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rn. v. K.
seinem Korde! Rührt ihn nicht an!" bat die unglückliche, kleine Strehlen, welche ihres Pfleglings wegen von einer Aufregung in die andere fiel, die bei ihr im Schlosse zum Besuch weilenden Freundinnen. „Ich athme erst auf, wenn er von seiner fieberhaften Beweglichkeit ruht; — oh, er ist der Nagel zu meinem Sarge! Vor kurzem erst hat er sich den Fuß verrenkt, nur ans Bosheit, um mir von Hoheit einen Verweis meiner Unachtsamkeit zu- znziehen."
„Du bist viel zu ängstlich mit dem Bösewicht," erklärte die schöne Felice von der Gracht, eine der Besucherinnen. „Man muß ihm gegenüber die Offensive ergreifen. Wir wollen ihn einmal jetzt zur Strafe Hetzen, daß ihm selbst angst und bange wird; er hat es reichlich um Dich verdient."
„Ja, ja Hetzen und jagen wir ihn!" stimmte die muthwillige junge Frau von Esche bei. „Ans von Deinem Weichen Lager, Du garstiger Spring- Kobold, Du sollst nicht länger auf der Fanlhaut liegen und Früchte in Cognac naschen. Streck' Deine Krallen heraus! Greif' uns, Malinoe, greif' uns!"
Heraus schnellte der gereizte winzige Wütherich, und in den sonst so ruhigen, schöngeordneten Zimmern begann eine komische wilde Jagd.
„Wie gut, daß Hoheit nicht mehr in ihrem Boudoir unter uns weilt, sich vielmehr schon in den Garten begeben hat," rief die kleine Strehlen halb belustigt, halb geängstigt, „was würde sie von dem Lärm denken. Horch >— da ging eine Thüre — Schritte kommen die Hintertreppe herauf — es überrascht uns Jemand."
„Wie schreckhaft Du bist! Wer sollte denn kommen? Sei es, wer es will — er muß sich an unserem Spiel betheiligen."
„Ja, er muß uns jagen und Hetzen Helsen. Greif' uns, Malinoe, greif' uns!" riefen die mnth- willigen Gäste der kleinen Strehlen.
Letztere hatte sich geirrt: Hoheit waren noch nicht gegangen, sondern erst im Begriff, sich zur Inspektion in den Garten hinab zu begeben, — sie ließen sich eben von der dienstthuenden Kammerfrau Hut und Mantel reichen.
„Was ist das für ein Lärm im Zimmer meiner Damen, Wehring?" fragte die Fürstin beim Umnehmen der Sachen und horchte erstaunt. „Ich habe es gern, wenn meine Umgebung sich belustigt, aber — das ist doch ein wenig arg. Was mag da Vorgehen?"
„Das Fräulein von der Gracht und Frau von Esche sind bei Fräulein von Strehlen. Auch der Major von Nählingen ist oben, er spielt mit den jungen Damen Blindekuh, Hoheit."
Die Fürstin zog den bereits über die Schwelle gesetzten Fuß wieder zurück und maß ihre Berichterstatterin von Kopf bis zu den Füßen.
„Das ist — stark! Nein, das ist ganz unmöglich, — Sie täuschen sich, Wehring. Major von Nählingen ist unten im Garten die Arrangements zu unserem Feste zu leiten. Ich will eben hinab, um sie zu besichtigen und seinem Eifer dadurch die wohlverdiente Aufmunterung zu geben."
„Bitte unterthänigst um Entschuldigung — aber — Major von Nählingen spielt oben mit den jungen Damen Blindekuh, Hoheit."
„Haben — haben Sie sich denn selbst davon überzeugt?"
„Ich traue überhaupt nur meinen eigenen Augen ! und Ohren, Hoheit."
! Die Wehring verschwand mit einer imposanten ! Verbeugung, und Hoheit standen bewegungslos zur I Salzsäule erstarrt.
Unerhört! Der Heuchler, der Verräther, —
! während er sie glauben machte, daß er sich im ! Garten abmühte, um ihre erhöhte Gunst zu erringen, daß ihre Gunst überhaupt sein einziges Glück — die Krone und das Ziel seines Strebens sei, und sie im Begriffe stand, ihm durch ihre höchsteigene Gegenwart den Lohn seines unausgesetzten Mühens zu gewähren, — hatte er sich treulos, hinterrücks von seinem Posten geschlichen, um — mit jungen Damen Blindekuh zu spielen! Mit der schönen, gefährlichen Gracht, deren Verlobung morgen veröffentlicht werden sollte, weil selbst der Erbprinz > anfing, ihren unwiderstehlichen Augen gegenüber ! schwach zu werden — mit dieser koketten Esche,
! welche jeden in ihre Netze zu ziehen suchte — und ^ als dritte im Bunde ihre Strehlen, das frische, verführerische Rosenknöspchen! Der Unwürdige sollte es fühlen! Er sollte es furchtbar fühlen.
Es kam wieder Leben in die gekränkte Gebieterin. Ja, sie mußte augenblicklich in den Garten hinabeilen, um den Entflohenen bei der Thal, das heißt, bei seiner Abwesenheit zu ertappen, — um dann den Zurückkommenden sich in lügnerischen Entschuldigungen erschöpfen zu lassen und ihn danach mit der Kenntniß der ganzen Wahrheit und mit der Wucht ihrer Ungnade zu Boden zu drücken."
Er spielte Blindekuh! Sie konnte es noch immer nicht fassen. Wenn ein Jüngling sich von den Sirenen zu solcher Thorheit verleiten ließe, aber er, der gesetzte, verständige Mann! —
Sie war schon die breiten Marmorstnfen der Treppe hinabgeschritten und unhörbar ans der von Orangen besetzten Schloßterrasse aus- und abgegangen, um ihrer Erregung Herr zu werden; nun lenkte sie in einen duftigen Laubengang ein, als sie plötzlich am andern Ende denjenigen wie eine rollende Kugel vor Eile und Eifer hineinschießen sah, gegen den sie ihren ganzen Groll im Busen trug: Major von Nählingen. Natürlich ansgelöst vor Hitze und Anstrengung, schweißtriefend sich mit