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Or. meä. Hermann Alencke.
brausen eine Weile leicht ans, aber tragen selten nach und ihre Rache ist nicht tückisch, Biergenuß macht schwerfällig, und dumpf und plump, macht zwar in der nöthigen Quantität getrunken auch heiter, aber selten begeistert und hinterläßt meist einen Katzenjammer ohne den Trost schöner Erinnerungen, der Schnaps nun gar entkleidet aller sittlichen Eigenschaften, aller menschlichen Würde und bringt die viehische Rohheit hervor, aus der scheußliche Worte und Handlungen und wilde Verbrechen entspringen. Diese brutale Wildheit aber und später das Säuserdelirium wird durch die Mischung der verschiedenen Alkoholarten und durch die Fuselöle erzeugt. Und hier könnte die Regierung ansetzen und dafür sorgen, daß nur reine Branntweine verkauft würden. In Schweden besteht schon seit einiger Zeit das Gesetz, daß Branntwein, welcher mit für die Gesundheit schädlichen Stoffen gefälscht oder nicht gereinigt ist, oder dessen Stärke nicht 46 Procent übersteigt, nicht verkauft werden darf.
Und seitdem dort gemeinnützige Gesellschaften in den Städten und aus dem Lande den Branntwein- Verkauf in die Hand genommen haben und nur gereinigte Branntweine in den Consum bringen, haben die Fälle von Trunksucht und Wahnsinn und Selbstmord sich in Folge davon gemindert.
Prof. Binz sagt: „Käme im Volksgebrauche nur alter abgelagerter, bei der Fabrikation gut gereinigter Getreidebranntwein vor, so würde das acute und chronische Betrunkensein wahrscheinlich nicht so die rohen und geistig verheerenden Formen annehmen, welche wir heute vom Branntweingenuß gleich einer bösartigen Volkskrankheit erzeugt sehen."
Was nun den Gehalt des Brautweins, Bieres, Weines an Alkohol betrifft, so hat der deutsche Branntwein 46 pCt., Cognac 55, Rum 60—70, Münchener Schankbier 4, bayerische Exportbiere 5 ^/z, die gewöhnlichen Lagerbiere 3^—4 pCt., von den Weinen der Moselwein 8 —12, gewöhnliche Rheinweine 7, Hochheimer 8 ^ —14^, Rüdesheimer 7— 12 , gewöhnliche französische Weine 9, Burgunder bis IIL/z, Sherry und Portwein bis 25 pCt.
Trinkt man also Abends 5 Seidel Bier, so hat man soviel Alkohol genossen, als wenn man 1/4 Liter Schnaps getrunken hätte. Und in der That bemerken wir ja auch bei den Gewohnheitstrinkern von Bier außer der übermäßigen Fettbildung allerlei Stockungen in der Verdauung und später auch im Nervensystem. Am spätesten und seltensten zeigen sich Störungen bei Genuß von reinem Weine, selbst wenn dieselbe Menge Alkohol dabei genossen würde, wie bei so und soviel Litern Bier. Es scheinen die anderen Weinbestandtheile die Vergiftung durch deu Alkoholgehalt zu hemmen und auszugleichen.
Schade nur, daß soviele herrliche Weine, die man auf den Bällen der Ressourcen trinkt, ohne jeden Tropfen Rebensaft fabricirt sind. Der Teufel Oberster ist der Schnaps, der nächste Fürst der Hölle ist das Bier und der kleinste und angenehmste Teufel ist der Wein. Indessen ist bei dem hohen Preise des Weines immerhin das Bier hochzuhalten, weil es wenigstens nicht diese verheerenden und entsittlichenden Einwirkungen übt als der Schnaps. Man muß, da man gänzliche Enthaltung ja kaum erreichen wird, zunächst den Schnaps durch mäßigen Biergenuß zu ersetzen suchen. In der That hat die Bierprodnktion und der Bierconsum in Deutschland in den letzten Jahrzehnten einen enormen Aufschwung genommen: Dabei kann man die interessante Beobachtung machen, daß da, wo am meisten Branntwein erzeugt und getrunken wird, die Bierproduktion und -consum am geringsten ist, also in Posen, Pommern, Westpreußen.
Nur in Sachsen und Thüringen ist Branntwein- und Bierconsum Hand in Hand gestiegen. Im Königreich Sachsen hat sich der Bierverbrauch seit dem Jahre 1836 mehr als verdreifacht, aber ebenso auch der Branntweiuverbrauch. „Sachsen ist," sagt der Sanitätsrath Baer, dem diese Angaben z. Th. entnommen sind, „im deutschen Reichssteuergebiete dasjenige Land, das in Betreff des Consums alkoholischer Getränke die Palme des Sieges davon tragen dürste."
In Bayern ist die Schnapsconsumtion eine sehr geringe, dagegen kommen im Durchschnitte der letzten drei Jahre per Kopf der Bevölkerung in Bayern rechts des Rheins 250 Liter Bier zur Consumtion. Im ganzen deutschen Reiche aber ist der Verbrauch von Bier per Kopf für ein Jahr berechnet von 53,4 Liter im Jahre 1871, auf 72 Liter 1876 gestiegen, außerdem hat die Bereitung des untergährigen Bieres sehr an Ausdehnung gewonnen, wie es in Bayern fast ausschließlich im Verkehr ist. Diese untergährigen Biere aber sind sehr alkoholreich und deswegen in ihrer Wirkung dem Branntwein näherstehend. Air Wein kommt auf den Kopf der Bevölkerung 6 Liter, an Branntwein 10 Liter nach dem Durchschnitt der Jahre 1872—75 für das ganze Zollvereinsgebiet. Nur der südliche Theil Deutschlands producirt im Verhältnis; zu seiner Einwohnerzahl soviel Wein, daß dieser wie in allen Weinländern das tägliche Volksgetränk im Lande wird.
Jedenfalls ist in ganz Deutschland die Zahl der Schankstellen erheblich gewachsen, am meisten wiederum in Sachsen und Schlesien, Pommern, Westfalen. In Pommern genügten 1837 für 100 000 Einwohner 194 Schankstellen, 1872 aber bestanden derer 401.
Im Ganzen geht aus der Statistik und Berech-