Heft 
(1.1.2019) 05
Seite
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Die deutsche und die französische Sprache.

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inunäs, rnai8 rc. Ganz ebenso die Italiener, Spa­nier, Engländer, denen die Unsitte ebenfalls ganz fremd ist, das Zeitwort ganz an's Ende des Satzes zu verlegen, oder gar das Hülfszeitwort von dem Particip durch die Objekte mit ihrem ganzen Bei­werke zu trennen. Sie schreiben nicht:Ich habe die in Ihrem Schreiben aufgeführten, höchst auf­fallenden Thatsachen geprüft", sondern, der Logik entsprechend:Ich habe geprüft die Thatsachen höchst auffallend, erwähnt in Ihrem Schreiben" und be­finden sich sehr wohl dabei. Die verzwickte deutsche Wortstellung wirkt aus den Ausländer abschreckend und thut der Verbreitung unserer Sprache in ho­hem Maße Abbruch. Sie macht das Deutsche zur Prosa und namentlich zur Beredtsamkeit*) unseres Erachtens in vielen Fällen untauglich, und hat es wohl einzig und allein auf dem Gewissen, wenn deutsche Lektüre leichter ermüdend wirkt. Wer der deutschen und französischen oder englischen Sprache gleich mächtig ist, wird sicherlich, wenn es blos gilt, sich zu erholen, ein Werk unserer westlichen Nachbarn einem deutschen vorziehen. Man wende nicht ein, die logische Wortfolge widerstehe dem Geiste der germanischen Sprachen. Das Eng­lische und Niederländische, letzteres wenigstens zum Theil, beweisen, daß dem nicht so ist, und daß man ein echter Germane sein und bleiben kann, wenn man nicht blos logisch denkt, sondern sich auch lo­gisch ausdrückt.

Zum Schluffe einige Worte über die leidige Frage der Fremdwörter in der deutschen Sprache. Die vielen Sprachvereine, welche im Laufe der Jahre in Deutschland entstanden sind, haben es bedauerlicher Weise fast ausschließlich auf die Ausmerzung dieser Fremdlinge abgesehen, und es hat unseres Wissens Keiner es für die Mühe werth erachtet, die oben beregten Mängel der deut­schen Sprache näher ins Auge zu fassen, bezw. so­weit es angeht, hier reformirend einzugreifen.**) Da-

Z Hierzu ergänzend eine Erfahrung aus dem deut­schen Reichstage, dem Mittelpunkt unserer öffentlichen Be­redsamkeit. Wir haben öfter beobachtet, daß hervorragende Redner daselbst, dem deutschen Sprachgefühl entgegen, das Verb voransetzten, weil sie, durch Erfahrung ge­witzigt, wußten, daß sie, bei besonders langen Perioden, das Verb am Ende vergessen und damit den Hörer des Schlüssels für das ganze Satzgefüge beraubt hätten. Bei kurz und übersichtlich gebauten Sätzen finden wir jedoch die deutsche Konstruktion für den Gesammt- ein druck des Gedankens auf den Hörer geradezu von Vortheil.

**) Hier darf zur Berichtigung des Gesagten auf die Zwecke und Ziele des Deutschen Sprachvereins hingewiesen werden, der durchaus nicht blos auf die Ausmerzung der Fremdwörter ausgeht, sondern alles das, was der Herr Verfasser wünscht, bereits in fein Programm aus­genommen hat.

mit soll übrigens nicht gesagt fein, daß die Jagd auf überflüssige Fremdwörter nicht ein sehr ver­dienstliches Werk sei! Man sollte aber darüber die Fortentwickelung der deutschen Sprache nicht außer Augen lassen und sich vergegenwärtigen, daß die englische Sprache, ohne darum von ihrer Eigenart einzubüßen, von französischen Wörtern wimmelt, und daß der Franzose ohne die vielen griechischen Ausdrücke nicht auskommt. Die Hauptsache ist und bleibt, daß die Fremdwörter den Lautgesetzen des ausnehmenden Idioms angepaßt, daß sie asfimilirt und verdaut werden, daß das Volk sie ebenso wenig als fremd empfindet wie der Franzose das Wort krouvsr (vom Deutschentreffen") und wie die Wörter Pfeil, Käse, Kirche, Schule. Die französi­schen Ausdrücke in der englischen Sprache machen nicht den Eindruck von Fremdlingen, weil sie der englischen Zunge angepaßt sind, während wir nach Kräften bemüht find, unsere Entlehnungen, so gut es geht, genau so auszusprechen, wie sie in der Heimathssprache lauten, was dem Deutschen den Stempel des Buntscheckigen ausdrückt.

Ein wichtiger Punkt ist auch folgender: Ent­

lehnen wir Ausdrücke aus dem Französischen, so machen wir uns demErbfeind" gegenüber doppelt lächerlich, wenn wir diesen Ausdrücken einen Sinn unterschieben, den sie in der Heimathssprache nicht besitzen. So heißtCoups" französisch eomxmrti- Enk,Perron" guai,Parterre" rsL-äs-ebuuWss, Etat" buäZst rc. Noch schlimmer sind freilich die französischen Fremdwörter, die überhaupt kein Franzose versteht, wie Lklstag-s, -VvrmtnMnr.

Sprachen sind das Ergebniß eines Naturpro- cesses, einer langsamen Entwickelung, in welche hemmend oder gewaltsam reformirend einzugreifeu in keines Menschen Macht steht. Es schließt dies jedoch nicht aus, daß Schriftsteller, Gelehrte, her­vorragende Persönlichkeiten überhaupt, wie unzäh­lige Beispiele beweisen, durch Schrift und Wort sehr ersprießlich auf die Beseitigung von Mängeln und Gebrechen in ihrer Muttersprache wirken kön­nen. Ausgeschlossen bleibt es auch keineswegs, daß eine deutsche Akademie, wie sie von dem zweier Sprachen kundigen Prof, du Bois-Reymond angeregt wurde, manches Gute stiften könnte. Große Hoffnungen setzen wir indessen auf eine solche Körperschaft nicht. Wir erwarten nochmals eine arge Ketzerei! vielleicht mehr von der Anlehnung an das Platt­deutsche. Wie oben bemerkt, sind die durch Groth und Reuter wieder zu Ehren gebrachten Mund­arten der norddeutschen Tiefebene in mancher Hin­sicht entwickelter, als das dem Norddeutschen