vr. Rainer v. Reinöhl. Die Slavisirung Oesterreichs.
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harrst min Hart all lang mit Din Lnchterhand to- fat, awer dat Water weer dato nödig."
Er machte eine Armbewegung, als ob er wieder mit ihr in die See hinunter wolle: „Schüllt wi
noch mal?"
„Nee, Du hest mi to fast ünnerdukt."
Zur Rechten stiegen im Morgenlicht die Thürme von Stralsund auf. Noch ein kurzer Schlag, da lief die Kogge wider die Uferbrücke der Stadt. Viel Volk stand drauf und sah verwundert dem fremden Orlogschiff entgegen. Nun sprang old Peer auf; weißumflattert, die grellen Augen in die Gesichter am Ufer hineinbohrend, reckte er die Hünen
gestalt wie ein alter Seekönig vom Vorderkastell und schrie über Stralsund:
„Old Clas vun de Lipp kummt von Dänholm!"
Von der Armada des „Generals des oceani- schen und baltischen Meeres" stach kein zweites Schiff in See. Gustav Adolf von Schweden landete zu Usedom an der pommerfchen Küste; der neue Herzog von Mecklenburg ließ Thron und Land, wie es um ein Jahrzehnt früher der böhmische „Winterkönig" gethan, und die befreite Stadt Stralsund hatte mit Ketten, wenn nicht am Himmel, so doch am Meere festgehangen.
rum l)r. Karner v. Reinöhl.
„Unser Wohlgefallen an den:, was recht ist, ist keine bloße Billigung, sondern es ist mit Interesse verbunden." I. G. Fichte.
l. Die Sprachenverhältnisfe in den Cultur-
staaten.
-ÄMer Nationalitätenhader in Oesterreich hat eine förmliche Literatur über den Sprachenstreit in's Leben gerufen; da konnte es nicht ausbleiben, daß die Sprachenrechte der österreichischen Völker mit jenen der Völker anderer gemischtsprachiger Länder zusammengestellt und verglichen wurden. Denn kaum irgend ein Staat erfreut sich einer national völlig gleichartigen Besiedlung. Spanien beherbergt in den baskischen Provinzen und in einem Theile von Navarra eine halbe Million Basken; derselbe Volksstamm greift mit mehr als 100,000 Seelen über den Hochkamm der Pyrenäen nach Frankreich über. Außerdem leben im südlichen Frankreich noch zahlreiche Provenyalen und im Norden die keltischen Bretons (1,100,000). Aber die Sprache der Basken hat sich niemals zur Schriftsprache entwickelt, jene der Bretons ist zu einer bloßen Bauernsprache herabgesunken und der provenyalische Dialekt ist trotz seiner reichen literarischen Vergangenheit im 13. Jahrhundert durch die nordfranzösische Schriftsprache verdrängt worden. Daher haben alle diese Idiome ebensowenig eine staatliche Berücksichtigung gefunden, wie jene der ohnehin nicht zahlreichen albanesischen und slavischen Ueberbleibsel Italiens. Auch bei den in Irland, Schottland und Wales heimischen Resten der alten keltischen Bevölkerung Englands ist dies nicht der Fall, obwohl dieselben
mit 2,000,000 Köpfen 5.5 Procent der Bewohner Großbritanniens ausinachen. Wir haben es eben hier mit einem abdorrenden Sprachzweige zu thnn, der sich niemals zum Range einer Schriftsprache erhob; aus diesem Grunde gewann auch die englische Sprache unter Englands Kelten eine derartige Verbreitung, daß etwa nur 160,000 derselben des Englischen nicht mächtig sind. Noch unbedeutender als die genannten Völkerreste ist der im Rückgang begriffene Bruchtheil von Lappen und Finnen unter der germanischen Bevölkerung Schwedens und Norwegens. Die überwiegende Mehrzahl der 40 verschiedenen Sprachen und Dialekte Rußlands wird von ans einer niederen Bildungsstufe stehenden, meist nicht vielköpfigen Volkssplittern gesprochen und die bedeutenderen derselben, wie die von fast 6 Millionen gesprochene polnische, die lettische (beiläufig 1 Million) und deutsche Sprache sind fast ganz auf die Grenze beschränkt. Zudem findet der Absolutismus des weißen Czaren in der beinahe völlig durchgeführten religiösen Einheit seines Völkergewirres und in dem starken Kerne des die Mitte des Reiches einnehmenden russischen Stammes, der zwei Drittel seiner europäischen Unterthanen umfaßt, eine sichere Stütze seiner Macht. Von Deutschlands Bewohnern gehören nur 8 Procent einer fremden Nationalität an und die Angehörigen derselben sind mit Ausnahme der Wenden allenthalben an der Grenze seßhaft, wie die 2,800,000 Franzosen und Wallonen im Westen, die etwa 3,300,000 Slaven und 150,000