Die Slavisirung Oesterreichs.
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Halste zusammen geschmolzen, ein Verlust, der den Italienern zu Gute kam. In Südtyrol endlich hat bis vor Kurzem ein durch Jahrhunderte fortgesetzter Entnationalisirungsproceß dem deutschen Volke viel Boden, soweit sich voraussehen läßt, für immer entzogen und die deutschen Namen Knrtinig, Mar- greit, Nenmarkt und Pfatten den italienischen Cortina, Margrs, Egna und Badena Weichen lassen; der Einfluß des aus Trient ausgesendeten Klerus drängte in seinen Seelsorger-Stationen das Deutsche in Kirche und Schule immer mehr zurück, der rührige und genügsame italienische Bauer rückte gegen den deutschen vor und das italienische Idiom durchschnitt selbst den Thalkessel von Meran und schob sich an der Eisak vereinzelt bis gegen Brixen hinaus. Nunmehr ist dieses Vorschreiten trotz des Zusammenhanges der italienischen Bevölkerung mit einem jungen, emporstrebenden Nationalstaat zumeist infolge wirthschaftlicher Veränderungen zum Stillstände gelangt.
Dieses Vordringen sämmtlicher anderen Stämme gegen das deutsche Gebiet erscheint für den ersten Augenblick umso auffallender, als das absolutistische System Bach 1848—1859 eine entschieden ger- manisatorische Richtung verfolgte und von den folgenden Ministerien bis auf Taafe nur die kurzlebigen Cabinete Belcredi (1865—67) und Hohenwart (1870—71) eine direkt deutschfeindliche, entschieden slavenfreundliche Haltung einnahmeu. Die slavische Propaganda hat eben selbst in der Zeit des Absolutismus, insbesondere auf dem Gebiete des Schulwesens, Erfolge zu erringen gewußt und auch die sogenanuteu deutsche» Ministerien konnten eine Reihe der wichtigsten Zugeständnisse ihrer slavo- philen Vorgänger nicht mehr zurücknehmen; ja das Bürgerministerium hat sich sogar in seinem Freiheitstaumel zu weiteren Zugeständnissen insbesondere an die Polen verstanden und die Deutschen brachten es bis zum letzten Jahre nicht einmal zur Bildung einer deutschen Partei, sondern nahmen in ihr Programm beileibe nicht die Wahrung der Jahrhunderte alten Rechte und der Lebensfragen des deutschen Stammes, sondern höchstens die unabweisbarsten Forderungen des österreichischen Staates und seiner Staatssprache aus. Und kaum war eine deutsche Partei in's Leben getreten, als sie sofort den wüthendsten Anfeindungen nicht etwa nur von Seite ihrer nationalen Gegner und der Regierungsblätter, nein, auch seitens der nach Erhaltung der Regierungsfähigkeit strebenden wie der radikalen Stammesgenossen ausgesetzt war. Da ist es denn kein Wunder, daß die ersten sechs Jahre des Ministeriums Taafe (1879—85) genügten, um die Regelung der Sprachenfrage im Sinne der Slaven durchzuführen, und daß die Slaven nunmehr zur Geltendmachung ihrer staatsrechtlichen Ansprüche
glauben schreiten zu können: zur Wiederaufrichtung des Königreichs Böhmen und der Sonderstellung Galiziens, woran sich die Gründung eines Königreichs Slovenien schließen soll.
II. Die Sprachenrechte in den Staaten gemischter Nationalität.
Daß man der Regelung der Sprachensrage an sich in Österreich überhaupt bis auf wenige Schritte nahe gekommen ist, und daß nur die staatsrechtlichen Ansprüche der Slaven den nationalen Zwist auf unabsehbare Zeit hinaus nicht von der Tagesordnung verschwinden lassen, wird eine Vergleichung der österreichischen Spracheugesetzgebung mit den gleichartigen Gesetzen anderer Staaten gemischter Nationalität darthun. Wir schöpfen dabei vorwiegend aus der Schrift Fischhoss: „Die Sprachenrechte in den Staaten gemischter Nationalität." Wien 1885. In der Schweiz sind die drei Hauptsprachen, die deutsche, französische und italienische zu National- spracheu des Bundes erklärt worden. Die Abgeordneten und gesetzgebenden Räthe der Schweiz können sich nach ihrem Belieben der einen oder der anderen Nationalsprache bedienen; die Eidesformel wird in allen drei Nationalsprachen verlesen, für die Verhandlungen beider Räthe (des aus den Abgeordneten des Volkes bestehenden National- und den Abgeordneten der Cantone bestehenden Stände- Raths) werden Uebersetzer gehalten, welche aus dem Deutschen in's Französische und umgekehrt übertragen. Im belgischen Parlament ist die vlämische Sprache zugelassen, doch wird von derselben nur äußerst selten Gebrauch gemacht; nur den Eid leisten die vlämischen Deputirten in ihrer Muttersprache. Die Sitzungsprotokolle beider Kammern werden in französischer Sprache geführt und die stenographischen Protokolle nur französisch gedruckt; die Regierung veröffentlicht aber seit 1878 täglich die Debatten des vorhergehenden Tages in beiden Sprachen. In den Debatten der Parlamentshäuser von Canada und der gesetzgebenden Körper von Quebec kann sich Jedermann sowohl der englischen als der französischen Sprache bedienen und gelangen beide Sprachen in den Protokollen und Tagebüchern dieser Häuser zur Verwendung. Die von den Regierungsmitgliedern des Dominion bei der Eröffnung und Vertagung der Session der gesetzgebenden Körperschaften gehaltenen Reden werden in beiden Sprachen gedruckt. Auch in der Cap-Eolonie ist seit 1881 der Gebrauch des Holländischen im Parlamente gestattet; doch ist die englische Sprache als die officiell anerkannte allein bei der Abfassung der Protokolle, bei den Verhandlungen und Abstimmungen des Parlamentes zulässig; weder Petitionen noch Denkschriften an das Parlament dürfen in holländischer Sprache abgefaßt werden.