Heft 
(1.1.2019) 03
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August Älberstem.

nit einmal mehr lang' stehen; denn sie müßten mich sehen und thäten fragen was ich da mach'!"

Ich Litt' Dich, gieb Acht und verrath' nix! Daß er nix über uns erfahrt!"

Warten bis in die finstere Nacht?" sagte er traurig.Wart', da geht's anders! für was bin ich denn Feuerwehrhauptmann und gelernter Turner, vom Militair aus? Wart' ein wenig, meine liebe Landl! Drüben im Winkel, beim großen Schutz­pfeiler geht die Dachrinne herunter. An den Eisenklammern und mit der Rinne und mit allem Stemmen komm' ich bis zum hohen Fenster; da ist leicht offen, oder ist ein Lustfensterl ... da schlupf' ich ein und bin bald bei Dir . . . für was bin ich denn Feuerwehrhauptmann!?"

Ausgesprochen . . . ein leises Geräusch . . . und fort war er.

Der Armen, Gefangenen pochte das Herz ge­waltig in freudiger und ängstlicher Aufregung.

Eine Weile verstrich. Fast hätte sie beten mögen, daß das Unternehmen gelinge. In einem seltsamen Zwiespalte hielt sie inne. Sie hörte endlich eigenthümliche Töne, welche an Klettern, Schieben, Mauerbröckeln und Blechrinne gemahnten; sie eilte unter das Fenster, that, was eben noch zur Hilfe zu thun war, und nicht lange darnach streckte sich der Kopf des Loisl hindurch, sein Ober­leib kam nach; auf der schrägen Fläche unter dem Fenster rutschte er hübsch vorsichtig, dann sprang er geschickt in eine Bank und von dieser zu Boden . . . jetzt war er dal

Eine freudige Umarmung, ein süßer Kuß waren sein Lohn. Die unheimliche Einsamkeit war gebrochen.

Das weibliche Wesen hat doch von Natur aus immer ein feineres Gefühl als der Mann. Sie lenkte ihn klug aus dem Kirchenschiffe hinweg, und sie setzten sich ans die Treppe, die im abgeschlossenen Raume, hinter dem Chore znr Orgel und weiter in den Thurm führte. Es war ein abgeschlossenes Ganzes, und da konnten sie ebensowenig belauscht wie entdeckt werden, bevor der Vater wieder heim­käme. Und sie waren, nach Gebühr, auch aus dem wirklichZunentweihbaren, ihren Herzen und ihrem frommen Sinne ehrfnrchtgebietenden, auch stetig bangemachenden Räumen.

Verliebte haben immer mehr zu sagen, als kluge Leute. Und so hatten sie sich eine Menge mitzutheilen. Die Zeit verging merkwürdig rasch. Es war so lieblich und traulich in dem dämme­rigen Raume, daß sie eine Weile sich fast Wähler darin befanden, als sonstwo, und das Abenteuerliche hat ja auch seineu anregende« Werth. Beide« jungen Herzen war's bei ihren Küssen und Be- thenerungen, als müßten sie desto mehr Werth und Geltung haben, wegen der schweren Errungen­schaft und des eindruckreicheren Ortes.

Unbemerkbarer war der Abend herabgesuuken, als die beiden Herzenstauschenden meinten. Sie hielten die tiefe Dämmerung für die ortsgemäße des Raumes, in welchem sie sich befanden, bis plötzlich Alois aufzuckte und sich der richtigen Zeit erinnerte.

Wahrhaftig, die Zeit war weit vorgeschritten, und von der Klugheit war geboten, nun an den Rückweg zu denken. Die Nacht konnte zudem recht finster werden, namentlich in dem ersten Beginn. Zum Mondaufgang war noch weit und die Nebel sanken heute frühzeitig.

Noch ein Kuß und noch einen! Er schwang sich endlich mit dem Tröste, daß der Vater Meßner doch nunmehr nicht allzulange wegbleiben und sie allein lassen werde, auf die Höhe und dann hinaus.

Sie sah Alles, bange mitfühlend. Endlich war er verschwunden, sie konnte nichts mehr erblicken, sie hörte ein Krabbeln, Rascheln, dann ein Plump­sen . . . alle Töne waren zu Ende. Die Sinne verwirrten sich ihr wieder, das Blut strömte ihr zum. Kopse, ftuthete ihr zum Herzen, sie setzte sich wieder, bange geworden, nieder.

Draußen aber ging's nicht so gut wie sie nach dem letzten Plumpsen, das sie für ein Abspringen hielt, vermeinte.

Alois war wohl an die Rinne und die Klammern gerathen. Aber diese hatte er durch sein Aufsteigen locker gemacht. Seinen zweiten Angriff hielten sie schwer aus. Und als er im geeigneten Augenblicke wieder sich draus stützen wollte, fiel ein Stück der Rinne ab, es war nicht möglich, so hinabzugelangen, noch weniger ohne ein weit schallendes Gepolter und Gedröhne der nachstürzenden hohlen Rinne. In Gefahr gekommen als geschickter Turner, wählte er, rasch entschlossen, den bessern, rettenden Theil, er schwang sich statt abwärts aufwärts, wo es. fester hielt und gelangte so ans das Kirchendach. Da barg er sich.

Kein Mensch sah ihn. Es war finster geworden, den einsamen Kirchenplatz und die Höhe beachtete kein Mensch. Jetzt aber konnte der kühne Kletterer und bestrafte Kirchengeher zu Unrechter Zeit, bis morgen früh auf dem Dache bleiben! Dann, wenn er sich bis zu dem Thurme hinzog und hin­schleppte oder durch eine Lücke einkröche, konnte er nur immer wieder ans die einzige Treppe und zu der einzigen Thüre gelangen. Dort würde er ent­weder dem grimmigen streitbaren Wächter von Himmel und Hölle, dem Vater Landl's begegnen, oder in Heimlichkeit doch bleiben müssen, nachdem Jener seine Tochter einzig und alleine befreit bis derselbe morgen in der Frühe wieder die Kirchenthüre ausschlöße. Schöne Aussicht! Aber sehr bedenklich.