Heft 
(1.1.2019) 06
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Eine Fahrt auf der Giselabahn.

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gehen die Wanderer zwischen den Wellen und der nassen Felswand dahin und die meisten lassen das Geländer nicht aus der Hand. Der Boden scheint zu zittern und man muß sich in die Ohren hinein schreien, wenn man einander etwas sagen will.

Ganz zu hinterst fällt das ganze Gletscher­wasser ungefähr 100 Fuß hoch in einem Saus in die finstere Spalte hinein. Vor Donner, Wasser­staub, Dunkelheit, Kälte, welche das von den Glet­schern kommende Gestände mitbringt, vergeht den Meisten Hören, Sehen und Reden.

Der geneigte Wan­derer oder Leser wird aber noch immer nicht entlassen. Er muß über eine Brücke gerade neben dem Wasserfall es ist in der Thatdie Brücke, welche stäubet" in einen Tunnel. Dieser Tunnel wirkt in die Ohren des Pilgers hinein als vorzüglicher Schall­trichter. Sieht er das Licht wieder, so hat er neben sich den Abschwnng der Wasser, die sich eben anschicken, in die Klamm hineinznstürzen und in jenem Fall zu zerstäuben, den er vorhin trotz der Dunkelheit gesehen hat.

Was nun diesen Fall anbelangt, so ist er, wie sich begreift, am schönsten, wenn durch die Oefsnnng von oben die Sonne darauf scheint. Dann glänzt er wie ein Strom von Magnesium - Licht.

Zur selben Zeit sind auch oben, jenseits des Tun­nels , die günstigsten Augenblicke. Denn es schweben dann die unkörper­lichen Regenbogen in Bruchstücken, weil die Lnst- bewegnng den Gang der Traufen und Staubwolken in jedem Augenblick verändert, gleich leibhaftigen Geistern über dem Wasser.

Genug jetzt von der Liechtenstein-Klamm!

Eine Fahrt mit der Giselabahn führt uns nicht nur vom ebenen: Lande aus zu stets bedeut­samen Erhebungen und Schaustücken, sondern auch aus jungen Bildungen der Erdkruste zu immer äl­teren. Draußen waren wir zuerst im Alluvium und Diluvium, dann geriethen wir in den Trias- Kalk und hier stecken wir schon zwischen Grauwacke,

Gneis und kristallinischen Schiefern. In letzterem Gesteine setzen wir die Fahrt nach Lend fort, wo sich das Gasteiner Thal öffnet- gleichfalls zu­nächst in einem schmalen Felsspalt, ans welchem ein Wasserfall gerade gegen den Schienenweg hervor­bricht. Er wird herkömmlich von den Waggonfen­stern aus mit Ah! begrüßt. Für nicht wenigeHoch- gebirgsreisende" ist dies der einzige Wasserfall, den sie überhaupt zu sehen bekommen, denn Locomotiven- rauch und Stürze des Gletscherwassers passen nicht gilt zusammen.

Für mich als Person bringe ich, während ich dies niederschreibe, eine Elegie auf die längst vergangenen Tage an, in welchen ich zu Lend saß und Monate lang in den Pausen meiner Arbeit auf die üppigen Auen hinaussah, zwischen welchen die Wellen der Salzach gingen. Kein Mensch dachte an eine Eisenbahn. Wie schön war das wilde Dickicht am linken Ufer! Jetzt ist der Hang eine kahle Böschung und doch was kümmert das Alles den Leser?

Unser Künstler hat sich, wie es scheint, den Schienenweg als den Faden eines Rosenkran­zes vorgestellt, an wel­chen die Schaustücke, die er abbildet, die Kugeln sind. Einer solchen Hauptkngel begegnen wir stromaufwärts bald jen­seits Lend, wenn der Zug unmittelbar vor einem Tunnel hält. Daneben befindet sich die Haltestelle: Rauris-Kitzloch.

Das Kitzloch ist eine Klamm, die sich hier un­mittelbar neben dem Schienenwege öffnet. Man­cher glaubt, hinlänglich den weisenden Sternen sei­nes Reisehandbuches gehorsam gewesen zu sein, wenn er den Liechtenstein-Klammen die vorgeschrie­benen Paar Stundengeopfert" hat. Er befindet sich im Jrrthume. Dieser Schlund, Kitzloch, durch welchen, wie dort die Wasser des Thales Großarl, so hier die von Ranris zum Hauptstrom Vor­brechen, erheischt gebieterisch einen Besuch. Es ist etwas ganz Anderes.

Parthie aus der Kitzloch-Klamm.

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