Cöcile.
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oder weniger mythologische Fürsten, die, Pardon, meine Damen, nicht zufrieden mit der wirklichsten Wirklichkeit, ihre Schönheiten auch noch in stü^is genießen wollen. Einer von ihnen — derselbe, von dem das Bonmot existirt, er habe nie was Dummes gesagt und nie was Kluges gethan — ist mit seiner Galerie von Magdalenen, selbstverständlich vor dem Buße-Stadium, allen anderen vorauf. Er war ein Stuart, wie kaum gesagt zu werden braucht. Aber unsere deutschen Kleinkönige sind ihm gefolgt und haben nun auch dergleichen. Ich entsinne mich noch des Eindrucks, den der Kopf der Lola Montez, oder wenn Sie wollen, der Gräfin Landsfeld, auf mich machte. Denn Gräfinnen werden sie schließlich alle, wenn sie nicht vorziehen, heilig gesprochen zu werden."
„Ei, wie tugendhaft Sie find," lachte Rosa. „Doch Sie täuschen mich nicht, Herr von Gordon. Es ist ein alter Satz, je mehr Don Juan, je mehr Torqnemada."
Cscile schwieg, und ließ sich, wie gelähmt, in einen in einer tiefen Fensternische stehenden Sessel nieder. St. Armand, der wohl wußte, was in ihr vorging, öffnete den einen der beiden Flügel und sagte, während die frische Luft einströmte: „Du
bist angegriffen, Cscile. Ruh' Dich."
Und sie nahm seine Hand und drückte sie wie dankbar, während es vor Erregung um ihre Lippen zuckte.
Neuntes Kapitel.
Cscile erholte sich rascher als erwartet von dieser Anwandlung, und die weitere Besichtigung des Schlosses und bald danach auch der Abteikirche, verlief zu allseitiger Zufriedenheit, ganz besonders auch zur Freude Cöcile's. Ja, sie war durch den Besuch der prächtig kühlen Kirche so gekräftigt und erfrischt worden, daß man auf ihren Vorschlag das Programm überschritt und guten Muthes die schon auf- gegebene Partie nach dem Rathhause machte, wo man erst den Roland und gleich danach das Gefängnis; des Regensteiners bewunderte. Daran schloß sich dann unmittelbar ein ziemlich mittägliches Frühstück an Ort und Stelle. Knlmbacher Bier, wofür das Rathhans ein Rcnomms hatte, wurde bestellt und Cscile war entzückt, als der Wirth die schäumenden und frisch beschlagenen Seidel brachte. „Wie viel schöner doch, als eine Table d'hote," sagte sie. „Pierre, vokrs Zants . . . Fräulein Rosa, wohl bekomncks . . . Herr von Gordon, Ihr Wohl." Und während sie so plauderte, stieß sie mit ihrem Seidel an, sprach von dem Regensteiner, der es achtzehn Monate lang nicht voll so gut gehabt habe, »nd war überhaupt wie ein Kind. Nur als die Malerin aus die Bilder der Aebtissinnen zurückkam und bei der Gelegenheit bemerkte, daß auch noch im Rathhanssaale (wie der Herr Wirth ihr
eben verrathen) ein Bild der schönen Aurora sei, „besser und jedenfalls achter als das im Schloß", brach Cscile rasch ab und sagte verstimmt und in beinahe heftigem Tone: „Bilder und immer wieder Bilder. Wozu? Wir hatten mehr als genug davon."
Gegen fünf Uhr war man in Thale zurück und Cscile, die sich nach Ruhe sehnte, verabschiedete sich für den Rest des Tages. „Bis ans morgen, Fräulein Rosa; bis aus morgen, Herr von Gordon."
Und dieser Morgen war nun da.
Gordon, der am Abend vorher noch einem Con- cert auf dem Hubertnsbade beigewohnt und bei dieser Gelegenheit eine halbe Stunde lang mit der Malerin über Samarkand und Wereschagin, dann aber mit dem ebenfalls erschienenen St. Armand über den Quedlinburger Roland, den Regensteiner und vieles andere noch geplaudert hatte, hatte sich's, um den Morgen zu genießen, aus einem Fauteuil am Fenster bequem gemacht, und blies eben den Dampf seiner Havannah in die frische Luft hinaus. Er ließ dabei die Vorgänge des letzten Tages, darunter auch die Bilder der Fürst- Abbatifsinnen, noch einmal an sich vorüberziehen und begleitete den Zug ihrer meist grotesken Gestalten mit allerhand spöttisch erbaulichen Betrachtungen. „Ja, diese kleinen OrnnäsZ Onurss aus dem vorigen Jahrhundert! Wie wird eine freiere Zeit darüber lachen, wenn sie nicht jetzt schon darüber lacht. Es giebt nichts, an dem sich das Wesen der Carrikatur so gut demonstriren ließe. Meist waren sie häßlich oder doch mindestens von einem unschönen Embonpoint, und alle hielten sie sich einen Kammerherrn und einen Mops, wuschen sich nicht oder doch nur mit Mandelkleie, und waren ungebildet und hochmüthig zugleich. Ja, auch hochmüthig. Nur nicht gegen ihren Leibdiener." Ermatte sich das alles noch weiter aus, bis sich ihm plötzlich vor eben diese groteske Gestaltenreihe die graziöse Gestalt Cs- cile's stellte, wechselnd in Stimmung und Erscheinung, genau so wie sie der vorhergehende Tag ihm gezeigt hatte. Jetzt sah er sie, wie sie, sich vorbeugend , die Inschrift aus dem Grab-Obelisk des Bologneser Hündchens las, und dann wieder, wie sie bei dem Gespräch über die Schönheitsgalerien und die Gräfin Aurora nahezu von einer Ohnmacht angewandelt wurde. War das alles Zufall? Nein. Es verbarg sich etwas dahinter.. Aber dann vernahm er wieder das heitere Lacheil und sah, wie sie, glückstrahlend, den Krug nahm und anstieß. „Ihr Wohl, Fräulein Rosa; Herr von Gordon, Ihr Wohl." Und er empfand dabei deutlich, daß, was immer auch auf ihrer Seele laste, die Seele, die diese Last trage, trotz alledem eine Kiuderseele sei.