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(01/01/2019) 06
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Frau Eva.

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daß ich cs versäumte damals, wo das gewiß noch möglich gewesen wäre, Einfluß ans sie zu ge­winnen. Ach, ich war überhaupt zu sehr durch die Fürsorge und Nachsicht verwöhnt, mit welcher mein Mann mich umgeben hatte. Er hatte für mich ge­dacht, für mich gehandelt. Ich hatte diese acht Jahre in einem freundlichen Traume hingelebt, zwischen den Blumen, die er für mich pflanzen ließ und in dem Hause, das er für mich eingerichtet hatte. Wenn ich ein Band kaufte oder ein Buch las, war ich gewöhnt gewesen, seinen Rath einzu­holen so war ich all die Zeit hindurch das Kind geblieben, als das er mich geheirathet hatte, und nun er nicht mehr an meiner Seite stand, schwankte ich wie ein Blatt im Winde ohne Stütze, ohne Urtheil, ohne Willen! Ich fühlte, daß die einzige Aufgabe, die mir im Leben blieb, die war, das Andenken meiner Todten in ihren Hinter­bliebenen zu Pflegen und zu lieben aber nun, ich habe Ihnen so viel gesagt, Sie sollen auch das Letzte wissen, das was mein Leben so öde macht und was doch weder ich noch irgend ein An­derer ändern kann: diese Liebe, die ich als Pflicht betrachte, ich kann sic nicht empfinden! Ich suche oft die Schuld in den Andern, aber das ist es nicht mein Herz ist so kalt und theilnahmslos, und das ist es, was sie fühlen und weshalb auch sie mich nicht lieben.

Sie haben recht gesehen, ich bin sehr unglück­lich aber ich bin es nur durch mein kaltes Herz, nur weil ich nichts als meine Pflicht em­pfinde, da, wo ich lieben sollte."

Liebe laßt sich nicht erzwingen," sagte Horst leise,man kann sie weder sich selbst noch andren gebieten."

Nein, das kann man nicht," wiederholte sie traurig.

Man kann aber an einer Aufgabe, die man nicht im Stande ist, zu erfüllen, und an die man sich dennoch festkettet, zu Grunde gehen," fuhr er fort,und das kommt einem Selbstmord fast gleich."

Sie neigte zustimmend den Kopf.

Sie haben recht ich habe das alles nicht so klar und deutlich empfunden, so lange ich in der gewohnten Umgebung blieb aber jetzt weiß ich cs ich lebe nur halb und das beste, was mir begegnen könnte, wäre, wenn ich ganz zu leben aufhörte."

Diese Schlußfolgerung sollte Ihnen beweisen, daß Ihr Jdeengang ein krankhafter, unnormaler ist, Sie sind noch jung"

Jung? O, ich komme mir sehr alt vor. Ich hoffe nichts, ich erwarte nichts bin ich da nicht alt?"

Auch das ist unnatürlich Sie dürfen Ihr Leben nicht als abgeschlossen betrachten, während

Sie, den Jahren näch, auf der Höhe desselben stehen. Ist Ihnen der Gedanke nie gekommen, daß Sie nicht nur Pflichten gegen die Angehörigen Ihrer Todten, sondern daß Sie auch Pflichten ge­gen sich selbst haben?"

O ja, aber diese Pflichten bestehen eben in der Selbstüberwindung."

Die Selbstüberwindung ist schön und gut, wenn wir dadurch unsren inneren Menschen vorwärts bringen schlechte Neigungen sollen wir unter­drücken, damit die guten sich entfalten können. Eine Selbstüberwindung, wie Sie dieselbe anwen­den, dient aber nicht dazu, Sic selbst besser, ja nicht einmal dazu, Andere glücklicher zu machen. Ihre Umgebung arbeitet unablässig daran, Ihnen den letzten Rest von Selbstgefühl und Selbstbestim­mung zu rauben. Geben Sie diesem Unterdrücknngs- systeme nicht nach versuchen Sie es nur ein­mal, glücklich sein zu wollen anstatt sich selbst aus­zulöschen, damit Andre ans Ihre Kosten glücklich sind"

Frau Eva hatte sich erhoben.

Halten Sie ein, Herr von Hagen," sagte sie sanft aber bestimmt.Sie stehen als Fremder diesen Verhältnissen gegenüber, Sie können diesel­ben nicht beurtheilen. Habe ich denn ein Recht auf den Reichthum, den ich besitze? Gehört der­selbe nicht in Wahrheit den Hersalls? Nicht sie können auf meine Kosten glücklich sein, wie sie sagen, sondern ich lebe eigentlich auf ihre Kosten und darf demnach diesen Reichthnm, durch den ich mich gebunden und verpflichtet fühle, nicht von mir Wersen, weil ich dadurch nicht nur dem Willen meines verstorbenen Mannes zuwider handele, son­dern auch meine Mutter und Schwester der Ent­behrung preisgeben würde."

Und all dieser Rücksichten wegen lassen Sie sich tyrannisiren," rief Horst, nun ebenfalls auf­springend,so tyrannisiren, daß Sie es nicht wagen, selbstständig Ihre Freunde zu wählen und anzuer­kennen "

Ich weiß wohl, daß das Schwäche ist, aber wozu brauche ich Freunde zu suchen, da ich eine Familie habe? Man würde es mir zum Vorwurf machen, und ich ich bin zu feige, um einen Familiensturm heraufbeschwören zu wollen. Ich erscheine Ihnen vielleicht verächtlich weil ich so schwach bin aber ich vermag es nicht, anders zu sein."

Horst schüttelte den Kopf.

Sie sind wie Dornröschen von Gestrüpp um­wuchert, das Ihren langen Schlaf benutzte, um scheinbar undurchdringlich zu werden. Aber wenn Sie erwachen wollten wenn Sie mir erlauben wollten, Ihnen den Weg zur Freiheit zu zeigen"

Zur Freiheit? Und was sollte ich mit der