Heft 
(1.1.2019) 02
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Angelica.

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Gestalt in das Haus käme, die dem Maler als Modell diente. Gegen neun Uhr ginge sie weg und ließe sich den ganzen übrigen Tag nicht mehr sehen.

Diese Kunde aus dem Munde eines so feinen Herrn reizte die Neugier der Andern nur noch mehr, und der Makler nahm sich fest vor, einmal früh auszustehen, um diese seltene Schönheit zu schauen. Wie groß aber war sein Staunen, als ihm am Abend der Aufwürter seiner Locanda ein versiegeltes Briefchen, mit einer Krone darauf, überreichte, in dem von einer leichten, eleganten Hand geschrieben stand:

Geehrtester Herr! Ich höre, daß Lionello in einen bösen Handel verwickelt ist. Ich bitte Sie, morgen früh gegen 7 Uhr zu mir zu kommen, Via S. Ceeilia Nr. 10, aber sagen Sie Niemand, besonders nicht Lionello, etwas davon. Ich hoffe, daß ein Unglück verhütet werden kann, wenn Sie mir beistehen. Ihre ergebenste

Angelica von Höchenheim."

Herr Giovanni schloß die ganze Nacht kein Auge. Der Gedanke, daß er die berühmte Angelica mit Augen sehen, ihre Stimme hören, ihr nützlich sein, vielleicht sogar mit ihr speisen sollte. . . . Alles Das und der Anblick dieser zierlichen Schrift, mit der Feder eines Engels geschrieben, der Vergleich dieses himmelblauen duftigen Billets mit den, wie mit einem Besen geschriebenen Zetteln seiner Katha­rina. ... Oh Gott! ... Es schlug Mitternacht. Herr Giovanni überlegte, ivie er sie anzureden habe. Er werde zittern . . . gewiß. Doch Lionello mußte gerettet werden, der glückliche Lionello, zu glücklich, daß es fast recht wäre, wenn ihm ein kleines Un­gemach zustieße. . . .

Endlich ward es auch für ihn Morgen. Auch er hörte das tschip tschip der Sperlinge in den Hecken, denn schon um fünf Uhr war er draußen, um die viertel und halben Stunden bis sieben Uhr zu zählen. Punkt sieben war er in der Via S. Ceeilia und fand sich vor einem alten geheimniß- vollen Hause. Jenseit eines Gitterthores lag ein zwischen niedrigen Mauern eingeschlossenes Gärtchen; ein Weinstock hing um das Haus herum wie ein grüner Mantel und flatterte von dem Dachgesimse nieder. In den Winkeln des Hofes lagen Frag­mente von Statuen und Gypsformen. Während Herr Giovanni sich nach einem lebenden Wesen umsah, trat ein großer rother Mensch auf ihn zu und fragte in barschem Ton, wen er suche.

Die Gräfin von Höchenheim", stotterte Herr Giovanni, sein Billet vorzeigend und erröthend. Der Mensch führte ihn in ein Zimmer zu ebener Erde, in dem eine Menge Zeichnungen und Gyps- fignren herumlagen und standen, schloß die Thür

- und ging seiner Wege. Dem Makler war das Ganze ^ wie ein Traum.

^ Auch der Marchese war sehr früh aufgestanden, j Der Präsident hatte ihm am Abend vorher wissen ^ lassen, daß die Sitzungen, wegen plötzlichen Ablebens des letzten Angeklagten zu Ende seien. So wollte j er seine Sachen ordnen, ein Paar Briefe an die ^ Freunde schreiben und dann die Sekundanten auf- ! suchen, um die Sache noch heute abzuthun. Schon ! hatte er die Feder in der Hand, als der Oberkellner ! des Hotels hereintrat:

^Diese Dame wünscht mit Ew. Excellenz zu sprechen."

Der Marchese liest das Billet, springt auf, seine Wangen färben sich, seine Augen leuchten: sie war's, ! sie, die schöne Angelica!

Er errietst, was sie zu dieser Stunde herführte, allein, in ein Hotel, zu dem Gegner ihres Geliebten.

^ Dreimal las er den Namen Angelica's, es war ihm wie eine phantastische Vision; kaum brachte er's ! heraus, das Wort:Ich komme sogleich."

; Er beschaute sich im Spiegel, fuhr mit dem Kamm zwei-, dreimal durch die Haare, band eine neue, amaranthfarbene Cravatte um, schloß die Augen halb, träumte von Sieg, und mit würdigem Schritt, aber einem Herzen voll ritterlicher Kühn­heit geht er dieser fatalen Creatur entgegen.

Der Kellner, der ihn im Korridor erwartete, führt ihn in einen Salon und schließt die Läden...

Der Marchese hebt die Augen und sieht sie!

Ja, sie war's, es war die vielberühmte Ange­lica in ihrer ganzen nackten Schöne, rosig im blon­den Haar, wie der Maler sie beschrieben . . . aber gemalt, auf einem großen Bilde, daß in einer Ecke des Salons vom Hellen Morgenlichte getroffen wurde. Die Wellen hoben sich an dem Felsen empor, an den die Corsaren sie gebunden hatten. Der schöne Leib, das holde Gesicht, in dessen erschreckten Augen die Thränen glänzten, zurück­gebogen, ein hilfloses, hilfeflehendes Weib. Nur die mit dem Schaume sich mischenden Haare fielen bis zu den Knien, die unschuldige Grazie zu bekleiden.

Der Marchese war entzückt und suchte das Ge- heimniß dieser Erscheinung sich zu erklären, als hinter dem Bilde hervor in ehrerbietiger Haltung Herr Lionello trat, sich verbeugte und sprach: Marchese, dies ist die berühmte Angelica, um deret- willen zwei rechtschaffene Männer, zwei gute Freunde ^ sich umbringen wollen. Sie werden mir's glauben,

^ wenn ich Ihnen sage, daß die Gräfin von Höchen- ! heim nirgends als in meinem Kopse existirt hat."

^ Der Marchese runzelte die Augenbrauen.

^ Der Maler reichte dem vornehmen Gegner die Hand dar und sagte mit einem Seufzer:

Marchese, man verkauft nichts mehr, und wenn wir nicht irgendwelche Reclame machen, müssen wir