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A. Ls. Aus dem 5kizzenbuche eines Grientreisenden.
sie würde aber nicht wagen, gewaltsam in dasselbe einzudringen, selbst eine Controls über die Inwohner, über die Geburts- und Sterbesälle ist ihr versagt und es ist deshalb unmöglich, genaue statistische Angaben über die Anzahl der Bewohner von Aegypten zu
machen; es beruhen solche meist auf ungefähren Berechnungen, die wie die Erfahrung gelehrt hat, sehr täuschen.
Die Unverletzlichkeit des Hauses, die noch eine Re- miniscenz des früheren Zeltlebens sein mag, hat denn auch seine sehr bedenklichen Seiten. Die eigenthllmlichen zum Theil liberalen Bestimmungen des Koran über das eheliche Leben, die, von dem Reiz des Geheim- nißvollen umwoben, leicht im Abendlande ganz falsche Vorstellungen erregen, führen in Wirklichkeit oft wenig erbauliche Verhältnisse herbei. Böse Leidenschaften, Haß, Eifersucht, die zu Unfrieden im Hause Anlaß geben, leisten nur zu häufig schließlich dem Verbrechen Vorschub.
Was die Beziehungen der beiden Geschlechter betrifft, so ist der Aegypter überhaupt zügellos und roh - sinnlich, und wird hierin von der großen Leichtfertigkeit des schönen Geschlechtes unterstützt. M wenig Städten mögen so viel Liebesintriguen stattfinden wie in Cairo, aber nirgends kann auch die Entsittlichung größer genannt werden, und nirgends kommen tragische Endresultate häufiger vor. Früher trug oft der Nil in Säcke genähte Frauenleichen an's Ufer als stumme Zeugen eines blutigen Fa
Arabisches Wohnhaus.
miliendramas; und schon die Fälle von Beseitigung neugeborener Kinder, die zur Kenntniß der Behörden kommen, weisen eine unglaublich hohe Ziffer auf. Ungeachtet der durch die Polygamie und die Leichtigkeit der Scheidung gebotene Gelegenheit zu
häufigem Wechsel kommen indeß jetzt verhältnismäßig recht viele anhaltende und dauernde Ehen vor, und es ist in den mittleren und unteren Klassen schon aus ökonomischen Gründen seltener als man glaubt, daß ein Mann mehr als eine Frau hat.
Die Abschlie- ßnng des Harems ist immer noch so streng, daß selbst im Gespräch der Frauen nicht Erwähnung gethan werden darf; man betrachtet diese Verhältnisse als unter dem Schleier stehend und würde eine große Jndiscretiou begehen, wollte man sich bei einem Ehemann nach dem Befinden der Frau erkundigen; nur mit der Umschreibung, „was macht das Ge- heimuiß deines Hauses", kann man sein Interesse für dessen schönere Hälfte be- thätigen. Es ist deshalb schwer ein arabisches Haus zu betreten, da es dem Besitzer zunächst unverständlich ist, daß uns das Interesse für seine Einrichtung zu ihm führt, dem heutigen Araber auch das Verständniß für die Kunst seiner Vorfahren vollständig abhanden gekommen ist, so daß er immer in unserem Besuche eine unlautere Absicht argwöhnen wird.
Pochen wir mit einer Empfehlung versehen an, so erscheint zunächst der Thürhüter, der mit unserem