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Theodor Fontane.
ans der Oberschicht der Gesellschaft bezeichnen. Es ist unmöglich, sich etwas Unverheirateteres vorzn- stellen als ihr:, trotzdem er voll Courtoisie gegen die junge Frau, ja gelegentlich selbst voll anscheinend großer Aufmerksamkeiten ist. Aber sie wirken äußerlich, und wenn sie nicht blos in chevaleresker Gewohnheit ihren Grund haben, so doch jedenfalls zur größeren Hälfte. Zu dem allem hat er (in diesem Punkte mit Cscile verwandt) einen »genir- ten Blick«; aber was ihr kleidet, ja, rund heraus, ihren Reiz noch steigert, ist an ihm einfach unheimlich. In manchen Momenten, ich zögere fast es aus- znsprechen, wirkt er nicht viel anders, als ob er ein ckon-Oberst wäre, der hier im Thale den Gemächlichen spielt und seine Kräfte für eine neue Campagne sammelt. Jedenfalls wirst Du nach dem allen meine Neugier begreifen. Und nun noch einmal Gott befohlen. Dein Roby."
Und nun schob er den Brief in's Couvert und ging in das Lesezimmer, um sich in die Times zu vertiefen, die zu lesen ihm, seit feinen indisch-persischen Tagen, ein Bedürfniß war.
*
Um dieselbe Stunde, wo Gordon den Brief schrieb, machte das St. Arnaudffche Paar, wie täglich nach dem Frühstück, seinen Morgenspaziergang. Als sie die große Parkwiese zweimal umschritten hatten, war Emile müde geworden und nahm auf einer von Flieder und Goldregen überwachsenen Bank Platz, die zum großen Theil im Schatten lag. Es war eine lauschige Stelle, Vormittags die schönste der ganzen Anlage, von der aus man nicht blos die vorgelegene, bewaldete Gebirgswand, sondern auch den Hexentanzplatz und die Roßtrappe mit ihren irr der Sonne blitzenden Hotels übersehen konnte. Die Luft stand und nur dann und wann fuhr ein Windstoß durch die Stille.
Emile, die den schattigsten Platz hatte, zog den Sonnenschirm ein und sagte: „Gewiß, ich finde das Fräulein sehr unterhaltlich, aber doch etwas eman- cipirt, oder wenn dies nicht das richtige Wort ist, etwas zu sicher und selbstbewußt. Künstlerin, sagst Dn. Gut. Aber was heißt Künstlerin? Sie schlägt gelegentlich einen Weisheits- und Ueberlegenheits- ton an, als ob sie Gordon's Großtante wäre."
„Wohl ihr."
„Ja," beharrte Emile. „Wohl ihr. Wenn nur nicht das Gerede der Leute wäre."
„Das Gerede der Leute," wiederholte St. Arnaud spöttisch und beinah bitter das ihn allemal nervös machende Wort. Aber Emile, die sonst ein scharfes Ohr für diesen Ton hatte, hörte heute darüber hin und mit ihrem Sonnenschirm ans einen Hausgiebel zeigend, der in geringer Entfernung aus einer Baumgruppe hervorragte, sagte sie: „Das ist das Hnber- tnsbad, nicht wahr? Wie verlief eigentlich das
gestrige Coneert? Ich hatte das Fenster auf und hörte noch die Schluß-Piäce »Komin in mein Schloß mit mir.« Wenn ich mir Rosa als Zerline denke."
„Und Emile als Donna Elvira."
Sie lachte herzlich, denn der Ton in dem St. Arnaud dies sagte, klang wieder liebenswürdig und jedenfalls ebenso frei von Gereiztheit wie Tadel. „Donna Elvira," wiederholte sie. „Die Rolle der Verschmähten! Wirklich, es wäre die letzte meiner Passionen, und wenn ich mich da hineindenke, so muß ich Dir offen gestehen, es giebt doch allerlei Dinge.."
„Die noch schwerer zu tragen sind, als die, die wir tragen müssen. Ja Emile, sprich es nur ans. Und Du solltest Dich jeden Tag daran erinnern. Freilich ist es leichter die Wahrheit zu predigen, als danach zu handeln. Aber wir sollteil es wenigstens versuchen."
Jedes dieser Worte that ihr wohl und in einem flüchtigen Zärtlichkeitsanfluge sich an ihn lehnend, sagte sie: „Wie Du nur sprichst. Als ob ich eine Neigung hätte, den Kopf hängen zu lassen. Und Du weißt doch das Gegentheil. Ach, Pierre, wir hätten uns statt der großen Stadt einen stilleil Platz suchen solleil, da wär uns manch Bitteres erspart geblieben. Einen stillen Platz, oder lieber gleich ein paar, um mit ihnen wechseln zu können. Wie leicht und gefällig macht sich hier das Leben. Und warum? Weil sich beständig neue Beziehungen und Anknüpfungen bieten. Das ist noch der Vorzug des Reiselebens, daß man den Augenblick walten und überhaupt alles gelteil läßt, was einem gefällt."
„Und doch hat das »Leben ans dem Koffer« auch seine schweren Bedenken. Man findet nicht jeden Tag eineil perfekten Cavalier, der die Tugenden unsrer militairischen Erziehung mit weltmännischem Blick vereinigt. Du weißt, wen ich meine. Welche Fülle von Wissen, und dabei absolut unre- nommistisch. Er hat einen entzückenden Ton; es klingt immer, als ob er sich genire, viel erlebt zu haben."
Sie nickte zustimmend und fuhr dann ihrerseits fort: „Du hast gestern, als ihr gemeinschaftlich das Fräulein vom Coneert her bis an das Hotel znriick- führtet, noch ein Gespräch mit Herrn v. Gordon gehabt. Ich stand am Fenster und sah Euch den Kiesweg auf und ab promeniren. Erzähle. Dn weißt, ich bin eigentlich nicht neugierig, aber wenn ich es bin . ."
„Dann?"
„Dann äs touk irloii eoanr. Also was ist es mit ihm? Warum ging er in die weite Welt? Ein Mann von so guter Erscheinung und Familie,, denn die Schotten sind alle von guter Familie. Wir hatten unter den Cavalieren am Hose . . . Daher meine Kenntnis;. Mir liegt sonst die Prätension fern, über schottische Familien unterrichtet zu sein. Also warum trat er aus der Armee?"