„Er spielt Blindekuh, Hoheit."
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dem Taschentuch Kühlung zufächelnd, glühend in Erwartung der hohen Anerkennung.
„Melde nnterthänigst, daß die Arrangements nahezu vollendet und als außergewöhnlich gelungen zu betrachten sind; Hoheit werden zufrieden sein. Aber die Hitze! — die Aufregung — das Glück, Hoheit dienen zu können! — Ich bin zu erschöpft."
Dabei nahte er sich dem Gegenstände seiner Huldigung mit siegesgewisser Miene.
„Das glaube ich, Herr Major von Nählingen. Bei vierundzwanzig Grad im Schatten mit jungen Damen Blindekuh spielen, das — das erklärt vollständig solches Echausfement. Lassen Sie sich durch mich durchaus nicht in Ihrem Vergnügen stören, ich verzichte auf die Ehre Ihrer Gegenwart."
Und mit dem Lächeln einer Medusa sich umwendend: „Adieu, Herr Major."
Bei seinem Anblick hatte die innerliche Entrüstung sie fortgerissen und sie ihrem Vorsatze abwendig gemacht. Was lag auch daran, den Heuchler sich durch Lügen noch tiefer verstricken zu lassen, er war ihres Zornes nicht Werth. Majestätisch wollte sie an ihm vorüberrauschen; — doch, was war das? Er wagte cs, ihr kühn den Weg zu vertreten!
„Hoheit, bei meiner Ehre schwöre ich, diesen Platz keine Sekunde verlassen zu haben und bitte, jeden Einzelnen der dort beschäftigten Leute zum Zeugen dafür aufzurnfen. Ich — mit jungen Damen Blindekuh bei der Temperatur — bei meiner ausgesprochenen Abneigung gegen dergleichen Thor- heiten! — Nur die schwärzeste Verleumdung konnte so etwas wider mich ersinnen."
Die Fürstin stutzte. Dies war offenbar die Sprache der Unschuld. An Verleumdung glaubte sie bei der erprobten Wehring nicht, aber die Zuverlässigste konnte sich am Ende irren. Es mußte eine Verwechselung der Person stattgefnnden haben. Gewiß, sie hatte ihrem Günstling Unrecht gethan, den sich Aufopfernden schwer gekränkt.
„In der That, ein fatales Mißverständnis mein lieber Nählingen. Ich bekenne es gern, es gewährt mir eine Freude, mich getäuscht zu haben. Wir Fürsten sind ja auch nur Menschen und dem Jrrthum unterworfen. Kommen Sie! Geben Sie mir Ihren Arm und führen Sie mich hier in diesem erquickenden Schatten umher. Und später zu dem Werke Ihres Fleißes und Geschmackes, das sicher wie immer seinen Meister loben wird."
Als die Fürstin einige Zeit darauf von Major von Nählingen sich trennte, um in das Schloß zurückzukehren, ruhte ein äußerst befriedigtes Huldvolles Lächelu auf ihrem Gesicht. Sie glaubte, deu Gekränkten durch ihre Gnade voll entschädigt zu haben, und ihr gutes Herz freute sich darüber. Sie bereute derart ihre Uebereilung, daß sie bereits
darüber nachdachte, ob sie ihm etwa eine Extra- Vergütung in Form eines Ordens, oder einer anderen Auszeichnung sollte zu Theil werden lassen. Zerstreut hielt sie einen von ihm angesertigten Plan der Gartenausschmückung in der Hand.
„Tragen Sie dies sogleich zu Herrn Major von Nählingen, Wehring," sagte sie zu der im Schloßportal ihrer wartenden Kammerfrau. „Er könnte es noch bedürfen. Am großen Rondel werden Sie ihn noch bei den Arbeiten finden."
„Major von Nählingen spielt oben mit den jungen Damen Blindekuh, Hoheit!"
„Sind Sie bei Verstand?" brauste die Fürstin im allerhöchsten Zorne aus. „Augenblicklich tragen Sie die Zeichnung in den Garten, damit Sie sich sofort von der Unwahrheit Ihrer Behauptung überzeugen. Schicken Sie mir eine andere Bedienung, bis Sie sich von Ihrer — Narrheit erholt haben."
Erhobenen Hauptes eilte die erzürnte Fürstin an der Gescholtenen vorüber in das Schloßportal. Das war denn doch eine Hartnäckigkeit, die einer besseren Sache wertst gewesen wäre. Was mochte nur in die sonst so verständige, zuverlässige Wehring gefahren sein — was, ja was? — Warum diese unsinnige Beschuldigung? Sie hatte gar keinen Grund, den Major zu verleumden und sich dadurch das Mißfallen der Herrscherin zuzuziehen. Sollte
am Ende doch etwas Wahres an der Sache-
und riesenhoch und schnell schoß die schwarze Saat des Argwohns wieder in der Fürstin empor. Sollte man ein schmachvolles Spiel mit ihr treiben und sie am Ende doch die Betrogene sein? Nein, nein, es war nicht möglich, — dazu war Nählingen nicht im Stande! Nur, um diese ihre Ueberzeugung bestätigt zu sehen, um den letzten, leisen Zweifel durch eigene Anschauung besiegen zu lassen, wandte die hohe Frau sich schnell entschlossen von der breiten Haupttreppe ab und begann rastlos die kleine wenig bequeme Hinterstiege zu den Zimmern ihrer Damen emporzusteigen.
Auf dem letzten Treppenabsatz, wenige Stufen unter dem kleinen Vorflur, blieb sie jedoch wie angewurzelt stehen. Was mußte sie hören? Er war oben, der Verräther, man rief ihn laut und ungenirt mit Namen.
„Nählingen!" tönte es der empörten Fürstin rechts, „Nählingen!" links entgegen, — Lärm und Gelächter schallten zu ihr heraus, und jetzt wurde die Thür zum Gemach der kleinen Strehlen ausgerissen. Der erstarrten hohen Lauscherin entgegen flog die „kokette" Frau von Esche, die Toilette derangirt, eine ausgelöste Strähne ihres prächtigen Haares verführerisch über die Schulter geworfen — rückwärts tanzend, lachend, athemlos: „Such' mich, Nählingen, such' mich! Greis' die Beute."
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