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bekannte. Sie wiesen mich zurück, beschworen mich, Ihren Frieden nicht zn stören. Ich gehorchte, mied sie, ging. Und der erste Tag, der mich nach langen Wochen und, Gott ist mein Zeuge, durch einen baren Zufall wieder in Ihre Nähe führt, was zeigt er mir? Sie wissen es. Sie wissen es, daß dieser spitze, hämische Herr von Anfang an mein Widerpart war, mein Gegner, der ein Recht zu haben glaubt, sich über mich und meine Neigung zu moguiren. Und eben er, er mir vi8-ü-vi8 in der Loge, sichrer und süffisanter denn je zuvor, und neben ihm meine vergötterte Cscile, lachend und heiter hinter ihrem Fächer und sich ihm znbeugend, als könne sie's nicht abwarten, immer mehr von seinen Frivolitäten einzusangen, von all dem süßen Gift, darin er Meister ist. Ach, Cöcile, meine Resignation war aufrichtig und ehrlich, ich schwör' es Ihnen; ich kam nicht wieder, um Ihre Ruhe zu stören, aber einen Andern bevorzugt sehen und so, so, das war mehr als ich ertragen konnte. Das war zn viel."
All das wurde gesprochen, während beide heftig erregt über den Teppich hinschritten; das Flämm- chen unter dem Wasserkessel brannte weiter und der Dampf stieg in kleinen Säulen zwischen den beiden Bronce-Lampen in die Höh. Alles war Frieden um sie her und Cocile nahm jetzt seine Hand und sagte: „Setzen wir uns. vielleicht daß wir dann ruhigere Worte finden . . Sie suchen es alles an der falschen Stelle. Nicht meine Haltung im Theater ist schuld und nicht mein Lachen oder mein Fächer und am wenigsten der arme Geheimrath, der mich amüsirt, aber mir ungefährlich ist, ach, daß Sie wüßten wie sehr. Nein, mein Freund, was schuld ist an Ihrer Eifersucht oder doch zum mindesten an der allem Herkömmlichen Hohn sprechenden Form, in die Sie Ihre Eifersucht kleiden, das ist ein andres. Sie sind nicht eifersüchtig ans Eifersucht; Eifersucht ist etwas Verbindliches, Eifersucht schmeichelt uns, Sie aber sind eifersüchtig ans Ueberheblichkeit und Sittenrichterei. Da liegt es. Sie haben eines schönen Tages die Lebensgeschichte des armen Fräuleins v. Zacha gehört und diese Lebensgeschichte können Sie nicht mehr vergessen. Sie schweigen, und ich sehe daraus, daß ich's getroffen habe. Nun, diese Lebensgeschichte, so wenigstens glauben Sie, giebt Ihnen ein Anrecht auf einen freieren Ton, ein Anrecht ans Forderungen und Rücksichtslosigkeiten, und hat Sie veranlaßt, an diesem Abend einen doppelten Einbruch zu versuchen, jetzt in meinen Salon und schon vorher in meine Loge. . Nein, unterbrechen Sie mich nicht. . ich will alles sagen, auch das Schlimmste. Nun denn, die Gesellschaft hat mich in den Bann ge- than, ich seist es und fühl' es, und so leb' ich denn von der Gnade derer, die meinem Hause die Ehre
anthun. Und jeden Tag kann diese Gnade zurückgezogen werden, selbst von Leuten wie Rostow und der Baronin. Ich habe nicht den Anspruch, den andre haben. Ich will ihn aber wieder haben und als ich, auch ein unvergeßlicher Tag, heimlich und voll Entsetzen in das Haus schlich, wo der erschossene Dzialinsky lag und mich mit seinen Todten- augen ansah, als ob er sagen wollte: „Du bist Schuld", da Hab' ich's mir in meine Seele hineingeschworen, nun, Sie wissen was. Und ob ich in der Welt Eitelkeiten stecke, heut und immerdar, Eines dank' ich der neuen Lehre: das Gefühl der Pflicht. Und wo dies Gefühl ist, ist auch die Kraft. Und nun sprechen Sie; jetzt will ich hören. Aber sagen Sie mir Freundliches, das mich tröstet und versöhnt und mich wieder an Ihr gutes Herz und Ihre gute Gesinnung glauben macht und mir Ihr Bild wiederherstellt. Sprechen Sie. ."
Gordon sah vor sich hin und um seinen Mund war ein Zucken und Zittern, als ob die Worte, die sie so warm und wahr gesprochen, doch eines Eindrucks auf ihn nicht verfehlt hätten. Aber im selben Augenblicke trat das Bild wieder vor seine Seele, davon er, vor wenig Stunden erst, Zeuge gewesen war, und verletzt in seiner Eitelkeit, gequält von dem Gedanken, ein bloßes Spielzeug in Weiberhänden, ein Opfer alleralltäglichster List und Laune zu sein, fiel er in sein kaum beschwichtigtes Mißtrauen und schlimmer in den Ton bittren Spottes zurück.
„Sie sind so beredt, Cscile," sprach er vor sich hin. „Ich wußte nicht, daß Sie so gut zu sprechen verstehen."
„Und doch ist es nicht lange, seit ich Ihnen Aehnliches und mit gleicher Eindringlichkeit sagen mußte. Schlimm genug, daß mir Ihr Wiedererscheinen eine Wiederholung nicht ersparte. Was Sie Beredsamkeit nennen, nenn' ich einfach ein Herz."
„Und ich habe diesem Herzen geglaubt!"
„Sie haben ihm geglaubt. Also in diesem Augenblicke nicht mehr! Und was glauben Sie jetzt? Was glauben Sie noch?"
„Daß wir uns Beide getäuscht haben. . Wir bleiben unsrer Natur getreu, das ist unsre einzige Treue . . Sie gehören dem Augenblick an und wechseln mit ihm. Und wer den Augenblick hat . ."
Er brach ab, verbeugte sich und verließ das Zimmer, ohne weiter ein Wort des Abschieds oder der Versöhnung gesprochen zu haben. Im Vorzimmer schoß er, mit allen Zeichen äußerster Erregung, an Dörffel vorüber, der einen Augenblick später in den Salon eintrat.
Als Cocile seiner ansichtig wurde, stürzte sie dem väterlichen Freund entgegen und beschwor ihn unter Thränen um seinen Beistand und seine Hülfe.