würde die Giselabahn, wie jetzt zwischen Ost und West, so auch zwischen Süd und Nord ein wichtiges Mittelglied. Man wird dann im Coursbuch lesen: München-Salzburg-Gastein-Malnitz-Sachsen- burg-Villach-Triest.
Steigen wir jetzt in den Waggon und betrachten uns diesen Schienenweg zwischen den Hohen Tauern und dem Ewigen Schnee. Er wird uns so viele Schaustücke aus der nächsten Nähe vorführen, daß uns alle Abschweifungen in weitere Fernen darüber aus dem Vorstellungsvermögen entrückt werden.
Der Zug saust am Salzburger Kapuzinerberg, am Dorfe Gnigl und an vielen Schlössern vorbei. Zur Rechten schauen die Berge von Reichenhall und Berchtesgaden dem Reisenden ins Gesicht. Der Watz- mann, der in den Königssee absteigt, ist der höchste und auffallendste unter ihnen. Beugt sich der Reisende zum Fenster hinaus, so sieht er das Hagen- und das Tännen-Gebirge, scheinbar einen fest zusammenhängenden Wall, der nur an einer Stelle bis auf das Fußgestell herab gespalten ist. Diese Spalte ist der Paß Lueg, dem er entgegen fährt, die Pforte des Hochgebirges.
Wir fahren bis dahin durch die Gegend, welche der Salzburger sein Flachland nennt, im Gegensatz nämlich zu den Gebirgsgegenden des Landes, dem Pongau, dem oberen Ennsthale, dem Lungau und dem Pinzgau. Mit diesem „Flachland", auf das sich von drei Seiten her die Berge senken, hat es indessen in der umgekehrten Beziehung die gleiche Bewandtniß, wie mit der „Schweiz" von Mittweida, Nymwegen oder der von dem gewandtesten aller Naturschilderer, Theodor Fontane, in der Mark entdeckten. Das Wort gilt nur sehr vergleichsweise. Denn, wo man mit freiem Auge die Felsblöcke aus den Schneefelderu, die auch der August noch verschont, heransragen sehen kann, wo es Schaumstürze giebt, wie der Gollinger Wasserfall, da werden Viele ebenso wenig ein Flachland erspähen, als ein Gebirge dort, wo Bodenauschwellungeu von der Höhe der Dünung des Meeres ein plattes Ackerland oder eine Haide hier und dort unterbrechen.
Wir wollen unsrer Sehnsucht folgen und ohne Aufenthalt jener Pforte, die unser Blick erspäht hat, entgegen eilen. Damit sei nicht gesagt, daß es nicht auch der Mühe Werth wäre, hier und dort auszusteigen, beispielsweise, um die uralten Salzwerke von Hallein, das Roßfeld mit seiner schönen Aussicht oder die Regenbogen in den Wasserschleiern des Gollinger Sturzes zu beschauen.
Was den letzteren anbelangt, so mag hier dem wißbegierigen Leser zur Nachricht dienen, daß neuere Forschungen den Wassern dieses Sturzes einen anderen Ursprung zugewiesen haben, als die Meinung früherer Zeiten. Es ist noch nicht lange her —- und es geschieht ohne Zweifel noch immer — daß
man beim „Nassen Palsen" am Königssee das Kuchler Loch zeigte als die Höhlung, durch welche aus dem Königssee Wasser unter den Bergen hindurch nach Golling hinüber fließe. Jetzt weiß man, daß davon nicht die Rede sein kann. Die Fluthen dieses Sturzes sammeln sich vielmehr aus den Sickerwassern der Schneefelder des Hohen Göll und treten, gleich den Flüssen des Karstes, mit welchem ja auch die geognostische Zusammensetzung des Gebirges viele Aehnlichkeit hat, in mächtigem Schwalle als Quell-Fluß hervor, um in die Tiefe zu stürzeu. Früher hieß es: Der Gollinger Wasserfall bleibt aus, wenn der Königssee unter jenes Kuchler Loch herabsinkt. Das ist wahr. Ein solches Sinken der Wasser kommt aber nur iu trockenen und warmen Jahren vor und dann ist es mit den Schnee-Magazinen auf den Karrenfeldern des Hohen Göll zu Ende, die den Bach nähren und auch mit anderen Bächen.
Nicht weit hinter Golling erreicht der Zug die Gegend des altberühmten Passes Lueg. Mit dem Eisenbahn-Reisen ist aber auch nicht Alles eitel Gewinn, wie der Fortschrittsgläubige meint. Man bekommt dabei so viele Dinge nicht zu sehen, welche früher die Freude des Wanderers waren. So geht es hier mit dem Paß Lueg und den Oefen der Salzach. Das waren in früheren Zeiten Haupt- Glanzstücke einer Reise durch das Salzburger Land. Denn durch den ersteren geht die Poststraße und in die andere schaut man theils schon von der Straße aus hinein, theils kann man von ihr auf bequemem Pfade in die Tiefe hinabsteigen. Es ist eine Art von Klamm, hie und da von Felswölbungen überdacht. Beim Paß Lueg stimmt Alles schön zusammen: die Straße in der wilden Felsenge der Alpen, das tosende Wasser, die Bollwerke der Menschenhand, die an das Bollwerk der Natur angeflickt worden sind. Vom vierzehnten Jahrhundert an bis in's neunzehnte hat man hier befestigt. Fast immer waren es Deutsche die sich in dieser Spalte zwischen den Steilwänden wechselseitig erschossen, mit Steinen zerschmettert oder in den Wirbeln des Flusses, der die „Oefen" durchbricht, ersäuft haben. Ungezählte Mal ist jene Stelle gemalt worden, wo die Kapelle, die Mühle mit ihren Wasserstürzen und der Brunnen neben einander stehen. Es ist der wildeste Fleck des Engpasses.
Der Eisenbahn-Reisende sieht von allem dem nichts. Der Schienenweg wühlt sich in einen Vorsprung des Hagen-Gebirges ein. Der Tunnel ist fast einen Kilometer lang. Wenn es wieder licht wird, dann hat er den Paß und die Oefen schon hinter sich.
Gleichwohl hat an dieser Stelle auch der Schienenweg seinen hohen Reiz. Denn durch den Tunnel