Das arabische Wohnhaus.
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Unregelmäßigkeit und in allen Größen angebrachten Fenster, die nicht verglast, sondern sämmtlich mit Holzgittern versehen sind oder erkerartige Ausbauten erhalten. Diese Erker, die sogen. Muscharabien, welche den doppelten Zweck haben, die Wohnungen zu ventiliren und den hinter dem Gitterwerk verborgenen Frauen eine Aussicht auf die Straße zu gewähren, sind eine Spezialität von Cairo.
In ihrer Grundform meistens rechtwinklig ragen die Bedachungen meist marquisenartig vor und gewöhnlich werden statt der Simse zierlich ausgeschnittene, herabhängende Breter- friese angebracht.
Der Uebergang in die Mauerfläche wird nach unten zu durch eiue elegant geschwungene Hohlkehle, die sich wohl auch in eine Anzahl Spitzkappeu auflöst, vermittelt. Die Holzgitter in Gesichtshöhe so eng, daß man dahinter stehend nicht gesehen wird, erweitern sich durch Vereinfachung der Zeichnung nach oben, bilden durch das Spiel der verschieden gestellten gedrehten Holzstücke Zeichnungen von reizender phantastischer Form und gewähren von Weitein gesehen den Anblickeines schönen reichen Stickmusters. Oft gehören tausende von Holz- stückeu zu einem Quadratmeter dieses Gitterwerkes.
Der unserem nordischen Auge fast unentbehrlich scheinende Abschluß des Hauses nach oben, durch den Hauptsims fehlt fast ganz, er ist dann und wann durch eine matte Profilirung, die durch Stalaktitenbildungen in die Wandfläche übergeht, und die nach oben oft in einen Zinnenaussatz endigt, schwach angedeutet; auch ein Dach und dessen Sparrenausladung vermissen wir, da das Haus geradlinig abgedeckt wird. Nur zuweilen ragen schräg gegen
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Straße in Cairo.
Norden gestellte Dachaufsätze empor, die dazu dienen, den Wind abzufangen und zum Zwecke der Ventilation in die Zimmer zu leiten. Im großen Ganzen machen diese Fanden, deren Schmuck sich auf das Nothwendigste beschränkt, deren construktive Bedingungen aber in klarer stylvoller Weise ausgedrückt
sind, einen vornehmen Eindruck.
Die Häuser reihen sich in bunter Abwechselung, je nach dem Verhältnis des Besitzers hoch oder niedrig, breit oder schmal, meist in gekrümmter Linie aneinander und stehen sich so eng gegenüber, daß sich die überragenden Stockwerke fast berühren.
Die so entstehenden Straßen mit ihren unendlichen Ueberschnei- dungen der Linien, mit ihren Zufälligkeiten, ihrem ganzen bunten Fetzenwerk des Orients, mit den Velarien, Firmen, Fahnen re. sind von außerordentlich malerischer Wirkung.
Dazu drängt sich durch diese engen Passagen zu Fuß, zu Esel, zu Kameel eine interessante bizarre Menge in buntem Durcheinander, verklärt und erleuchtet durch die Strahlen der südlichen Sonne, deren intensives Licht bis in die verstecktesten Winkel warme Reflexe verbreitet und selbst aufwirbelnden Staub zum goldenen Fluidum macht, aus welcher die abenteuerliche Staffage in reicher Farbenpracht auftaucht oder als dunkle Silhouette verschwindet.
Das Innere des Hauses ist ein Heiligthum,
was zu betreten nur mit ganz ausdrücklicher Er-
laubniß des Besitzers gestattet ist, selbst der Behörde ist der Eintritt versagt. Hat sie Veranlassung, vielleicht eines begangenen Verbrechens wegen den Besitzer zur Verantwortung zu ziehen, so kann sie das Haus umstellen, die Verbindung abschneiden,
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