Heft 
(1.1.2019) 02
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Theodor Fontane.

schließlich in Anspruch nahm, war ein Sandstein- Obelisk von mäßiger Höhe, der, halb in dem Schloß- Unterbau drin steckend, hautreliefartig ans einer alten Manerwand vorsprang. Der Sockel war mit Guirlanden ornamentirt und schien auch eine In­schrift zu haben."

Was ist das?" fragte Cocile.

Ein Grabstein."

Von einer Aebtissin?"

Nein, von einem Schooßhündchen, das Anna Sophie, Psalzgräfin von bei Rhein und vorletzte Fürst-Abbatissin, an dieser Stelle beisetzen ließ."

Sonderbar. Und mit einer Inschrift?"

Zu dienen," antwortete der Kastellan.

Und den Damen ein Opernglas überreichend, das er zu diesem Behufe stets mit sich führte, las Cacile:Jedes Geschöpf hat eine Bestimmung. Auch der Hund. Dieser Hund erfüllte die seine, denn er war treu bis in den Tod."

Gordon lachte herzlich.Denkmal für Hunde- trene! Brillant. Wie sähe die Welt aus, wenn jedem treuen Hunde ein Obelisk errichtet würde. Ganz im Styl einer Barock-Prinzessin."

Rosa stimmte zu, während Cocile verwirrt vom Fenster zurücktrat und mechanisch und ohne zu wissen, was sie that, an die Wandstelle klopfte, wo der Kry- stallspiegel seinen Platz gehabt hatte.

Was haben wir noch zn gewärtigen?" fragte Gordon.

Die Zimmer Friedrich Wilhelms IV."

Friedrich WilhelmsIV.? Wie kam der hierher?"

In den ersten Jahren seiner Regierung er­schien er jeden Herbst, um von hier aus die gro­ßen Harzjagden abzuhalten. Als aber Anno 48 die Jagdfreiheit aufkam und Stadt und Bürgerschaft ihm die Jagd verweigerten, wurd' er so verstimmt, daß er nicht wiederkam."

Was ich nur in der Ordnung finde. Bour­geois-Manieren. Aber nun die Zimmer."

Und damit traten sie, vom Thrvnsaal her, in ein Paar niedrige, mit kleinen Mahagonimöbeln ausgestattete Räume, deren Spießbürgerlichkeit nur noch von ihrer Langweil übertroffen wurde.

Rosa sah ihre Hoffnung auf große Thierstücke mehr und mehr hinschwinden, hielt aber eine darauf gerichtete Frage immer noch für zulässig.

Freilich erfolglos.

Thierstücke," antwortete der Kastellan in einem Tone, darin unsere Künstlerin eine kleine Spitze zu hören glaubte,Thierstücke haben wir in diesem Schlosse nicht. Wir haben nur Fürst-Abbatissinnen. Aber diese haben wir auch vollständig. Und außer­dem die Quedlinburger Geistlichen lutherischer Con- fession (ebenfalls beinah vollständig), deren einer, altem Herkommen gemäß, allsonntüglich hier oben

predigte, so daß er neben seinem Stadt-Dienst auch noch Hof-Dienst hatte. Nach der Predigt blieb er dann zu Tisch und mitunter auch bis zur Dunkel- stnnde. So beispielsweis dieser hier, ein schöner Mann, etwas blaß, der in seinen besten Jahren an der Auszehrung starb. Er war Prediger zur Zeit der schwedischen Prinzessin Josephine Albertine, der­selben, die den Krystallspiegel wieder erstand. Und hier ist die Prinzessin in Person."

Dabei wies er auf das Bildnis; einer mittel­alterlichen Dame mit großer Knrsürsten-Nase, Stirn­löckchen und Agraffen-Tnrban, aus deren ganz un­gewöhnlicher Stattlichkeit sich die vom Kastellan an­gedeuteten Anfechtungen ihres Seelsorgers unschwer erklären ließen.

Einige der Bilder kehrten mehrfach wieder, was die Zahl der Aebtissinnen größer erscheinen ließ, als sie thatsttchlich war. Rosa drang darauf, die Namen zu hören, aber es waren todte Namen, einen ausgenommen, den der Gräfin Aurora von Königsmark.

Und vor das Portrait dieser traten jetzt alle mit ganz ersichtlicher Neugier, ja Cöeile die, vor kaum Jahresfrist, einen historischen Roman, dessen Heldin die Gräfin war, mit besonderer Theil- nahme gelesen hatte war so hingenommen von dem Bilde, daß sie von der Unächtheit desselben nichts hören und alle dafür beigebrachten Beweis^ führungen nicht gelten lassen wollte.

Gordon, als er sah, daß er nicht durchdränge, wandte sich um Sueeurs an Rosa.Helfen Sie mir. Die gnädigste Frau will sich nicht überzeugen lassen."

Rosa lachte.Kennen Sie die Frauen so we­nig? welche ..."

Wohl, Sie haben Recht. Und am Ende, wer will an Bildern Aechtheit oder Unächtheit bewei­sen? Aber zweierlei gilt auch ohne Beweis."

Und das wäre?"

Nun zunächst das, das; es nichts Todteres giebt, als solche Galerie beturbanter alter Prinzessinnen."

Und dann zweitens?"

Daß der Unterschied von »hübsch« nnd »häß­lich« in solcher Galerie zurechtgemachter Damen­köpfe gar keine Rolle spielt, ja, daß einer Häßlich­keitsgalerie wie dieser hier vor einer sogenannten Schönheitsgalerie mit ihrer herkömmlichen Oedheit und Langerweile der Vorzug gebührt. Ach, wie viele solcher »EalorisZ ob bsautiss« Hab' ich ge­sehen und eigentlich keine darunter, die mich nicht zur Verzweiflung gebracht hätte. Schon in ihrer Entstehungsgeschichte sind sie meistens beleidigend und ein Verstoß gegen Geschmack und gute Sitte. Denn wer sind denn die jedesmaligen Mäcene, Stifter und Donatoren? Immer ältliche Herren, immer mehr