Die öe»We mö öie fran^ößsche Sprachest
Eine oerglrichendr von G. van Muydrn.
Mit Anmerkungen von Professor Dr. Wilhelm Scheffler.
^LrZange ist es her, daß wir dem vergleichenden Stu- dium der beiden hervorragendsten Sprachen des europäischen Festlandes unsere leider sehr kärglich bemessenen Mußestunden widmen. Seit vielen Jahren bemühen wir uns, es zu ergründen, worin die Vorzüge und Fehler dieser Idiome liegen und aus der Gegenüberstellung derselben, sowie des Englischen und Niederländischen einen Einblick in die Zukunft der Sprache Luther's und Goethe's zu gewinnen. Leider waren wir hierbei so gut wie ganz ans die eigenen Kräfte angewiesen. Der Franzose kennt die deutsche Sprache nicht**) und ist somit unfähig, Vergleiche mit derselben anzustellen, aus dem Studium des fremden Idioms Lehren zu ziehen. Der Deutsche hingegen lernt fleißig Französisch und besitzt überdies eine ausgesprochene Neigung zu vergleichenden Betrachtungen. Trotzdem haben wir uns in der deutschen Literatur vergeblich nach einer wirklich objectiven Beurtheilung der Vorzüge wie der wunden Punkte der Muttersprache wie des Idioms unserer westlichen Nachbarn umgesehen. „Die glatte und vornehme französische Sprache", „unsere herrliche, so reiche Muttersprache", heißt es meist, und damit ist es abgethan. Weshalb erstere glatt und vornehm sein soll, worin die Herrlichkeit und der Reichthum der letzteren steckt, darüber herrschen anscheinend ziemlich unklare Begriffe. Ueber gewisse Mängel der deutschen Sprache ist man zwar so ziemlich einig. Man schilt über die Fremdwörterseuche, über das Reporterdeutsch, über den Amtsstyl, und hat sogar zur Abhülfe gegen diese Mängel, die ja streng genommen mehr äußerlicher Natur
*) Der Verfasser dieses Aufsatzes spricht und schreibt von Jugend auf deutsch und französisch und hat sich an lexikalischen Arbeiten über beide Sprachen vielfach betheiligt. Wir dürfen ihm deshalb wohl ein Urtheil über den von ihm behandelten Gegenstand zutrauen. Anm. d. Red.
**) Dieser Satz dürfte doch wohl eine kleine Einschränkung erfahren, da der Franzose, feit dem großen Kriege von 1870/71, sich eingehender auch mit der deutschen Sprache befaßt. Wir haben wenigstens eine ganze Reihe von Franzosen kennen gelernt, die auch über die Ziele der Schule hinaus deutsch zu erlernen bestrebt waren und sich zu diesem Zwecke auf längere Zeit nach Deutschland, und vielfach gerade nach Dresden begaben.
sind, die Errichtung einer Akademie für deutsche Sprache, nach den: Vorbilde der Juackomio trun- § 9 , 186 , in Vorschlag gebracht. Den Kern der Sache hat man indessen nach unserer ganz unmaßgeblichen Meinung, kaum berührt.
Wir wollen im Nachstehenden versuchen, das Versäumte, soweit es der beschränkte Raum zuläßt, in der Hoffnung nachzuholen, daß unsere natürlich nicht erschöpfenden Betrachtungen Anlaß zu einer- weiteren Erörterung des wichtigen Gegenstandes geben werden.
Zuvor sei bemerkt, daß wir einen guten Theil unserer Beobachtungen über die Vorzüge und Mängel der deutschen und französischen Sprache dein beständigen Verkehr mit gebildeten Ausländern verdanken, welche das Bedürfniß nach einem eingehenden Studium der Sprache Goethe's an den Strand der Spree gelockt hat. Für den aufmerksamen Beobachter ist es außerordentlich lehrreich, einem Deutsch radebrechenden Ausländer zuzuhören, und lehrreich sind auch vielfach dessen Bemerkungen über die Eigentümlichkeiten und das Wesen des fremden Idioms. Solche Bemerkungen sind vielleicht der beste Weg zur Selbsterkenntniß.
Würden wir aufgefordert, das Ergebniß unseres nahezu vierzigjährigen Studiums der Sprache der Deutschen und der Franzosen in wenigen Worten zusammenzuhalten, so möchten wir, obwohl dergleichen allgemeine Urtheile stets ihr Bedenkliches haben, dem Fragenden folgende Antwort zu Theil werden lassen:
Soweit der Wortschatz, die einzelnen Worte, aus denen die deutsche Sprache besteht, in Betracht kommen, gebührt der deutschen Sprache unbedingt der Vorrang: sie läßt in dieser Hinsicht sehr wenig zu wünschen übrig, und überragt selbst die mit etwas zu vielen fremden Elementen durchsetzte, sonst aber meisterhafte englische Sprache*) bei Weitem.
*) Wir können mit dem geehrten Verfasser darin nicht übereinstimmen, daß die englische Sprache mit zu viel
fremden Elementen durchsetzt sei. Gerade der Umstand,