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Aquarellbilder
von Ernst Reiter.
^^.s war ein wunderbarer Frühlingstag, voll jener unbeschreiblichen Reize, wie sie eben nur in jenem edenhaften Landstriche zu finden sind. In ungetrübtem Blau glänzte über dem Altissimo, dem majestätischen Gipfel der Gebirgsgruppe des Monte Baldo am Gardasee, das weite Himmelszelt; denn das zarte Gewölk, welches zuvor wie ein Heer weißer Schäfchen in den Lüften zitterte, hatte sich bereits verloren, lieber den Wassern des Sees tänzelten tausend und tausend glitzernde, in allen Farben des Prismas funkelnde, flammende Lichter; ein Meer von Sprühfeuer brannte auf dem großen Wellenschlag; von den Bergen herab wehten wohlige Lüfte und vor uns, weit, weit in die Ferne hinein, verschwommen oder schienen doch ineinander zu verschwimmen im blauen und violetten Duft: Berge, Dörfer am Gestade, Hütten und Häuser, die Spiegel- fluthen des Lago und die Azurdecke, die sich über diese einzig schöne Welt ausgespannt hatte. . . .
Als unser Dampfer, der stattliche „Principe Oddone" an jenem kleinen Merkzeichen aus schneeigem Sandstein, das an der westlichen Felswand, unterhalb der Straße zum prächtigen Ponalfall, die politische Grenzscheide der beiden Nachbarreiche fixirt, vorüberrauschte, stimmte am Vorderdeck eine lustige Gesellschaft von Studenten aus Verona ein allerdings mehr durch die patriotische Absicht, als durch die musikalischen Vorzüge der Ausführung bemerkenswerthes Volkslied an, dessen markerschütternde Töne deutlich genug bewiesen, daß es der Jugend der owitü auch
für die nächste Zukunft keineswegs an kräftigen, durchaus gesunden Lungen fehle oder fehlen wird.
Oft genug schon wurden die wahrhaft berückenden Landschaftsbilder, welche zur Rechten und Linken, im Osten wie im Westen, im raschen Wechsel erstehen, mit lebendigen Farben, mit poetisch zeichnendem Griffel entworfen und festgehalten. Auch an diesem wonnigen Lenztage zeigte sich dem bewundernden Auge wieder ein von mildem Sonnenlichte beglänztes Paradies, eine märchenhaft gestaltete Erden- zone, aus der sich bald das goldgrüne Leuchten der Orangen- und Limonenhaine, bald das matte Silbergrau des Oelbaumes, bald wieder der tiefdunkle, ewig frische Blätterschmuck der Cypresse, Herz und Seele erfreuend, vom Hintergründe abhob.
Farbenreiche Bilder fließen da ineinander; aus dämmernder Weite tauchen neue auf am Horizonte und treten alsbald immer kräftiger und plastischer hervor.
Man weiß nicht, wohin der Blick fliegen, wo er verweilen, wo er ruhen soll; ob er das Große, Ferne, Contourenhafte des Gcsammtgemäldes erfassen oder sich mit einem reizenden, zauberisch- schönen Detail, das näher liegt, begnügen darf; denn die Uferlandschaften des Gardasees sind ja so überreich an malerischen Punkten. Unserem Geiste erwachen die poetischen Schilderungen, die Jean Paul, der Vergessene, mit unvergleichlichem Griffel in feinem „Titan" über die Gestade des Lago l Maggiore und des Como-See festhielt, die aber auch hier fchou frisches Leben gewinnen.