Heft 
(1.1.2019) 05
Seite
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A. ks. Aus dem Skizzenbnche eines Grientreisenden.

die uns ergreifen sollte, bemächtigt sich unserer eine Stimmung, deren wir uns, wenn die Ernüchterung eingetreten ist, fast schämen möchten und die einen gewissen moralischen Katzenjammer hinterläßt.

Schon in der Auffassung des Ornamentes liegt der gewaltige Unterschied der morgenländischen von der abendländischen Kunst. Dem Ornament ist in der arabischen Kunst eine um so größere Rolle be- schieden, als eine eigentliche architektonische Gliede­rung, die Anwendung von Pilastern, Simsen rc. fast ganz fehlt und die Ausschmückung der Flächen durch Bildwerke, die der Koran als Teufelswerk bezeichnet, ganz ausgeschlossen ist.

Die Dekorationslust macht sich zumeist in Fül­lungen und Flächenschmuck geltend, welche mit der bau­lichen Construction in keinem Zusammenhänge stehen. Mehr als bei anderen Stylarten beruht das Ornament aus einer geometrischen Construction und läßt sich schon aus diesem Grunde auf textile Vorbilder zurückführen.

Die wandelbaren Kinder der Wüste haben selbst nach erlangter Seßhaftigkeit die Erinnerung an ihre Jugend und ihr Nomadenthum nicht aus­gegeben und in der That offenbart sich in allen arabischen Bauten der gemeinsame Grundzug, der auf das Zelt als Wurzelform ihrer architektonischen Bildung hinweist und in dem Ornament die Imi­tation von Erzeugnissen der Textilkunst erkennen läßt.

Das Ornament ist ausschließlich Flächenorna­ment und hat sich nie in selbstständiger Kraft und plastischer Wirkung geltend gemacht.

Es ist an die Masse gebunden und bildete sei­nen Flächencharakter immer entschiedener aus, je mehr es sich von den traditionellen Formen des spät­römischen und byzantinischen Styles frei machte. Je eingeschränkter aber in dieser Beziehung das Feld der künstlerischen Thätigkeit ist, nm so rastloser arbeitet die Phantasie, um im Erfinden stets neuer Combinationen ihre Kraft zu bethätigen.

Die arabische Kunst hat deshalb bei allem Reiz und Reichthum freilich auch alle Eintönigkeit des Ornamentalen.

Entnimmt sie ihre Mo­tive dem Blattwerke, so erkennen wir zwar in den Conturen den Geist des klassischen Styls, der ihr durch die Byzantiner über­mittelt wurde. Es fehlt aber diesem Ornamente das Lebensvolle, Frische der stylistischen Wiedergabe der Natur. Die Formen sind erstarrt, unplastisch und flach, und nur in den kunstvollen Verschlingun­gen der Ranken und in

dem Bestreben, die Fläche gleichmäßig zu bedecken, liegt ein gewisser Reiz.

Einen Ersatz für den fehlenden bildlichen Schmuck sucht die Ornamentik in der Anwendung der Schrift, um nicht nur an geeigneter Stelle einen sinnigen Gedanken auszusprechen, sondern um sie auch for­mell wirken zu lassen.

Da indeß die vergoldeten Schriftzeichen die Fläche nur ungleichmäßig decken, oft auch eine noch reichere Wirkung erzielt werden sollte, um den ausge­sprochenen Gedanken so eine noch größere Bedeutung zu geben, brachte man die Schrift in Verbindung mit einem feinen Rankenwerk, welches sich anmuthig durch die Buchstaben durchzog und einen spitzenähnlichen Fond gab, an welchem sich die Schrift klar abhob.

Wenn von einer arabischen Kunst die Rede war, so müssen wir uns allerdings in das 15. und 16. Jahrhundert zurück versetzen, auch zur Erläu­terung eines Wohnhauses ein Beispiel aus jener Zeit wählen, da die jetzigen Leistungen auf dem Ge­biete der arabischen Kunst fast Zerrbilde zu nennen sind. Wenn diese im 15. und 16. Jahrhundert eine dominirende Stellung einnahm, so ist sie mit dem politischen Verfall des osmanischen Reiches in beständigem Rückgänge begriffen. Seitdem der letzte bedeutende Regent Aegyptens, Mehemed-Ali, das Land mehr europäischem Einflüsse öffnete, hat sich der ohnedies heruntergekommene Geschmack durch Auf­nahme fremder Elemente in die Kunst noch wesent­lich verschlimmert. Unverstandene französische Moden verdrängten nach und nach die althergebrachten ge­sunden Stylprincipien, an denen der Araber, wenn auch nur gewohnheitsmäßig fest hielt und welche er allerdings nur geistlos copirte. Wir können es daher nicht als ein Heil für die arabische Kunst ansehen wenn durch eine abermalige Invasion die innere Entwickelung eines immer noch lebensfähigen Volkes gehemmt wird. Nicht europäische Stylprin­cipien können die orientalische Kunst, wie dies aller­dings umgedreht der Fall gewesen ist, nen befruchten

und beleben. Die An­regung muß eine tiefere sein, nur ein Mahdi, aber ein echter Prophet, möchte auferstehen, nm den Islam, den nicht aus­zutilgenden Glauben des Orients, durch Reformen den Anforderungen der Gegenwart passend zu machen, und somit auf politischem Gebiet, sowie auf dem Gebiete der Kunst eine arabische Renaissance anzubahnen.

Nillandschaft.