An der Tee.
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Frage des Alten nicht verstehend. Dach Swaneke kam einer Erläuterung des letzteren zuvor, denn sie rief:
„Wo de Hansen blewen sind, Vadder? Up't Water krupt se noch, awer se hebbt keen rechte Füst mehr."
Ihr Ausruf erschien als ein allgemeinbezüglicher auf mangelnde Armkraft der heutigen Nachkommen der alten Hansen, doch zwei Ohren faßten offenbar einen heimlichen Stachelklang darin auf, der die rechte Hand der linken gegenübergestellt. Wenigstens drehte Tileman Luchterhand den Kopf gegen die Sprecherin und stieß durch halb lachende Zähne:
„Meenst Du, Swaneke? Dat kunn ok we'n, dat se dat Hart nppe fcheefe Sit inne Bost hebbt."
Zugleich ließ sich jetzt erkennen, was es war, wodurch sein Gesicht sich von denen der Andern unterschied. In einem strahlenden Blau seiner Augen lag's; sie waren nicht grell, wie die Peter Schüddekops, aber sie warfen einen Glanz zwischen den Lidern hervor, der an die windbewegte Ostsee unter sonnenhellem Himmel gemahnte, und so tauchten sie sich aufleuchtend in die meergrünen Augensterne des Mädchens. Ein kurzes Hin- und Herflimmern zwischen den Blicken war's, zugleich wechselseitig vertraut und trotzig herausfordernd, dann sagte Swaneke:
„Heft Döst?"
Die Frage enthielt das Anbieten eines Trunkes, doch im Ton klang wieder etwas Geringschätziges, als nehme sie an, er komme nur, weil er wisse, daß er seinen Durst hier stillen könne. Und fast war's, als klinge noch Eines hindurch und die Frage beziehe sich spöttisch aus ein Begehren seiner Lippen nach noch etwas Anderem. Er antwortete nur kurz: „Jk Hess Di uich nödig dato," und trat in den Hintergrund der Stube an den Heerd. Sein Thun zeigte ihn als wohlvertraut im Hause des Alten, denn er streckte die Hand nach dem Kessel, um selbst sich einen heißen Trunk zu mischen. Doch das Mädchen folgte ihm hurtig nach und sagte:
„Büst Du Söhn in't Hus? . Sunst lat Din Finger davun as."
Das war ein Spottwort, welches ihm doch das Blut in's Gesicht warf. Sie hatte Sohn gesprochen, aber es hatte den Sinn gehabt, Schwiegersohn; er that indeß, als ob er nur das erstere darunter verstanden, und gab zurück:
„Weerst Du min Süster, hölst Du wul Din Tühn beter tosam."
„Löv'st, ik harr bang vör Di?" i^Jhre Gestalt reckte sich hoch und herausfordernd auf, und die vier Augen maßen sich einen Moment wieder mit einem sonderbaren Lichtge
flacker. Dann griff sie nach dem Henkel des Kessels, um ihm denselben zu entreiße«. Er hielt fest, und sie rangen; aber er war doch stärker und mußte schließlich die Oberhand behalten. Da bog sie mit plötzlichem Ruck das Ausgußrohr des Kessels vornüber, daß ein Strahl des kochenden Wassers auf seine rechte Hand niederschoß. Die getroffene Stelle färbte sich sofort mit dunklem Roth, unwillkürlich ließ seine andere Hand den Henkel fahren, den Swaneke nun kräftig an sich riß. Doch ohne Laut verbiß er den ungeheuren Schmerz, den die große Brandwunde ihm verursachen mußte, und trat gleich- müthig vom Herd in den Vordergrund der Stube zurück. Der Blick des Mädchens folgte ihm kurz mit einem halb ungläubigen Staunen. Sie kannte den Schmerz, den eine weit geringere Menge siedenden Wassers erzeugte, und wußte, sie hätte aufgeschrieen. Jetzt mischte sie Branntwein mit heißem Aufguß in einer irdenen Schale und stellte diese wortlos vor die Wandbank, aus die Tileman sich gesetzt. Und ebenso wortlos griff er danach mit der verbrannten Hand, als sei ihr nichts geschehen.
Peter Schüddekop hatte starr vor sich hingesehen und sprach nun: „Hüt sünd dat «ich
Dänen, se hebbt annere Namens. Awer old Clas is nich da."
Mit dumpfem Knall dröhnte es von Stralsund herüber in seine Worte, zugleich ging die Thür auf und es kam noch ein Abendgast von selber Art wie die übrigen. Nur lag in seiner Miene etwas Aufgeregtes, er rief bei'm Eintritt:
„Nu kamt se ok vun de Waterkant!"
„Wem klimmt, Berndt?" frug der Alte.
Berndt Arend, der Ankömmling, gab mit ungewohnter Zungenfertigkeit Antwort. Er hatte nord- aufwärts an der Südspitze der Insel Hiddens-Oe Netze gezogen, da war's im Dämmern westher von Darser-Ort an der mecklenburgischen Küste hoch und schwarz über's Wasser gekommen, eine hochmastige Kogge, doch auf den Hinblick kein Däne und kein Schwede. „Dat is mi so'n Tüg", hatte Berndt Arend sich gesagt, seinem Boot Segel aufgesetzt und war gegen das fremde Ding ausgelaufen. Und wie er näher herankam, blieb ihm kein Zweifel, es sei ein erstes im Wismarer Hafen hinter'm Walfisch gerüstetes Orlogschiff des „Generalkapitäns der Armada auf dem baltischen Meer," das bei Nacht und Wind auf Kundschaft auslaure, wie es draußen in der Rügen'schen See stehe und ob es etwa im nächsten Nachtdunkel mit Succurs Stralsund von der Wasserseite beikommen möge.
Athemlos hatten alle Hörer die gewichtige Botschaft sich an's Ohr schlagen lassen; die mvnate- lange, treibende Geschäftigkeit auf der Rhede von Wismar warf düsterste Vorzeichen ihrer dunklen Drohgefahr aus, und ein Murmeln lief jetzt um: