Heft 
(1.1.2019) 03
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Aus dem Sudan.

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Der Januar ging seinem Ende zn. Die kiihle Jahreszeit, in welcher die Nordwinde die Stadt durchfegen, begann langsam dem Sef*) zu weichen, der in jener südlichen Zone schon in den ersten Monaten des Jahres starke Hitze mit sich bringt. Die beiden Ströme, welche zur Zeit der Regenperiode, im Mai, die halbe Stadt überschwemmen, rieseln im Januar nur schwach und seicht in ihren Betten dahin. In den Missionsgärten, die sich vor dem Hause, das Hansal bewohnte, den blauen Fluß ent­lang ziehen, begannen die Mimosen, Soda-Büsche und Salvadore bereits Blattknospen anzusetzen, und selbst die Dattelpalmen schienen ihre immergrünen Wedel in frische Farben getaucht zu haben. Nichtsahnend saß Hansal in seinem Arbeits­zimmer, emsig beschäftigt, seine Papiere zu ordnen. Seit geraumer Zeit war er von aller Communi- cation abgeschlossen, da sümmtliche Landwege vom Feinde besetzt waren und das seichte Wasser den kleinen Dampfern nicht gestattete, den Eingeschlossenen Nachricht von der Außenwelt zu bringen. In Folge dessen war auch eine Stockung in der Ab­sendung von Berichten eingetreten, aber an geistiger Arbeit fehlte es trotzdem nicht, da Hansal seit Jahren fleißig Notizen über Land und Leute sammelte, um im gegebenen Falle den Forschern und der Wissen­schaft mit seinen Kenntnissen einen Dienst leisten zu können.**) Seine liebste Erholung war die Correspondenz mit den verschiedenen Reisenden, welche ihm, nachdem sie sein gastliches Haus verlassen, regel­mäßig Berichte über die Ergebnisse ihrer Forschun­gen aus dem Inneren des Landes zusandten. Jetzt war das freilich auch anders geworden; seit­dem der Kriegslärm im Sudan tobte, hatte sich kein Reisender mehr blicken lassen.

Hansal durchblätterte die einzelnen Briefe, wie sie ihm in die Hände kamen, und dachte aller Jener, die einst hier an seinem Tisch gesessen und nun wieder im Heimatlands weilten, um dort ruhig die Früchte ihrer Arbeit zu genießen, als plötzlich fernes Geheul zum offenen Fenster herein­hallte. Betroffen horchte er ans und trat ans Fenster, während nun die wilden Rufe und Angst­geschrei deutlicher an seine Ohren schlugen . . . . Was war das? . . . Sollten etwa? . . . Unmög­lich! Er sprang zur Thür, um nach der Vor­derseite des Hauses zu gelangen, denn dort, vom oberen Platze her, schien der Tumult zu kommen. Jetzt krachten auch Flintenschüsse und wildes Geheul kam wie ein Ungewitter herangebraust. Der

*) Die warme, trockene Periode, die bis zum Charis, der Regenzeit, dauert.

**) Hansal schenkte ein ManuscriptGeschichte vom Sudan", in dessen Besitz er gelangt war, der Hofbibliothek in Wien.

wehrlose Europäer hatte die letzte Stufe der Treppe noch nicht erreicht, als schon die tobende Schaar gegen das Haus angestürmt kam. Unschlüssig blieb er stehen, noch immer nicht recht fassend, was das Ganze zu bedeuten habe, da erkannte er an der Spitze des lärmenden Haufens seinen ehemaligen Diener Mohamed, der mit gellendem Geschrei eine lange Lanze in der Luft schwang.

War der Mann betrunken, oder verrückt ge­worden? Mohamed hatte sich doch sonst immer ruhig und gefügig gezeigt, so daß Hansal noch vor nicht langer Zeit den apostolischen Vikar gebeten, dem ehemaligen Diener die Stelle des Friedhof­wächters zukommen zu lassen. Der Bitte war willfahrt worden, und Mohamed hatte keine Ge­legenheit vorübergehen lassen, um seinen gewesenen Brotherrn der größten Dankbarkeit zu versichern, was hatte er nun mit haßglühenden Augen die Lanze zu schwingen und die hinterdrein folgende Menge mit wilden Rusen anzufeuern? . . .

Mohamed!" rief Hansal, als der Andere nur mehr wenige Schritte entfernt war und drohende Worte ausstieß.

Laßt ihn nicht am Leben, denn er ist ein Ungläubiger!" heulte der Angerufene wie ein Be­sessener, dann sprang er aus Hansal los und rannte ihm die Lanze in den Leib, daß der unglückliche Consul, ohne einen Laut von sich zu geben, todt zu Boden stürzte.

Hansal's Hund war seinem Herrn die Treppe herab nachgefolgt. Auch an dem Thiere ließ Mohamed seinen blinden Haß aus, indem er das­selbe spießte, um es dann neben Hansal's Leiche hinzuwerfen.Da!" rief er befriedigtjetzt soll es wenigstens nicht heißen, daß dich ein Engel von der Erde entführt, sondern daß ein Hund den anderen geholt hat!" . . .

Fast im selben Augenblick war im Nebenhause Gordon den Streichen seiner Angreifer erlegen. Diesem wurde der Kopf abgeschnitten, um im Lande als Siegestrophäe herumgetragen zu werden, während man Hansal dort liegen ließ, wo er gefallen war. Erst nach zwei Tagen entfernte man die Leiche, um sie in den Fluß zu werfen, und da blieb sie drei volle Monate hindurch im seichten Wasser liegen, den Raubvögeln eine willkommene Beute, bis endlich die Regenzeit kam und der angeschwvllene Strom die letzten Reste des unglücklichen Eonsuls mit sich weiter führte.

Als der Mahdi von der schändlichen Mordthat Kenntniß erhielt, war er im höchsten Grade ent­rüstet, da er seinen Arabern ausgetragen hatte, Hansal zu retten, doch die rebellischen Mordbrenner von Chartum waren den Arabern zuvorgekommen, um endlich ihren langgährenden Haß in diesem günstigen Momente zu befriedigen.