An der See.
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Aber nun schlang er blitzschnell mit eiserner Kraft seinen linken Arm nm ihren Leib und stieß aus: „Du hörst nri to, ik mak mit Di, wat ik will!" Und sich vorschleudernd riß er sie unwiderstehlich mit sich über die Brüstung, gradans nieder in die See. Hinter der ruhigen Miene hatte die Nacht heut ihm die Glieder mit wildem Blut durchkocht; wenn sie nicht mit ihm leben wollte, sollte sie mit ihm untergehen. Es war die alte, blinde Berserker- wnth der Vorväter, die über ihn gefahren.
Im Dunkel und Gepfeif des Windes vernahm Keiner etwas von ihrem jähen Sturz. Eh' sie wieder anftauchten, war die fortrasende Kogge schon in der Finsterniß verschwunden.
Tileman hatte beim Absprung in die Tiefe die Hand nicht von dem Körper des Mädchens gelassen, er hielt sie unter'm Wasser und kam so mit ihr in die Höhe. Mechanisch ruderte sie mit den Armen auf, der nächste Augenblick zeigte, sie war des Schwimmens kundig trotz jedem Schiffersohn von Rügen. So machte sie einige Schläge, bis sie voll die Besinnung wieder gewonnen, dann riß sie sich mit einem kraftvollen Ruck von der Hand Tilemans los und schwamm dahin. Worte zu wechseln war unmöglich; Wellenberge kamen und zogen Beide in Thäler herab und hoben sie wieder auf Schaumkämme hiuauf. Doch der Bernsteinglimmer deutete ihm ihre Richtuug durch das Gischtgesprühe, lang floß ihr Haar aus den quirlenden Wassern hinter ihr drein.
Ihm that's Keiner am Gellen aus und ab au Kunst und Ansdauer im Schwimmen gleich, allein nüchterne Besonnenheit war ihm zurückgekehrt, und wie er sich, aufschnellend, einen Moment hob und in einem Mondblitz den Dünenkopf des Bakenbergs noch weit vor sich gewahrte, sagte er sich, es sei auch ihm unmöglich, Hiddens-Oe so zu erreichen. Mit den Füßen Wasser tretend, blieb er zurück, entledigte sich mühsam, oft von überkippender Welle fast erstickt, seiner schweren Kleidung und danach unter noch größerer Anstrengung der Stiefel, dann aber schoß er, einem silberschuppigen Fisch ähnlich in der dunklen Fluth aufglänzend, Swaneke Schüdde- kop nach. Sie hatte weiten Vorsprung erreicht, doch ihr Haar wies sie ihm nach geraumer Weile wieder über einer breiten Welle, und, schneller beweglich jetzt, holte er sie ein. Sie lag tiefer als zuvor im Wasser, sichtlich mußte sie alle Kraft ihrer Halsmuskeln anspannen, um Nase und Mund zum Athmen fähig empor zu halten, der vollgesogene dicke Hansup zog sie schwer herab. Nun schnellte Tileman sich an ihre Seite und schrie mit höchstem Aufgebot seiner Lungen: „Treck Di ut! Ik hol Di!" Sie vernahm's und verftand's, aber sich auf den Rücken werfend, stieß sie ihn mit den Füßen von sich und rang sich weiter. Er folgte nach und
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hielt sich neben ihr, eine Weile giug's so wieder fort. Dann verstärkten sich die Zeichen ihrer Ermattung, immer schneller wechselte sie die Lage ans der Brust und auf dem Rücken, ihr Nacken hob sich nicht mehr aus dem Wasser, das den Athem- stoß ihres Mundes überschwoll. „Du sackst!" schrie er noch einmal und packte ihre Schulter. Der Mond fiel klar wieder aus einer Lücke, sie drehte das Gesicht halb auf, und ihre grünen Allgen schillerten ihn an. Es stand darin, daß sie wußte, was er beabsichtigte, und daß sie ihn tödten werde, wenn sie könne, ihn daran zu hindern. Aber sein Wille war übermächtig, er krallte die Nägel seiner rechten Hand in ihr Wamms: — sie rangen ein paar Allgenblicke auf Leben und Tod; dann hielt seine Linke sie umklammert und bändigte sie machtlos, denn er drückte ihren Kopf unter's Wasser, daß nur ihr gelbes Haar noch droben zurückblieb. Als er sie, beinahe erstickt, wieder heraufkommen ließ, um keuchend nach Lust zu ringen, tauchte sie, fast des Gewandes entledigt, empor. Ihre Faust hob ! sich, sein Gesicht zu treffen, da zwang er sie abermals bis über den Scheitel hinunter, und wiederum, und nochmals, daß ihr die Besinnung verging. Er hielt sich und sie nur mit übermenschlicher Kraftanstrengung seiner Füße, wahrend seine Hände ihr Werk vollendeten, und es gelang ihm. Jetzt schleu- i derten die Wogen den zerrissenen grauen Hansup . hinter ihr auf und schlangen ihn im nächsten Mo- ! ment in die Tiefe. Von ihrer niederziehenden Last ! befreit, rang Swaneke mit dem Dranginstinct des ^ Lebens selbstständig sich wieder aus den Wellen empor; seine Hände packten nun nach ihren. Füßen,
^ und es dauerte geraume Zeit harter, fast aussichtsloser Mühe, doch dann hatte er ihr auch die schweren ! Stiesel herabgezerrt. Es wäre unmöglich gewesen, wenn sie sich dagegen, wie zuvor, zur Wehr gesetzt; aber sie that's nicht mehr. Sie selber half nicht mit, doch sie ließ es geschehen. Und jetzt war sie ! frei und ledig gleich ihm; man gewahrte, wie die Kraft ihr voll zurückgekommen. Mit mächtigem Vorstoß warf sie sich gegen die Wogen auf, ihre Schultern perlten aus dem Gischt, wie eine Nixe schwamm sie dahin, die lang nachfließende Goldgarbe hinter sich dreinziehend.
Tileman Daub hatte sich am Bord der Kogge blindlings von dem Sturm in seinem Blut überwältigen lassen und erst aus der kalten, nassen Tiefe Besinnung in seinen Kopf zurückgeholt. Und jetzt hatte er sein wildes Thun wieder wett gemacht, soweit es das Leben Swaneke Schüddekops bedroht. Er kannte ihre Kraft und Gewandtheit und wußte, der hemmenden Kleider entledigt, werde sie Hiddens- Oe sicher erreichen. Doch er wußte auch, wenn sie an den Strand komme, werde sie deck ersten Stein i aufraffen, um ihm den Kops damit zu zerschmettern.
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