Angelica.
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„Es ist eine alte Bekanntschaft von mir; aber sonderbar, wenn man mir auch geschworen hätte, ich würde ihr begegnen, ich hätt' es nimmer geglaubt, denn ... doch das ist ja wohl eine Geschichte, welche die Herren gar nicht interessirt."
„Bitte, bitte, hören wir sie," rief der Makler, Lionello beim Arm fassend. Unser liebenswürdiger Marchese hat schon eine Flasche Valpolicella zn- gesagt."
„Eine wunderbare Geschichte," fuhr mit lebhafter Begeisterung der Maler fort, „eine Geschichte wie ans einem Märchenbuch! Ei, wenn Sie dieses Modellchen sehen würden, diese Händchen, diese Füßchen ..."
Der Herr Pavlino nuckelte sich in seine Zurückhaltung, wie in ein Mäntelchen.
„Bor drei Jahren, es war an einem prächtigen Maimorgen, traf ich auf dem Dome zu Mailand eine reizend schöne Blondine."
„Wirklich oben? Nun, da sehe man doch, wo diese Künstler fischen gehen!" rief der Herr Giovanni laut lachend und ans dem Sopha hüpfend, daß auch Herr Paolinv, der neben ihm saß, mit- hüpsen mußte.
„Die Sache ging so zu. Ich malte im Aufträge eines französischen Reisenden die letzte Spitze mit der Madonna draus und hatte eben meine Farbenschachtel geöffnet, als ich Plötzlich einen leichten zierlichen Schritt höre, bis dicht hinter meinen Freistnhl. Ich wette, sagte ich zu mir, sie ist jung, sie ist schön, sie ist blond . . . ich wende den Kopf . . . alle Wetter!"
Bei diesem lallten Ausruf näherte sich auch der Advokat Melone, ein voller Schwarzbart, gries- grämisch wie das schlechte Wetter, in Como bekannt wegen seiner politischen Wühlereien und seiner Stimme wegen, die durch das ewige Nageil all den Tyrannen ketten ganz rauh geworden war.
„Ich habe blond gesagt?" fuhr Lionello fort. „Ach was blond! Ihre Haare waren gesponnener Zucker, Honig von Bvrmio, Filigran, durchsichtig wie Bernstein ..."
„Barmherzigkeit Gottes!" ries der Makler und reizte auch den Apotheker zum Lachen, der noch immer in das Mäntelchen seiner Zurückhaltung gewickelt dasaß.
„Das Auge war schwarz, klein, aber tief, wie jenes der Rebhühner. Das Persönchen war in eine schottische Mantille gehüllt. »Entschuldigen Sie,« — sie sprach es mit reizendem toskanischen Accente -— »ich bin ein Weib und also neugierig.« Dabei hob sie ein Perlmutterlorgnon an die Augen, um mein Bild zu beschalleil. »Bitte, beschauen Sie es, doch üben Sie Nachsicht,« sagte ich, indem ich ausstand und ihr meinen Stuhl aubot. »Ich danke, gern. Auch ich male, wissen Sie?«"
„Selig, wer das Glück hat, Ihren Pinsel zu inspieiren!" ries ich voll Begeisterung. Da brach die Hexe in ein silbernes, aber boshaftes Gelächter aus und fuhr fort: »Ich male Thiere.« — »Oh,« fügte ich rasch hinzu, mich wie ein Kreisel drehend, »ich fühle so etwas wie Neid, Neid gegen. . .« — »Gegen meinen Papagei,« unterbrach sie mich. — «Sei es der Papagei,« sagte ich, »ich will er gern sein, unter dem Beding, ein Stückchen Zuckerbrot aus Ihrer alabasterneil Hand zu empfangen.«"
„Es war wirklich ein herrlicher Morgen, von der Höhe des Domes ans überschaute mail die ganze Kette der Alpen mit den grünen Borhügeln; die Luft war so rein, daß man, ich übertreibe nicht, die Häuser, die Bäume, die auf den Bergen weidenden Schafe zählen konnte."
Wiederum hüpfte der Makler vor Vergnügen auf dem Sopha, der Marchese lächelte melancholisch und der Advokat blies die Backen auf, als ob die Worte des Malers ihm im Magen geplatzt wären.
Lionello, immer besser gelaunt, fuhr fort:
„ Ich habe ein bischen Schilderung gemacht, denn der Rahmen hebt das Bild. Breitet über dieses Bild einen Himmel, tiefblau wie der Mantel Gott-Vaters und stellt die feine schöne Franengestalt in die Mitte, die Euch mit ihrem Lorgnon am blickt und sagt mir, sagen Sie, Herr Advokat, ob ich nicht recht hatte, mich ein wenig zu verlieben?"
Der Advokat schnaubte wie eine Lokomotive, die sich in Bewegung setzt; der Herr Paolino war aber diesmal der Neugierigste, er fragte:
„Uud dann?"
„Sie fragte mich: »Wollen Sie dieses Bild verkaufen?«"
„Wenn wir über den Preis einig werden, gern. Aber wissen Sie, es ist theuer, sehr thener. . . "
„Sie sah miAs an den Augen an, daß hinter meinen Worten der Schalk lauerte."
„Das heißt also, wir werden darüber sprechen," fügte sie hinzu. „Hier ist meine Adresse: Hütet Cavour, Gräfin von Höchenheim."
„Wie?" fragte der Makler.
„Leider, das schöne Geschöpf hatte einen Namen, welcher der eines Skorpions zu sein schien."
„Ich bin im Begriffe, nach Deutschland zurückzukehren," sagte sie mit einem Seufzer, „zu meinem Gemahl, einem adligen Bankier; aber ich möchte eiil Stückchen Italien, wenigstens gemalt, mit mir nehmen."
„Darauf schaute sie sich um und rief mit einer süßen Flötenstimme: »Christian!« Auf der letzte» Stufe der Treppe erschien ein Mann, ein Diener, wie ich glaube, eilt dicker rother Mensch wie ein Teufel. Sie gab ihm ein Zeichen, er ging voraus, sie folgte; noch einmal schaute sie mit einem