Heft 
(1.1.2019) 01
Seite
31
Einzelbild herunterladen

An der See.

31

vergeblich, dann fiel auf einmal mit breiter Strahlen­garbe wie Schneelicht der unbewölkte Vollmond durch die Nacht. Es war, als habe er allen Wasserdunst zwischen Erde und Himmel ausgesogen, denn er blieb jetzt und zeigte dicht windauf eine hochmastige Kogge mit hohen Kastellen auf dem Vorder- und Hinterdeck. Sie trieb unter Halbsegeln, offenbar ohne kundigen Lootsen an Bord und ungewiß in dem fremden Gewässer das Frühlicht erwartend. Der neue Herzog von Mecklenburg besaß Landtruppen in Fülle, aber Seeleute mußte er sich für seinen Flottenbau erst suchen und bilden.

Kein Laut, keine Regung aus der Snigge. Nur mit tief niedergebogenen Linnen flog sie gegen die Kogge heran. Nun so nah, daß man auf dieser die Wachtposten erkannte. Sie blickten halb schläfrig, halb neugierig verwundert auf das kleine, im Ver­hältnis; zu ihrem Schiffe winzige Fahrzeug, das hart an ihnen vorüber schneiden zu wollen schien. Da riß Peter Schüddekopp jach das Steuerrohr luv um, und wie eine umschwenkende Möwe lag mit einem Schlage die Snigge leewärts an der Seite der Kogge. Hinübergeschleuderte Kettenhaken rasselten im selben Augenblick auf das Deck der letzteren, und vom Steuerbord niederspringend, brüllte old Peer durch Wind und Wellengeklatsch gegen das Wallensteinische Orlogschiff hinüber:Dudesche Hanse!"

Doch auch die überraschten Wachen drüben schrieen jetzt:Mordrio!" und aus dem Bauch der Kogge dröhnte und klirrte es herauf. Sie barg mindestens die fünffache Ueberzahl der tollkühnen Angreifer, Partisanen und Hellebarden funkelten diesen im Mondlicht entgegen. Doch es waren Rügen'sche Schiffer gegen Landratten, und sie stürmten nicht an der Breitseite den vorgestreckteu Speeren in die Schneide, sondern mit unfaßbarer Schnelligkeit, als hätten sie Flügel, hingen sie rund um die Kogge und enterten von allen Seiten gleichzeitig auf. Old Peer aber überschrie das Getümmel und Getöse:

Wer tovörst baben is, den hört min Schip to, min Hus, min Dochter, wat he will!"

Seine weiße Haarmähne um Kopf und Kinn flatterte barhaupt im Wind, aus seinen grellen Augen schossen Funken, loderte es wie todverachtender Irr­sinn. So hatten die alten Seekönige mit riesiger Faust das feindliche Schiss gepackt und gehalten.

Jk bün tovörst, old Peer!" schrie es von drü­ben, und Tileman Luchterhand schwang sich von rückwärts auf's Deck der Kogge. Doch im selben Augenblick schnellte sich unweit von ihm eine andere Gestalt durch die Wanten, und Swaneke Schüdde- kops Stimme rief:Prahlmatz, ik weer vör Di!" Ihr Haarknoten hatte sich aufgelöst, und wie flüssig gewordener goldgelber Bernstein rann es ihr über den Rücken und bis über die Hüften herunter. In ihrer Rechten blitzte die eiserne Hiebwaffe, und wie

eine Walkyre Odins warf sie sich achtlos auf die von unten heraufstürzendeu Feinde.

Ein wildes Toben war's auf der schwankenden Holzplanke über der wogenden, nächtlichen See. Ringsher von den Brüstungen stürmten die behan- supten Schiffer, zottigen Bären ähnlich, auf die Ver­teidiger der Kogge, ihre kurzen Aexte und Streil- kolben schmetterten von allen Seiten auf die Köpfe der letzteren herunter, deren lange Stoßwaffen im dichten Handgemenge überall unterlagen. Rasch deckte ein Dutzend niedergestreckter Wallensteiner das Mittel­deck, die andern suchten die Kastelle zu gewinnen, um ihre Speere gebrauchen zu können, doch auf den Fersen drangen die Hünengestalten von Olde Vehr hinter ihnen drein. Von druntenher wälzten sich die auftaumelnden Schläfer aus dem Schiffsraum die steilen Treppenstufen empor, aber vor dem engen Ansgang hielten Peter Schüddekop und Tileman Luchterhand Wacht. Sausend fuhr die Axt des letz­teren, von der linken Hand geschwungen, aus der einen Seite nieder, wenn ein Kopf vortauchte; zur andern stand old Peer als ein todbringender Riegel vor dem Aufdringen der hülflos gestauten Masse. Er hatte die Hellebarde eines der erschlagenen Feinde aufgerafft und ließ ihre breite Schneide gleich zucken­den Blitzfunken in die dunkle Treppenöffnung hinein­fahren. Wenn er fühlte, daß sein Stoß einen Körper getroffen, lachte er wild:Dat weer old Clas von Dänholm! Kamt an, wenn ji Lust hebbt, de dütschen Garpen tövt!" Ohnmächtiges Wuthgeheul antwortete ihm von unten, wohl Hunderte Bewaff­nete standen dort zusammengepfercht, denen zurück­stürzende Leichname und die zwei riesigen Wächter den Aufgang versperrten. Auswegslos saßen sie im Schiffsbauch gefangen; wären sie Wasserratten gewesen, so hätten sie sich aus den Speiluken an Bord herauf­zuentern versucht. Aber sie waren ungelenke und seeunkundige Landratten und stauten sich, hülflos zähne­knirschend in der dumpfen finstren Rumpfhöhlung.

So hielten die Beiden ihre Wacht, doch eines der Augen Tileman Daubs ging dabei stätig mit ! spähendem Mövenblick durch die Mondnacht überall­hin, wo das lange Bernsteinhaar einen Goldschim- ^ mer um sich warf. Und nun sprang er plötzlich ^ mit einem Satz von seinem Posten, sein Arm holte ^ aus und schmetterte mit der Axt einen Landsknecht i zu Boden, der im Begriff gestanden, Swaneke > Schüddekop von hinten mit seinem Speer zu durch- ! rennen. Die Spitze der Partisane traf im Nieder- j stürz noch ihren Rücken, sie fühlte es und sah, ge­wendet, was sie bedroht. Doch sie stieß nur acht­los aus:Dat harr ik sülben kunnt, bliv Du, wo Du henhörft, un kümmer Di nich um Wat anners." Dainit schoß sie wieder in's Gemenge, die scharfe Zacke ihres Spitzhammers troff roth von Blut.

Das Ganze mochte fünf Minuten gedauert haben,