Heft 
(1.1.2019) 01
Seite
45
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Besprechungen.

Zu den Künstlern, welche die Radiernadel mit dem meisten Glück handhaben, gehört B. Mannfeld, der uns mit seinem reizenden AlbumVom Rhein" (Bonn, Strauß) in fünfzehn lieblichen und acht künstlerisch durch­geführten Ansichten von besonders malerischen Punkten zwischen Mainz und Köln eine sehr werthvolle Gabe ge­boten hat. Daß Mannfeld sich an den alten Maler-Ra­dierern gebildet, sieht man sofort, und daß die Wiedergabe von Architekturen seine eigentliche Spezialität ist, nicht weniger. Darum sind denn auch die Blätter, welche wie Andernach, Heisterbach derZoll" undDer Münster in Bonn",Köln, vom Rhein her", vorzugsweise durch Bauwerke ihren Charakter erhalten, am gelungensten. Denn Mannfeld versteht vortrefflich, sie zu fesselnden Stimmungs­bildern zu machen, durch zitterndes Mondlicht in geheim- nißvolles Dunkel zu hüllen, im Schnee des Winters ihren Verfall zu zeigen oder die Wellen des Rheins sich im Dämmerschein des Abends an ihrem einsamen Gemäuer brechen zu lassen. Immer aber weiß er den romantischen Reiz, den eine zweitausendjährige Geschichte um diese herrlichen Ufer gewoben, mit seiner acht deutschen Eigen- thümlichkeit überraschend zu treffen.

Wir haben im lieben Vaterland bekanntlich das kuriose Vorurtheil, daß die Romantik vorzugsweise an den Ruinen haste. Das ist gerade so, als wenn wir die Frauen nur schön fänden, wenn sie die Hälfte ihrer Zähne bereits ver­loren haben. Die gesunde Romantik steckt aber ganz und gar nicht in den Ruinen, sondern im Gegentheil in dem neuen Leben, das aus ihnen emporblüht. So war denn auch der Rhein niemals so romantisch als heute, wo Schiff an Schiff schwer beladen an seinen Burgen vor­überzieht, wo neue üppige Villen und stolze Schlösser auf Schritt und Tritt herabgrüßen, wo Tausende jubelnd zum hochaufgerichteten stolzen Riesenbild der Germania wall­fahrten, wo die einst verfallenen Dome endlich ausgebaut sind, wo kein fremdes Banner mehr an seinem User un­serer Ohnmacht lacht und jeder Blick uns zeigt, daß die Enkel eine Periode der Kraft und des Glanzes herbeige­führt, wie sie der alte Papa Rhein seit einem halben Jahr­tausend nie mehr gesehen.

Was aber von der Landschaft und der sie schildern­den Kunst, das gilt auch von der Kunst und Dichtung verbindenden Literatur erst recht. Auch da ist die Ro­mantik bei der Jugend, nicht beim Alter. Daß Deutsch­land sich trotz allen Parteigezänks Wähler fühlt, als je zuvor, das wurde schon der ungeheure Reichthum unserer humoristischen Produktion beweisen, der so groß ist, daß

er beinahe den aller anderen Kunstzweige übertrifft. Un­streitig steht München hier obenan, nicht am wenigsten, weil es in denFliegenden Blättern" ein Organ gefunden hat, das durch seine überaus verständige, alles Schlüpfrige wie Persönliche, Politik und Religion ausschließende Hal­tung der humoristischen Weltbe'trachtung einen außer­ordentlichen Vorschub geleistet hat und dem Blatte dadurch eine kolossale Verbreitung sicherte. Denn es ist ein Aus­druck der besten Seiten unseres Nationalcharakters gewor­den, den bekanntlich politische und religiöse Zänkerei gleich sehr verderben und der auch in geschlechtlichen Dingen eine gewisse Zurückhaltung verlangt, allem Schmutz und aller Frechheit innerlich abgeneigt ist. Für den künftigen Kulturhistoriker sind daher dieFliegenden" geradezu un­ersetzlich, er wird aus ihnen jedenfalls eine unendlich bes­sere Meinung von uns schöpfen, als aus unseren poli­tischen Blättern. Es ist daher ganz passend und dankens- werth, wenn der reiche Inhalt derFliegenden" alljährlich zu einer Anzahl von Spezial-Publikationen verarbeitet wird, wie wir sie in demOberländer Album" und seinen zwergfellerschütternden Schnurren , dann in den köstlichen Schilderungen der Thätigkeit unseres KriegsheeresIm Frieden", die von Nagel, Schlittgen, Oberländer, Steub, Meggendorfer u. A. davon entworfen, aber auch in den bekannten witzigenGedankensplittern" derFliegenden" dies Jahr aufgetreten sind. Nicht weniger in den welt­berühmtenMünchener Bilderbogen", wo uns diesmal ein neues Talent (Rickelt) zu den Kalmücken, und ein zweites (I. Bauer) in die Kinderstube führen, wie Hengeler auf den Krautacker und Lettner auf die Jagd, während wir neben Kamerun auch China durch den altbeliebten Meggen­dorfer zu sehen bekommen. Mit Wilh. Busch und Ober­länder handhabt unter diesen Münchener Humoristen der letztere jenen monumentalen Styl am besten, wo man mit den geringsten Mitteln die Phantasie am lebhaftesten anregt. Er paßt daher auch ganz und gar für das weite Fach der Kinderbilderbücher, das uns um so wichtiger er­scheint, als es einen so großen Einfluß auf die Entwicke­lung des jugendlichen Charakters hat. Daß wir aber den Kindern gar keinen besseren Begleiter mit auf den Lebens­weg geben können als den lustigen Humor, das hat unser in'beständigem Kampfe mit ihm liegendes Schulmeister­thum natürlich noch nicht entdeckt. Gerade zu seiner Er­weckung aber sind Meggendorfer's Bilderbücher wieAuf dem Lande" u. a. m. sehr geeignet. Auch die von Geißler- recht ansprechend erfundenenGoldenen Jahre" (Nürn­berg, Ammersdorfer) zeigen ihn wie Johannes Trojan's begleitende Verse, während er in des mit Recht beliebten Paul Mvhn'sKinderengel" nur mehr selten auftaucht, so hübsch die, alte weltbekannte Gedichte von Wunder-