Heft 
(1.1.2019) 05
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Das arabische Wohnhaus.

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Unregelmäßigkeit und in allen Größen angebrachten Fenster, die nicht verglast, sondern sämmtlich mit Holzgittern versehen sind oder erkerartige Ausbauten erhalten. Diese Erker, die sogen. Muscharabien, welche den doppelten Zweck haben, die Wohnungen zu ventiliren und den hinter dem Gitterwerk ver­borgenen Frauen eine Aussicht auf die Straße zu gewähren, sind eine Spezialität von Cairo.

In ihrer Grundform meistens rechtwinklig ragen die Bedachungen meist marquisenartig vor und gewöhnlich werden statt der Simse zierlich ausgeschnittene, herabhängende Breter- friese angebracht.

Der Uebergang in die Mauerfläche wird nach unten zu durch eiue elegant geschwun­gene Hohlkehle, die sich wohl auch in eine An­zahl Spitzkappeu auf­löst, vermittelt. Die Holzgitter in Gesichts­höhe so eng, daß man dahinter stehend nicht gesehen wird, erweitern sich durch Vereinfachung der Zeichnung nach oben, bilden durch das Spiel der verschieden gestellten gedrehten Holzstücke Zeichnungen von reizender phan­tastischer Form und gewähren von Weitein gesehen den Anblickeines schönen reichen Stick­musters. Oft gehören tausende von Holz- stückeu zu einem Quad­ratmeter dieses Gitter­werkes.

Der unserem nordischen Auge fast unentbehr­lich scheinende Abschluß des Hauses nach oben, durch den Hauptsims fehlt fast ganz, er ist dann und wann durch eine matte Profilirung, die durch Sta­laktitenbildungen in die Wandfläche übergeht, und die nach oben oft in einen Zinnenaussatz endigt, schwach angedeutet; auch ein Dach und dessen Sparren­ausladung vermissen wir, da das Haus geradlinig abgedeckt wird. Nur zuweilen ragen schräg gegen

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Straße in Cairo.

Norden gestellte Dachaufsätze empor, die dazu dienen, den Wind abzufangen und zum Zwecke der Venti­lation in die Zimmer zu leiten. Im großen Ganzen machen diese Fanden, deren Schmuck sich auf das Nothwendigste beschränkt, deren construktive Bedin­gungen aber in klarer stylvoller Weise ausgedrückt

sind, einen vornehmen Eindruck.

Die Häuser reihen sich in bunter Abwechse­lung, je nach dem Ver­hältnis des Besitzers hoch oder niedrig, breit oder schmal, meist in gekrümmter Linie an­einander und stehen sich so eng gegenüber, daß sich die überragen­den Stockwerke fast be­rühren.

Die so entstehenden Straßen mit ihren un­endlichen Ueberschnei- dungen der Linien, mit ihren Zufälligkeiten, ihrem ganzen bunten Fetzenwerk des Orients, mit den Velarien, Fir­men, Fahnen re. sind von außerordentlich ma­lerischer Wirkung.

Dazu drängt sich durch diese engen Pas­sagen zu Fuß, zu Esel, zu Kameel eine inter­essante bizarre Menge in buntem Durcheinan­der, verklärt und er­leuchtet durch die Strah­len der südlichen Sonne, deren intensives Licht bis in die verstecktesten Winkel warme Reflexe verbreitet und selbst aufwirbelnden Staub zum goldenen Fluidum macht, aus welcher die abenteuerliche Staffage in reicher Farbenpracht auf­taucht oder als dunkle Silhouette verschwindet.

Das Innere des Hauses ist ein Heiligthum,

was zu betreten nur mit ganz ausdrücklicher Er-

laubniß des Besitzers gestattet ist, selbst der Be­hörde ist der Eintritt versagt. Hat sie Veranlassung, vielleicht eines begangenen Verbrechens wegen den Besitzer zur Verantwortung zu ziehen, so kann sie das Haus umstellen, die Verbindung abschneiden,

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