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(01/01/2019) 01
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A. G. v. Suttner.

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Chart um, 7. Juli 1875. Deu erfreu­lichen Inhalt Ihres sehr geehrten Briefes vom 24. Mai habe ich unverweilt Herrn Marno mit- getheilt, welcher seit mehreren Wochen in Tora el Madra an der Route nach Kordofan mit Ein- fammlung von verschiedenen Thieren beschäftigt ist, die ein auserlesenes Resultat liefern. Marno hat umgehend geantwortet, daß er für Ihre gütige Verwendung und für eine etwaige allerhöchste Unter­stützung zu weiteren Unternehmungen sehr dankbar sein würde. Es ist ja sein sehnlichster Wunsch, größere Excursionen in neuen Gebietstheilen aus­führen zu können, um der Wissenschaft bisher un­bekannte Felder zu erschließen. Da Marno nach Ihrem letzten Telegramm, worin ihm 1000 Gulden avisirt wurden, von Wien keinen ferneren Succurs zu erwarten hat, so wäre er von dieser Seite fernerhin seiner Verbindlichkeiten enthoben, und er wäre sonach ganz einverstanden, im Falle der Er­möglichung einer neuen Reise, seine Berichte dem Khedive einzusenden, welche für den Beginn der koeioto Ullkäivialtz äs ß-soKrapllis sehr nothwendig und erwünscht sein würden. In einem dieser Tage eingelangten Briese giebt vr. Schweinfurth seinem Unwillen über die Marno zutheil gewordene Be­handlung von Seiten gebildet sein wollender Euro­päer unverhohlen Ansdruck, da er in seiner neuen Sphäre die meisten Hoffnungen aus Marnos Erfolg baute. Es ist sehr bezeichnend für die ganze Situation der Marno'schen Angelegenheit, daß Gor- don selbst in einem kürzlich an Marno eingelangten Briese gebeichtet hat. Darin erzählt Gordon, daß ein Dampfer 30 Meilen oberhalb Redjaf ohne Hinderniß passirt sei; er wollte nun versuchen, die Schellal-Gegeud von Redjaf bis Dufile zu durch­fahren; wenn er das Glück hätte, so wäre der Fluß bis an den See frei, und da er selbst nicht aus den See ginge, so stände es Marno frei, zu thun, was er wolle, zumal die Jntriguen und Schwierigkeiten beseitigt seien.

Damit scheint Gordon Herrn Marno die Reise auf dem See offerireu zu wollen; da aber Niemand ohne expresse Genehmigung des Colonel auf den weißen Fluß gehen darf, und Marno die früheren Quälereieil nicht noch einmal ertragen will, so ist es begreiflich, daß er dieser nebelhaften und zwei­deutigen Einladung nicht Folge leisten kann. Da müßten positive Erklärungen ergehen, wenn Marno sich noch einmal entschließen sollte, unter Gordons Commando zu treten.

Es schwebt mir aus allem Dem vor, daß Gor­don sein Masco einsieht, und daß er, weil er Nie­manden hat, der das leisten könnte wie Marno, nun diesen aus gute Manier angeln zu wollen scheint. Marno ist ein freier, wissenschaftlich ge­bildeter Forscher der Neuzeit, ein Mann voll Leben

und jugendlicher Kraft; er hat Anspruch auf die Achtung der gebildeten Welt, und hat es nicht nöthig, sich den wetterwendischen Launen des Colo­nel Gordon zu unterwerfen. - Gordon wird wohl schon einsehen, daß die Expedition durch die unge­bührliche Behandlung Marnos einen nicht gut zu machenden Schlag erlitten hat.

Gestern Abend kehrte Marno von seiner Jagd­partie zurück und ist heute mit dem Ordnen und Trocknen seiner Sammlung beschäftigt; er wird also mit der nach drei Tagen abgehenden Post seine Absichten berichten und dieselben Ihrem Einflüsse empfehlen. Sollte vr. Schweinfurth eine Extra­idee zur Erforschung gewisser Ländereien haben, so würde sie Marno bereitwillig acceptiren.

Hansal."

Chartum, 8. August 1875. Marno, der lebens- und thatkräftige Forscher, der keinen Tag unbenützt die Sonne untergehen läßt, hat am 26. Juli eine Tour nach Darsur angetreten, mit drei Kameelen, leicht, ohne Gepäck, blos mit seinen Instrumenten. Er will so rasch als möglich eine Rundreise in Darsur, und womöglich auch eineu Abstecher nach Hofrat-en Nahas machen, um im Falle ihm durch die vicekönigliche Gunst eine größere Unternehmung ermöglicht werden sollte, rechtzeitig wieder in Chartum zu sein, und im günstigen Falle von da seine weiteren Schritte zu organi- siren. Im entgegengesetzten Falle geht Marno nach seiner Rückkehr von Darsur privatim auf den Bahr Saraf, um den nur dort vorkommenden Ba- leniceps und Protopterus zu sammeln, wodurch er Alles in Allem Material genug hat, um seinen ehrenhaften Namen aus dem Schlamm, in welchen ihn Gordons Launenhaftigkeit getrieben hat, zu retten. Nach meiner Ansicht ist eine so ordinäre, gemeine Behandlung einem gebildeten Menschen niemals von gebildeten Menschen wider­fahren, wie es Marno von Seiten Gordons er­leben mußte. Ich erwähne es erst jetzt, daß wir bei unserer Ankunft in Lado, als wir uns zur Be­grüßung zum Colonel verfügten und uns anmelden ließen, gar nicht vorgelassen wurden und ohne Grund auf unseren Dampfer zurückkehren mußten. Das war ein peinliches Gefühl für mich und Marno. Erst später wurden wir vorgerusen. Dieses erste Recontre, welches nur wenige Minuten dauerte, war kühl, und Herrn Marno gegenüber, welcher viele Briefschaften abzugeben hatte, nahezu abstoßend. Am nächsten Morgen wurden wir wieder einge­laden. Nach wenigen, gleichfalls unfreundlichen Worten entwickelte Gordon uns Beiden gegenüber eine absonderliche Liebenswürdigkeit, welche bis zu meiner Abreise fortdauerte. Kaum war ich außer Sicht, so begannen die bekannten Hetzereieil gegen