Heft 
(1.1.2019) 02
Seite
52
Einzelbild herunterladen

62

Theodor Fontane.

Millionären in der Umgegend mindestens gleichge­stellt hätten."

Ei, das freut mich. Zucker-Millionäre! Wie hübsch das klingt." Und dabei blieb sie stehen und sah, durch ein goldbroncirtes Gitter, einen der breiten Gartenstege hinauf.Das lila Beet da, das sind Levkojen, nicht wahr?"

Und das rothe," fragte Rosa.Was ist das?"

Das ist »Brennende Liebe«."

Mein Gott, so viel."

Und doch immer noch unter der Nachfrage. Muß ich Ihnen sagen, meine Gnädigste, wie stark der Consum ist?"

Ah," sagte Cocile mit etwas Plötzlich Ansleuch­tendem in ihrem Auge, das dem sie scharf beob­achtenden Gordon nicht entging und ihn, mehr als all seine bisherigen Wahrnehmungen, über ihre ganz auf Huldigung und Piquanterie gestellte Natur auf­klärte. Der Eindruck, den er von diesem fein-sinn­lichen Wesen hatte, war aber ein angenehmer, ihm überaus sympathischer und eine lebhafte Theilnahme, darin sich etwas von Wehmuth mischte, regte sich plötzlich in seinem Herzen.

Von der Stelle wo man stand, bis zu dem hoch­gelegenen Stadttheile, der mit Schloß und Kirche das ihm zu Füßen liegende Quedlinburg beherrscht, war nur noch ein kurzer Weg, und ehe man hundert Schritte gemacht hatte, begann bereits die Steigung. Diese selbst war beschwerlich, die malerisch-mittel­alterlichen Häuser aber, die, nesterartig, zu beiden Seiten der zur Höhe hinanfsührenden Straße klebten, erhielten Cöcile bei Muth und als sie bald danach auf einen von stattlichen Häusern gebildeten und zu weitrer Verschönerung auch noch von alten Nußbäu­men überschatteten Platz hinaustrat, kam ihr zu dem Muth auch alle Kraft und gute Laune wieder, die sie gleich zu Beginn ihres Spazierganges an der Bode hin gehabt hatte.

Das ist das Klopstock-Haus", sagte Gordon und zeigte, seine Führerrolle wiederaufnehmend, auf ein etwas zur Seite gelegenes und beinah grasgrün­getünchtes Hans mit Säulenvorbau.

DasKlopstock-Haus?" wiederholteCscile.Sag­ten Sie nicht, es stände . . Wie hieß es doch?"

Im Brühl. Aber da läuft eine kleine Ver­wechslung mit unter. Was im Brühl steht, das j ist das Klopstock - Tempelchen mit der Klopstock- Büste. Dies hier ist das eigentliche Klopstock-Haus, das Haus, darin er geboren wurde. Wie gefällt es Ihnen?"

Es ist sehr grün."

Rosa lachte lauter und herzlicher, als die Schick­lichkeit gestattete, sofort aber wahrnehmend, daß- cile sich verfärbe, lenkte sie wieder ein und sagte: Pardon, aber Sie haben mir so ganz aus der Seele gesprochen, meine gnädigste Frau. Wirklich,

es ist zu grün. Und nun axeslsior! Immer höher hinauf. Sind es noch viele Stufen?"

Unter solchem Gespräch erstiegen alle das noch verbleibende Stück Weges, eine gepflasterte Treppe, deren Seitenwände dicht genug standen, um gegen die Sonne Schutz zu geben.

Und nun war man oben und freute sich, auf- athmend, der Brise, die ging. Der Platz, den man erreicht hatte, war ein mäßig breiter, Schloß und Abtei-Kirche von einander scheidender Hof, der, außer den auf ihm lagernden Schatten und Lichtern, nichts als zwei Männer zeigte, die, wie Besuch erwartende Gastwirthe, vor ihren zwei Lokalen standen. Wirklich, es waren Kastellan und Küster, die zwar nicht mit haßentstellten aber doch immerhin mit unruhigen Gesichtern abwarteten, nach welcher Seite hin die Schale sich neigen würde, worüber in der That selbst bei denen, die die Entscheidung hatten, immer noch ein Zweifel waltete.

Besichtigung von Schloß und Kirche, so lautete das Programm, das stand fest und daran war nicht zu rütteln. Aber was noch schwebte, war die Prio­ritäts-Frage. Gordon und St. Arnaud sahen sich also fragend an. Endlich entschied der Oberst mit einem Anfluge von Ironie dahin, daß Herrendienst vor Gottesdienst gehe, welchem Entscheide Gordon in gleichem Tone hinzusetzte:Preußen-Moral! Aber wir sind ja Preußen."

Und so wandte man sich denn rasch entschlossen dem Kastellan zu, freilich nicht ohne sein vis-n-, den nach links hin stehenden Küster mit einem hosf- nunggebenden Gruße gestreift zu haben. Er ver­neigte sich denn auch in Erwiedrnng darauf ver­bindlich lächelnd und schien alles in allem nicht un­zufrieden über diesen Gang der Dinge. Denn unten in der Stadtkirche läuteten eben die Mittagsglocken und etwas Bratwurstartiges, das durch die Luft zog, ließ dasIn die zweite Linie gestellt werden" fast als einen Vorzug erscheinen.

Unter diesen Vorgängen, die nur von Rosa scharf beobachtet und mit Künstlerauge gewürdigt worden, waren alle vier in den Schloßflur eingetreten, an dem respektvoll die Honneurs machenden Kastellan vorüber. Dieser, ein freundlicher und angenehmer Mann, nahm durch seine Freundlichkeit sofort fiir sich ein, fiel aber durch ein unsichres und fast ein schlechtes Gewissen verrathendes Auftreten aus, ganz wie Jemand der Lotterieloose feil bietet, von denen er weiß, daß es Nieten sind. Und wirklich, sein Schloß konnte, durch alle Räume hin, als eine wahre Mn- sterniete gelten. Was es vor dem an Kostbarkeiten besessen hatte, war längst fort, und so lag ihm nur ob, über Dinge zu sprechen, die nicht mehr da waren. Eine nicht leichte Pflicht. Er unterzog sich derselben aber mit vielem Geschick, indem er den herkömm­lichen, an vorhandene Sehenswürdigkeiten am