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llk. v. A. „Er spielt Blindekuh, Hoheit."
Die Wehring hatte doch recht gehabt, sie, die Fürstin, war die Hintergangene. Kaum von ihrer Huld und Güte entlassen, mußte er sich noch vor ihr die Treppen wieder hinausgestürzt haben, um dies gottlose, entsetzliche Blindekuhspiel fortzusetzeu. Es war unerhört, beispiellos! — Aber furchtbar wollte sie auch auf der Stelle mit dem Frevler und den Theilnehmerinnen seines Vergehens üüs Gericht gehen. — —
Die ahnungslose Esche fühlte plötzlich ihren Arm von einer energischen Hand gefaßt.
„Treiben Sie Faschingsscherz an diesem schönen Sommertage?" tönte die Stimme der hohen Frau fast heiser vor Aufregung in ihr Ohr. „Besinnen Sie sich, wo Sie sind. Was bedeutet dies wilde Jagen?"
„Wir — wir spielen Blindekuh, Hoheit!" stammelte die Erschrockene, sich tiefer noch als sonst bei der vorschriftsmäßigen Verbeugung zu Boden senkend.
„Wahrlich, ein edler Zeitvertreib für Damen Ihres Standes und Ihrer Erziehung!" fuhr die gereizte Machthaberin fort. „Ich beklage Sie! Und ganz unter sich sröhnen Sie diesem kostbaren Vergnügen? Nur Sie drei Damen allein, ganz allein?"
„Ganz allein, Hoheit."
„Frau von Esche, auf Ihre eigene Verantwortung hin! Ich werde mich sogleich selbst von der Richtigkeit Ihrer Worte überzeugen. Bitte, mir Raum zu geben."
Damit wollte die Zürnende hoheitsvoll an „der schönen Sünderin" vorbei in's Zimmer schreiten; doch die arme kleine Strehlen kam ihr zitternd, mit bittend emporgehobenen Händen zuvor.
„Verzeihung, Hoheit! Verzeihung, ich bekenne lieber vorweg unsere Schuld. Nein, wir sind nicht ganz allein. Er — ja er nahm Theil an unserem Spiel, forderte uns gewissermaßen dazu heraus. Und wir thaten es schließlich nur zu seiner Erheiterung, da er uns einer solchen wirklich bedürftig erschien."
„Sie konnten sich in Wahrheit so weit vergessen? Doch davon später. Er ist noch in Ihrem Zimmer anwesend?"
„Ja wohl, Hoheit, wo sollte er sonst sein? Er sitzt jetzt auf dem Schranke und nascht eine Malagatraube, der Schelm. Kommen Hoheit geschwind und sehen, wie lieb er aussieht."
„Fräulein von Strehlen, sprechen Sie im Fieber?" brachte die Fürstin mühsam hervor. „Was — von wem reden Sie?"
Nun, von wem sonst, Hoheit, als von dem süßen, reizenden Schäker, Malinae, unserem — kleinen Tyrannen!"
„Malinseü?"-
Hoheit athmeten tief auf.
„Mit Malinäe spielten Sie? In der That nur mit ihm?"
„Aber mit wem sonst, Hoheit? Sehen Sie doch nur, wie Possirlich er aussieht — als Blindekuh. Wir haben ihm die Hellen Aeuglein verbunden, weil er sonst für uns zu schlau ist."
„O — das ist ja sehr — sehr aufopfernd von den Damen, sich mit dem kleinen Thiere zu Vergnügen. Ich muß es anerkennen," sagte die Fürstin mit schnell zurückgewonnener Fassung. „Sie brauchten sich dessen nicht zu schämen, Frau von Esche, — aber mir däucht — ich glaubte, zu hören — Sie, meine Liebe, riesen doch einen anderen Namen?"
„Bitte tausendmal um Vergebung, Hoheit, — ich rief: Malinse."
„Ja, Ja! es klang so ziemlich gleich — Malinse — Nählingen!" —> und die Fürstin hatte den Namen herausgehört, der ihr allein in Gedanken gelegen. Aber Gottlob, nicht ausgesprochen! Diesen Affront hatte sie sich, wie dem Betreffenden glücklicherweise erspart. Niemand sollte je etwas von ihrem unglücklichen Mißverständnisse ahnen. — -—
„Sehen Sie wohl ein, Wehring, wie sehr Sie sich getäuscht und verhört haben," sagten Hoheit in ihrem Zimmer streng zu der reuigen Kammerfrau. (Sie war eben mit dem Bescheid aus dem Garten zurückgekehrt, den Major dort getroffen und ihm den Plan eingehändigt zu haben.) „Man kann nicht vorsichtig genug sein, und — merken Sie es sich vor Allem — man darf oft auch seinen eigenen Ohren nicht trauen."
Daß die Wehring sowohl, wie ihre allerhöchste Gebieterin, die Fürstin selbst, doch recht gehört, daß die jungen Damen den Hofaffen unter sich nur „Nählingen" nannten und auch so gerufen hatten, — das erfuhr die Fürstin freilich nicht. Major von Nählingen soll es allerdings bald erfahren und sich seufzend in den Spott der Schönen gesunden haben.
„Sie sind schließlich doch die Stärkeren," pflegte er mit Bezug auf den Schlag zu sagen, den er gegen die schuldlose kleine Strehlen geführt, und der so hart aus sein eigenes Haupt zurückgefallen war. Lange Zeit noch wurde es vernehmlich hinter ihm geflüstert, das omineuse: „Er spielt
Blindekuh, Hoheit".
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