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Wilhelm Ieuseii.

nun war's vorbei. Etwa dreißig Mann von der Besatzung der Kogge, denen es noch gelungen, recht­zeitig aus dem Schiffsinnern heraufzukommen, lagen, von Axt und Kolben niedergehauen, auf dem Deck und den Kastellen. Pardon war nicht gebeten und nicht gegeben worden, die wildblütige Zeit kannte keine Schonung; das Meer hatte an Wenigen die erbarmungslose Hinfchlachtung von Hnnderttausenden ans dem Lande gerächt. Von den Schiffern waren nur zwei mit Spießen durch die Brust gestoßen, daß die Spitze ihnen inx Rücken herausgedrungen, und die doppelte Anzahl verwundet. Hurtig schleif­ten ein Paar Dutzend Hände der Ueberlebenden jetzt zwei Jollen von der Snigge herüber und schleuder­ten sie krachend vor die Ausmündungen der Treppen. Danach bedurfte es des lebendigen Riegels nicht mehr; die Orlogskogge der Wallensteinischen Armada war mit ihrem eingesperrten Waffentroß drunten willenlos in der Hand der Sieger. Mit der Sicher­heit und Behendigkeit von Leuten, denen aus dem Wasser nichts Fremdes begegnen konnte, setzten sie alle Segel des eroberten Schiffes bei, nahmen die Snigge in's Schlepptau und drehten das Steuer heimwärts nach Stralsund. Doch mußten sie jetzt gegen den östlichen Widerwind auf, der sie zwang, in langen Schlägen zwischen der pommerschen Küste und Hiddens-Oe zu kreuzen.

Die Herzen unter den dicken Wämmsern klopften wohl mit einem kräftig-stolzen Schlag, aber der Mund that nach Väterart und Landesbrauch wenig davon kund. Jeder vollzog ruhig die ihm An­fallende Arbeit; die todten Feinde waren über Bord geworfen, und Niemand hätte mehr geahnt, welch' wilder Tumult aus Tod und Leben noch vor Kurzem zwischen den Kastellen gebrüllt. Wie ein friedlicher Kauffahrteisahrer zog die Kogge mit ihrer sonderbaren Ladung im Binnenraum dem Gellen zu.

Dann trat Tileman Lnchterhand einmal an Peter Schüddekop heran, der thronend auf einem Kasten saß, reglos mit den weiten Augen vor sich hinausblickend, einem weißköpfig-uralten Gallion- bildnisse ähnlich, das nächtlicher Weise vom Grunde der See heraufgekommen. Sein Gesicht hatte etwas Geisterhaftes, Abwesendes; ab und zu sprach sein Mund laut vor sich hin: „Dat is de dudesche Hanse. Se levt noch."

Nun sagte Tileman ruhig: „Jk wer tovörst baben, old Peer. Woans steiht dat mit dat, wat Ji seggt hebbt?"

Der Alte drehte ihm die grellen Sternaugen zu und wiederholte: „Du weerst tovörst baben vun de Hansen, ik hefst' hört und sehe. Wat het he seggt?"

„De knnn sin Schip nehm nn sin Hus un wat he wnll."

„Wenn old Clas vun de LiPP dat seggt het, denn steiht dat Wort as de Mast."

Peter Schüddekopp sprach nicht von sich selbst er war der Bürgermeister Claus von der Lippe, der vor zweihundert Jahren den Schimpf wett gemacht, den die Dänen den „Deutschen Garpen" in Stralsund angethan. Tileman versetzte gleich- miithig:

„Schip un Hns Hess ik sülben, awer keen Frn binnen. Jk will nix anners, as de Dochter, de Ji utsett hebbt."

„De Deern wist Du?" erwiderte der Alte, ohne eine Miene zu verziehen. „Old Clas het se utsett. Denn nimm de Deern."

Der Kopf Tilemans wandte sich nach der Seite, wo das Mädchen unfern stand, und er sagte: „Heft hört, Swaneke, bist mi tospraken."

Sie gehörte ihm, denn des Vaters Wort ver­fügte mit Macht und Recht über die Tochter. Doch Swaneke antwortete nur mit einem Kopfruck, der ihr das Haar auf die Schulter stob:

„He is narrsch vnnnacht un spökt inn' Kopp. Wer mi hebben will, mutt bi düsse Hand frien, Tileman Luchterhand."

Ihre Rechte machte dazu eine muskelstraffende Bewegung mit dem Spitzhammer, den sie beim Kampf auf die Köpfe der Gegner niedergeschwungen, und sie schritt seitab an die Schiffswandung; nur ein spöttisches Lachen trug der Wind noch von ihren« Mund zurück. Der junge Schiffer gab nichts zur Antwort, sondern führte seine vorige Thätigkeit gelassen fort. Als ob der Mond neugierig ge­wesen, was drunten auf der See vorgehe, schien er bis jetzt alles Gewölk seitwärts von sich abgeschencht zu haben. Doch nun kam's wieder tiefschwarz hinter ihm drein, man sah noch die weißlich schimmernde Dünenküste der Insel Hiddens-Oe, der die Kogge bei ihrem Querschlag entgegenlief, von der hohen Sandkuppe des Bakenbergs über- thürmt, dann jagte die dicke Wolkenmasse über die nächtliche Himmelsleuchte. Auch der Wind schnob stärker mit ihr aus und bauschte die Segel zu sausendem Flug, im Gegensatz zur Helle bisher siel es schwer dunkel herein und Alles verschwand außer den Schanmmähnen um den Schiffsrumps. Doch der Blick Tileman Daub's, der suchend hin und wieder schleuderte, unterschied einen Bernstein­schimmer durch die Nacht; vom Rücken einer Gestalt glimmerte er, die an der niedrigen Wandung stand und auf das Gewoge unter ihr hinabschaute. Nie­mand befand sich umher, und der unvermerkt Hin­zuschreitende legte die Hand auf die Schulter des Mädchens und frng:

„Weer dat Din Letztes, Swaneke, dat Dunichwift?"

Aufschreckend fuhr sie störrisch herum: „Fat mi nich an, sunst geiht Di't stecht!"