Heft 
(1.1.2019) 03
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Th. Stromer.

geworden war, hielt sie sich im Bauernkriege so tapfer, daß Kaiser Karl V. ihrwegen bezeigter Standhaftigkeit im alten katholischen Glauben einen neuen herrlichen Wappenbries" verlieh, in welchem er in den goldenen Schild des Stadtwappens einen aufrechtstehenden Löwen setzte, der ein bloßes Schwert hält. Mit dem dreißigjährigen Kriege begann auch für Ueberlingen eine Zeit schwerer Leiden.

Im Jahre 1632 er­schienen die Schweden zum ersten Male vor der Stadt, wurden aber von den Bür­gern kräftig zurück­gewiesen. Letztere be­festigten jetzt den Platz auf's Beste, warfen neue Wälle und Schan­zen auf und vollen­deten nach fast hun­derttägiger Arbeit den imposanten Stadtgra­ben am Waller.

Gleichzeitig wurde der St. Johannthurm um füuszig Fuß erhöht.

So gerüstet erwarte­ten sie den Feind, der unter Führung des schwedischen Feld­marschalls Horn am 26. April 1634 eine zweite Belagerung be­gann. Vierundzwan­zig Tage beschossen die Schweden die Stadt, die sich jedoch so tapfer vertheidigte, daß die angreifenden Truppen rühmlos wie­der abziehen mußten. Etwa zehn Jahre darauf wurde Ueberlingen von dem Kommandanten Wi­derholt auf Hohentwiel durch Ueberrumpelung ein­genommen. Nachdem dieser die Stadt vollständig ausgeplündert hatte, überließ er sie seinen fran­zösischen Bundesgenossen, die sie am 9. Mai 1644 an die Bayern übergaben. Nun hausten bald die Verbündeten, bald die Feinde derart in der Stadt, daß der einstige Wohlstand der Bevölkerung total vernichtet wurde. Als endlich der Friede geschlossen ward, zählte sie nur noch 364 Bürger, von denen nicht 30 aus eigenen Mitteln leben konnten. Und doch sollte sie eine Schuld von 400,000 Gulden

verzinsen. Obwohl Ueberlingen seitdem bis 1796 vom Kriege verschont blieb, so gelangte es doch nie wieder zu seiner ehemaligen Blüthe, zumal es am 29. Mai 1790 durch einen Wolkenbrnch schreck­lich heimgesucht wurde. Die ganze Unterstadt stand unter Wasser, viele Gebäude stürzten zusammen

und Felder und Wie­sen versandeten. Das Elend war so groß, daß für die Stadt eine öffentliche Sammlung veranstaltet werden mußte. Während der französischen Kriege hatte Ueberlingen abermals schwer zu leiden. Es verlor seine Selbstständigkeit und wurde badisch. In neuerer Zeit hat sich der Ort jedoch wieder gehoben. Er besitzt See- und Mine­ral-Bäder, die, ebenso wie seine reizende Lage und alterthüm- lichen Gebäude, von Jahr zu Jahr mehr Fremde anzieheu.

Wie Ueberlingen selbst, so fesselt auch seine Umgebung durch viele schöne Punkte. Ein besonderes Inter­esse aber erwecken die sogenannten Heiden­löcher, die das älteste Culturdenkmal an den Ufern des Bodensees bilden. Der Weg dort­hin führt durch eine düstere Felsengasse in etwa zwanzig Minu- i ten nach dem Dörfchen Goldbach, in dessen Nähe sich diese räthselhaften Höhlen befinden. Längs dem Gestade des Sees in die Felsen gehauen, bildeten dieselben früher zwei Abtheilungen, von denen jede aus einer Reihe von Gemächern bestand, die durch Gänge und Treppen mit einander verbunden waren. Von diesen Höhlen ist die eine Abtheilung der neuen Straßenanlage zum Opfer gefallen, während von der anderen noch sieben Räume vorhanden sind, lieber den Ursprung und Zweck dieser zum Theil mit Nischen, Steinbänken und Fensteröffnungen ver­sehenen Höhlen, ja sogar über die Ableitung des NamensHeidenlöcher" sind die Ansichten ver-

Alter Glockenthurm mit der Osanna-Glocke.