem Stücke, vielleicht dem einzigen, ist sie nämlich noch ganz und gar Prinzessin geblieben. Und Sie, lieber Lorenzen, werden dabei sicherlich mit Zn Rate gezogen werden."

Was ich mir nicht schwierig denken kann."

Sagen Sie das nicht. Es giebt in diesem Falle viel weniger Brauchbares, als Sie sich vorzu­stellen scheinen. Prinzessinnen-Namen an und für sich, ohne weitere Zuthat, giebt es genug. Aber damit ist Ermyntrud nicht zufrieden; sie verlangt ihrer Natur nach zu dem Dynastisch-Genealogischen auch noch etwas poetisch Märchenhaftes. Und das kompliziert die Sache ganz erheblich. Sie können das sehen, wenn Sie die Katzlersche Kinderstube durch­mustern oder sich die Namen der bisher Getauften ins Gedächtnis zurückrufen. Die Katzlersche Kron- prinzeß heißt natürlich auch Ermyntrud. Und dann kommen ebenso selbstverständlich Dagmar und Thyra. Und danach begegnen wir einer Jnez und einer Maud und zuletzt einer Arabella. Aber bei Arabella können Sie schon deutlich eine gewisse Verlegenheit wahr­nehmen. Ich würde ihr, wenn sie sich wegen des Jüngstgeborenen an mich wendete, was Altjüdisches Vorschlägen; das ist schließlich immer das beste. Was meinen Sie zu Rebekka?"

Lorenzen kam nicht mehr dazu, Dubslav diese Frage zu beantworten, denn eben jetzt waren sie durch das Stück Bruchland hindurch und rasselten bereits über einen ein weiteres Gespräch unmöglich

Ueber Land und Meer. Jll. Okt.-Hefte. XIV. 9.

machenden Steindamm weg, scharf aus Nheins- berg zu.

Dubslav war in ausgezeichneter Laune. Das prachtvolle Herbstwetter, dazu das bunte Leben, alles hatte seine Stimmung gehoben, am meisten aber, daß er unterwegs und beim Passieren der Haupt­straße bereits Gelegenheit gehabt hatte, verschiedene gute Freunde zu begrüßen. Von der Kirche her schlug es zehn, als er vor dem als Wahllokal etablierten GasthanseZum Prinzregenten" hielt, in dessen Front denn auch bereits etliche mehr oder weniger verwogen aussehende Wahlmänner standen, alle bemüht, ihre Zettel an mutmaßliche Partei­genossen anszuteilen.

Drinnen im Saal war der Wahlakt schon im Gange. Hinter der Urne präsidierte der alte Herr von Zühlen, ein guter Siebziger, der die groteskesten Feudalansichten mit ebenso grotesker Bonhomie zu verbinden wußte, was ihm, auch bei seinen politischen Gegnern, eine große Beliebtheit sicherte. Neben ihm, links und rechts, saßen Herr von Storbeck und Herr van dem Peerenboom, letzterer ein Holländer aus der Gegend von Delft, der vor wenig Jahren erst ein großes Gut im Rnppiner Kreise gekauft und sich seitdem zum Preußen und, was noch mehr sagen wollte, zumGrafschastler" herangebildet hatte. Man sah ihn aus allen mög­lichen Gründen auch schon um seinesvan" willen nicht ganz für voll an, ließ aber nichts davon merken, weil er der bei den meisten Graf- schastlern stark ins Gewicht fallenden Haupteigen­schaft eines vor so und so viel Jahren in Batavia geborenen holländisch-javanischen Kaffeehändlers nicht entbehrte. Seines Nachbarn von Storbeck Lebens­geschichte war durchschnittsmäßiger. Unter denen, die sonst noch am Komiteetisch saßen, befand sich auch Katzler, den Ermyntrud (wie Dubslav ganz richtig vermutet) mit der Bemerkung,daß im mo­dernen bürgerlichen Staate Wählen so gut wie Kämpfen sei", von ihrem Wochenbette fortgeschickt hatte.Das Kind wird inzwischen mein Engel sein, und das Gefühl erfüllter Pflicht soll mich bei Kraft erhalten." Auch Gundermann, der immer mit dabei

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