Heft 
(1.1.2019) 05
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Das arabische Wohnhaus.

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des arabischen Hauses und von diesem gänzlich ab­geschlossen. Separate Treppen vermitteln die Ver­bindung der Etagen; außer der schon erwähnten Lud-ol-Hurim vom Hose aus und der Verbindungs- thüre mit der Nanäurs, existiren keine Eingänge.

Der Salon, die Lau, nimmt den größten Theil des Flügels ein, da er meist durch zwei Stockwerke durchgeführt ist.

Das obere Stockwerk dient auch hier zu Schlaf­räumen.

Die Lau, ein langgestreckter Raum von drei Ab­theilungen, in dessen quadratischen Mittelraum, der sog. vnrllu, wir zunächst eintreten, geht durch zwei Etagen durch und ist mit einer Kuppel überwölbt, durch die ein mäßiges Licht zugesührt wird. Aus den beiden Räumen, die über den niedrigen Seiten- theilen liegen und die bei festlichen Gelegenheiten zur Aufnahme der Sängerinnen dienen, führen reich vergitterte Fenster in diesen Kuppelraum. Ge­gen die beiden Seitentheile (Libans gen.), ist diese vnrüu durch Hufeisenbögen oder auch wohl durch kunstvolle, die Ecken abschrägende Stalaktitenbil­dungen getrennt. Der Fußboden ist mit reichem Marmormosaik getäfelt, ein Springbrunnen, der das Wasser in verschiedene übereinander gestellte Mar­morschalen zum Zweck der Verdunstung und zur Kühlung des Raumes vertheilt, bildet das Mittel. Auch in nischenartigen Vertiefungen der Wand ent­springen Wasserstrahlen, die sich auf gerippten Mar­morplatten wasserfallähnlich vertheilen und in Rin­nen, die mit durchbrochenen Platten bedeckt sind, in das Mittelbassin ablaufen. In einem Lande, wel­ches im beständigen Kampfe mit der naheliegenden Wüste seine ganze Existenz dem Wasser verdankt, erhöht sich der Werth dieses fruchtbringenden und segenspendenden Elementes und gern leitet es der Araber in seine Gemächer, nicht nur um denselben Kühlung zuzuführen sondern auch in dem Bewußt­sein des Ueberflusses, sich an seinem Plätschern und Murmeln zu erfreuen.

Die beiden Seitenräume, um eine Stufe höher als die Duollu, sind mit kostbaren Matten und Teppichen belegt, weshalb sie der Araber nur be­tritt, nachdem er sich seiner Schuhe entledigt hat. Ein bequemer Divan, der auch des Nachts als Bett dient, zieht sich rings an den Wänden herum und bildet mit dem kleinen Tischchen, auf welches das Essen auf­getragen wird, das einzige Meublement des Raumes.

Die Wände sind in Höhe von 2 bis 3m mit Holzgetäfel versehen, hinter welchem in der Regel Wandschränke verborgen sind. Um das Werfen dieses Getäfels möglichst zu verhüten ist es aus unendlich kleinen Holzstücken, die in ihrer Zusammenstellung die eomplicirtesten geometrischen Verschlingungen bilden, zusammengefügt. Ein durch Console gestütztes Brett, auf welches schöne Gefäße von Glas, Majolika oder

Metall zum Schmuck aufgesetzt werden, schließt die Lamberie nach oben ab. Die darüber liegende Wand­fläche ist mit gemalten Fließen persischer Provenienz von vortrefflicher Emaille getäfelt. Ein breiter Frieß mit Koransprüchen in vergoldeten Schriftzügen ver­mittelt den Uebergang zur Decke. Dieselbe setzt sich zusammen aus ziemlich dicht nach der Tiefe liegenden Balken, welche von ihrem Auflager ab ca. ^ m lang vierkantig sind und dann in hübscher Auf­lösung in die Rundung übergehen. Schön erfun­dene, in die Flächen vertiefte Ornamente, die durch geschmackvolle Farbengebung und reiche Vergoldung noch wirksamer werden, oder Intarsien von kostbarem Material, Elfenbein, Ebenholz und Bronce schmücken sowohl Balken als Zwischenfelder.

Das Licht fällt in diesen schönen Raum durch Fenster, die in tiefen Nischen angebracht sind, an­genehm gedämpft durch die auch hier verwendeten Holzgitter und durch darüber angebrachte bunte Glasfenster. Dieselben bestehen in Gypsplatten, aus welchen ornamentale Figuren, meist Vasen mit Blu­menbouquets, ausgeschuitten und mit buntem Glase hinterlegt sind, und wirken wie in feuriger Farbe gemalte Ornamente. Die Decoration des ganzen Raumes ist mit aller dem Style zu Gebote stehender Mittel und mit einem Geschmacke und einer tech­nischen Vollendung ausgeführt, die eine Steigerung nicht mehr möglich erscheinen läßt und unsere Be­wunderung in hohem Grade in Anspruch nimmt. Der schöne stimmungsvolle Raum ist mit äußerstem Raffinement auf seine Bestimmung hin angelegt, man fühlt, daß hier der arabische Künstler mit voller Hin­gebung und Liebe ganz aus seinem Innersten geschöpft und sein Empfinden zum Ausdruck gebracht hat. Die­ses Empfinden strahlt das Werk allerdings auch aus uns zurück. Alles scheint aber schließlich darauf be­rechnet zu sein, uns in jenen traumhaften Zustand zu versetzen, dem sich der Morgenländer selbst mit Anwen­dung noch kräftigerer Mittel so gern hingiebt. Folgen wir mit dem Auge den unendlichen Verschlingungen des ornamentalen Rankenwerks und vertiefen wir uns in das Labyrinth der geometrischen Figuren, die gleich einem Kaleidoskop immer wieder andere Variationen zeigen, so überfällt uns fast unbewußt ein Gefühl angenehmer Erschlaffung. Die bequemen Polster, das angenehm gedämpfte Licht, das leise Plätschern der Fontaine, die weiche Lust, die uns durch die Fenstergitter anweht, die gänzliche Abgeschlossenheit von dem Straßenlärm, alles trägt dazu bei, diesen Zustand zu begünstigen. Daß wir diesem eigenen Zauber morgenländischer Kunst unwillkürlich erlie­gen ist ein Beweis, daß wir eine eigenartige Schöpfung vor uns haben. In der Art aber, wie sich diese Kunst auf uns äußert, liegt die Kluft, die das Wesen ara­bischer Kunst von dem der abendländischen trennt. An­statt der Erhebung, der Anregung, der Begeisterung,