Heft 
(1.1.2019) 02
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Adolf Ebeling.

des Cato u. A. Dies gab der Umgebung Napoleons gerechten Grund zu Besorgnissen, die sich leider nur zu bald bewahrheiten sollten.

Noch ein anderer Umstand kam hinzu, den Kaiser wieder sehr trübe und verschlossen zu machen. Er hatte bereits mehrere Briefe von der Kaiserin er­halten, die trotz der Spione, welche die Monarchin umgaben, doch glücklich in seine Hände gelangt waren. Schon war der Tag ihrer Ankunft in Fontainebleau festgesetzt und man machte schon die nöthigen Vorbereitungen zu ihrem Empfang, als man auf einmal, und zwar aus dem Munde des Kaisers selbst, erfahr, daß seine Gemahlin und sein Sohn nicht kommen würden.

Dies warf den unglücklichen Mann vollends nieder und raubte ihm den Lebensmuth, und die gefürchtete Katastrophe, jedenfalls das Resultat eines längst gehegten Planes, trat ein.

In der Nacht vom 12. auf den 13. April wurde es auf einmal in dem Flügel des Schlosses, den der Kaiser bewohnte, lebendig; Diener liefen mit brennenden Kerzen hin und her, Thüren schlugen aus und zu, Entsetzen lag auf allen Gesichtern und man eilte angstvoll nach dem Schlafzimmer des Kai­sers, wo der Lärm entstanden war.

Dort lag Napoleon in Nachtkleidern auf dem Bette, mit entstellten Zügen und krümmte sich vor Schmerzen. Bertrand, Caulaincourt und Bassano standen neben ihm, man hatte sie zuerst gerufen und gleichfalls schleunigst nach dem Doktor Ivan geschickt. Dieser hatte aber bei der Nachricht von dem plötzlichen Unwohlsein des Kaisers den Kops verloren, als ahnte er die Ursache, und war zum Schloß hinausgelaufen und verschwunden.*) Man gab in der Hast und Angst einige Gegenmittel, Milch und Oel, und die Schmerzen legten sich auch bald; der Kaiser klagte nicht mehr und fiel in einen tiefen, todtenähnlichen Schlaf. Er hatte vor­her seinen Vertrauten gestanden, daß er, nachdem sich das Schicksal so grausam und unerbittlich gegen ihn erklärt und nachdem man ihn sogar von den Seinigen getrennt, alle Lebenslust verloren und Gift genommen habe.

Dies wurde auch von seinem Kammerdiener be­stätigt, der im Borsaal geschlafen. Er habe, so er­zählte er, plötzlich ein Geräusch im Schlafzimmer des Kaisers gehört und sei aufgesprungen, um durch die Thürritze zu schauen. Der Kaiser habe vor seinem Bette gestanden und in eine Tasse aus einem kleinen Flacon etwas hineingegossen und aus-

*) Nach einer anderen und weit glaubwürdigeren Ver­sion war gerade vr. Uvan zuerst beim Kaiser erschienen, um ihm sofort ein wirksames Gegengift einzugeben, was er um so besser konnte, da er selbst ihm ja früher das Gift, natürlich auf seinen direeten Befehl, verschafft hatte.

getrunken, und sich dann wieder niedergelegt. Er, der Kammerdiener, habe sich dabei nichts Schlim­mes gedacht, weil er wisse, daß der Kaiser oft Abends Tropfen nehme und er habe auch nicht ge­wagt, ungerusen einzutreten. Erst nach einer guten halben Stunde, als er seinen Herrn habe ächzen und stöhnen hören, fei er zum General Bertrand gelaufen, um ihn zu wecken. Das klebrige wissen wir bereits.

Dieser Vergiftungsversuch ist später oft bestrit­ten worden, tmd ich kann ihn auch nicht weiter verbürgen als durch die Aussage eines ehrenhaften Augenzeugen; daß aber Napoleon schon seit dem russischen Feldzuge immer ein Fläschchen Gift bei sich trug, war eine bekannte Thatsache, die der Doktor Ivan, der es dem Kaiser gegeben, verschie­dentlich mehreren Personen im Vertrauen erzählt hatte. Möglich ist es allerdings, daß es nur eine schwache Dosis war, und ferner möglich, daß das Gift in anderthalb Jahren an Kraft verloren hatte genug, damals glaubte man allgemein, daß der Kaiser, um einer schimpflichen Gefangenschaft zu entgehen, seinem Leben gewaltsam ein Ende habe machen wollen.

Er soll auch ganz verwundert gewesen sein, als er nach einem langen Schlaf wieder answachte, und ausgernfen haben:Gott hat es nicht gewollt, und es mag auch so besser sein", und von da au zeigte er eine weit größere Ergebung in sein Schick­sal. In jener verhängnißvollen Nacht hielt er ein Miniaturportrait feiner Gattin und feines Sohnes in der Hand, das der Hofmaler Jsabey in seinem Aufträge für ihn gemalt hatte und von dem er sich nie trennte. Es begleitete ihn mit nach Elba und später nach Sanct-Helena, und in seiner Sterbe­stunde fand man es unter seinem Kopfkissen.

Wenige Tage vor seiner Abreise nach Elba, schickte Napoleon zwei seiner Ordonanzoffiziere, den Grafen Dejean, einen Sohn des früheren Kriegs­ministers, und den jungen Grafen von Montesquion, einen Sohn der Gräfin M., in geheimer Mission nach Paris, um dort einige sehr wichtige Papiere in Empfang zu nehmen. Die Herren entledigten sich ihres Auftrages ganz nach Wunsch, obwohl sich der Graf Dejean bei verschiedenen Gelegenheiten fast verrathen hätte. So namentlich einmal an einer zahlreich besetzten Gasttafel, wo er wie träu­mend dasaß und alle Gerichte an sich vorüber­gehen ließ, ohne sie zu berühren. Dabei schlug er sich von Zeit zu Zeit vor die Stirn, schaute wie geistesabwesend im Kreise umher und ries ein Mal über das andere:Aber wie ist es möglich! Es

kann nicht sein! Wer hätte das geglaubt!" Der weit besonnenere Graf Montesquiou rettete ihn durch seine Geistesgegenwart aus dieser peinlichen Lage, denn sie hätten leicht arretirt werden können.