Heft 
(1.1.2019) 02
Seite
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Wolde mar Kaden.

Das Buch glitt von Hand zu Hand; dar Pro­fessur des Griechischen gab es dem Marchese, der schlug es zerstreut auf und las durch bösen Zufall:

Oh Graf Orlando, König von Circassien,

Was nützt Euch doch nun Eure große Tugend!"

Und noch einmal öffnet sich die Thür, man hört eine sauste Frauenstimme mit dem Portier unterhandeln. Alles lauscht. Der Advokat ist bei den Worten angekommen:seine Evolutionen," und verliert den Faden noch einmal. Guter Gott, man hört weitreu .... ein weibliches Wesen tritt ein, ein schönes Mädchen von achtzehn Jahren mit röth- lichblonden Haaren. Es war nicht die Gräfin.

Wer ist's?"

Die junge Gärtnerin, die Geliebte des Barea- jols. Das Herz des Marchese pochte heftig, jedes Lächeln des Malers schnitt ihm durch die Seele.

Die Sitzung war zu Ende. Die Geschworenen stiegen die Treppe hinab; der Marchese näherte sich auf provocirende Weise dem Maler und sagte:

Sie haben geglaubt, mit einem Bauern zn thun zu haben?"

Was sagen Sie da, theuerster Marchese?" rief Lionelko wie aus den Wolken gefallen.

Ich Pflege Schwindlern keine unnützen Er­klärungen abzngeben."

Öho, Marchese!" rief Lionello, der sofort Feiler fing.

Bitte, kein Aussehen! Sie wissen, wo ich wohne; meine Meinung kennen Sie."

Der Marchese ging, Lionello blieb bestürzt in einem Kreise von Geschworenen und Gerichtsbeamten zurück, auch diese ganz erschrocken. Die Kunde, daß zwei Geschworene aneinander gerathen waren, durchlief die Stadt wie aus Telegraphendrähten. Das Kaffee zum Phönix war überfüllt. Die Advokaten, der Präsident, die anderen Beamten, die Geschworenen und hinter jedem der betreffende Freund, alle kamen sie, um wenigstens eine Tasse Kaffee zu nehmen und zu hören, was es gäbe, wo das Frauenzimmer und wohin sie wäre, und wie und was. Ginegro, der mehr als Alle zusammen zu wisseu glaubte, ließ von Zeit zu Zeit ein kost- hares Wort fallen, das die Neugierde noch mehr reizte. Man sprach also von einem Duell wegeu einer Dame, einer berühmten deutschen Sängerin, die jene im Seebade kennen gelernt.

Lionello nahm den Makler auf die Seite uud sagte ihm:Sie müssen mir beistehen. Gehen Sie mit dem Professor zum Marchese und bitten Sie ihn in meinem Namen, mich wissen zu lassen, wo ich ihn beleidigt habe. Aus jeden Fall muß er ein böses Wort zurücknehmen, das ich nicht ver­diene."

Dem armen Herrn Giovanni ward's heiß und kalt. In fünfzig Jahren war ihm so Absonder­

liches nicht geschehen, llnd doch war's besser, wenn er den Auftrag übernähme, denn er hatte den Maler gern und vor dem Marchese eine große Achtung, und so konnte er nicht zugeben, daß zwei so treff­liche Herren sich kränkten einer solchen Kleinigkeit wegen. Er nahm den Professor aus die Seite, der sich unterwegs einer Stelle im Homer erinnerte, wo der greise Nestor den Zorn des Achilles und Agamemnons zu beruhigen sucht. Der Marchese, der bereits seine Sekundanten gewählt, wollte keine Vernunft aunehmen, sondern kehrte dem greisen Nestor und Herrn Giovanni aus Monza den Rücken.

In dem obern Saale des Kaffees zum Phönix versammelten des Mittags sich der Graf Oldosredo und Cavalier Spada, Cavallerie-Hauptmann, mit den beiden Vertretern des Herrn Lionello. Als der Herr Giovanni von Protokoll, Waffen, Haltung, Terrain, Distanee, Pistolen und Säbeln reden hörte, da verlor er die Sprache, die Beine zitterten ihm, die Augen verdunkelten sich, er sank in einen Stuhl. Er, ein anständiger Mann, ein guter Familienvater sollte in solche Bluthändel sich mischen? Dem Professor ging es gerade so. Sie legten ihr Man­dat nieder. Lionello bat jetzt den Advokaten Me­lone, sein Vertreter sein zu wollen. Das war nach dem Geschmack des Advokaten; aber wo er hätte linderndes Oel aufträufeln sollen, da schüttete er Salz und Pfeffer aus. Er rauste sich mit dem Grafen, mit dem Hauptmauu herum und nur wenig fehlte, so würde aus dem Duell eine Schlacht ge­worden sein. Lionello sollte sich dnelliren, um jeden Preis dnelliren, um gewissen privilegirten Elasten zu zeigen, daß u. s. w. u. s. w. Melone fand kein Ende. Und doch war das Ende vom Lied, daß Lionello am andern Tag sich, wie man das nennt, zur Disposition des Marchese stellte.

Das Duell,auf Säbel", sollte in dem Gärt­chen einer einsamen Osteria in der Nähe von Cer- nobbia stattfinden, doch erst, wie sich von selbst verstand, nach beendigter Schwurgerichtsperiode. Der Maler und der Marchese schauten inzwischen sich grimmig an; der Makler war trostlos, Herr Pao- lino eingeschüchtert, der Professor betäubt, der Ad­vokat stolz, als ob er die Sache der Menschheit gewonnen hätte. Alles sprach nur von dieser Dame, wegen deren zwei ehrbare Menschen sich den Bauch aufschlitzeu wollten. Der Hauptmann Spada er­zählte, sie in den Bädern von Livorno gekannt zn haben; Herr Paolino hatte sie eines Abends spät aus der Villa im Borgovico, wo der Maler wohnte, kommen sehen. Am meisten wußte der Graf Oldo- fredo, ihm hatte eine gewisse Frau Marianna be­richtet, daß seit zwanzig Tagen etwa (das stimmte mit der Ankunft des Malers) jeden Morgen zwi­schen fünf und sechs eine schöne schwarzgekleidete