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(01/01/2019) 06
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Theodor Fontone.

Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Cacile kam spät zum Frühstück und St. Ar- naud, das Zeitungsblatt aus der Hand legend, sah auf den ersten Blick, daß sic wenig geschlafen und viel geweint hatte. Sie begrüßten sich und wechsel­ten dann einige gleichgiltige Worte. Gleich danach nahm St. Armand die Zeitung wieder auf und schien lesen zu wollen. Aber er kam nicht weit, warf das Blatt fort und sagte, während er die Tasse bei Seite schob:Was ist das mit Gordon?"

Nichts."

Nichts! Wenn es nichts wäre, so früg' ich nicht und Du wärst nicht verwacht und verweint. Also heraus mit der Sprache. Was hat er gesagt? Oder was hat er geschrieben? Er schrieb in einem fort. Ewige Briefe."

Willst Du sie lesen?"

Unsinn. Ich kenne Liebesbriefe; die besten kriegt man nie zu sehen und was dann bleibt, ist gut für nichts. Uebrigens sind mir seine Betheue­rungen und vielleicht auch Bedauerungen absolut gleichgiltig; aber nicht sein Auftreten vor Zeugen, nicht sein Benehmen in Gegenwart Andrer. Er hat Dich beleidigt. Der Hauptsache nach weiß ich, was geschehen ist; Hedemeyer hat mir gestern im Club davon erzählt und ich will nur die Bestäti­gung aus Deinem Munde. Das in der Loge mochte gehen, aber Dich bis hierher verfolgen, un­erhört! Als ob er den Rächer seiner Ehre zu spielen hätte."

Sprich Dich nicht in den Zorn hinein, Pierre. Du willst von mir hören, was geschehen ist, und ich sehe, Du weißt alles. Ich habe nichts mehr hinzuzusetzem"

Doch, doch. Die Hauptsache fehlt noch. All dergleichen hat eine Vorgeschichte und fällt nicht vom Himmel. Am wenigsten vom Himmel. Gor- don ist ein Mann von Familie, von Welt und Urtheil, und ein solcher Mann handelt nicht in's Unbestimmte hinein. Er befragt die Situation. Und diese Situation will ich wissen, will ich kennen lernen. Schildre sie mir; ich denke, daß Du sie mir schildern kannst und zwar ohne sonderliche Verlegenheiten und Verschweigungen. Ein paar Un­genauigkeiten mögen mit drunter laufen, meinet­wegen, ich ereifere mich nicht um Bagatellen. Im Uebrigen, ich gestatte mir das vorläufig anzunehmen, kann nichts vorgekommen sein, was das Licht des Tages oder meine Mitwissenschaft zu scheuen hätte. Denn man fordert mich nicht heraus, Niemand, am wenigsten meine Frau, die, soviel ich weiß, eine Vorstellung davon hat, daß ich nicht der Mann der Unentschiedenheiten und Aengstlichkeiten bin. Aber Du kannst das uralte Frau Eva-Spiel, das Spiel der Hinhaltungen und Jn-Sichtstellungen über das rechte

Maß hinaus gespielt haben, gerad' unklug und un­vorsichtig genug, um mißverstanden zu werden. Liegt es so, so werd' ich meine schöne Cöcile bitten, in Zukunft etwas vorsichtiger zu sein. Liegt es aber anders, bist Du Dir keines Entgegenkommens be­wußt, keines Entgegenkommens, das ihm zu sol­chem Eclat und Hausfriedensbruch auch nur einen Schimmer von Recht gegeben hätte, so liegt eine Beleidigung vor, die nicht nur Dich trifft, sondern vor allem auch mich. Und ich habe nicht gelernt, Esfronterieen geduldig hinzunehmen, lieber diesen Punkt verlang' ich Auskunft, offen und unum­wunden."

Cecile schwieg. Aber wahrnehmend, daß es vergeblich sein würde, ihn durch halbe Worte von seinem Vorhaben abbringen zu wollen, sagte sie: Was ich zu sagen habe, ist kurz. In Thale waren wir unter Deinen Augen und kein Wort ist gesprochen worden, das sich nicht gleichzeitig an alle Welt, an Dich, an den Emeritus, an Rosa gerichtet hätte."

St Armand wiegte den Kopf und lächelte, wäh­rend Cscile, die des Heimrittes von Altenbrak ge­denken mochte, nicht ohne Verlegenheit vor sich hin- blickte.

Dann," fuhr sie fort,sahen wir uns hier. Es blieb wie's gewesen. Er war voll Rücksicht und Aufmerksamkeiten und nichts geschah, ums den Respekt gegen mich auch nur einen Augenblick ver­leugnet hätte. Seine Conversation war leicht und gefällig, mitunter übermüthig, aber trotz dieses An­fluges von Uebermuth hört' ich aus jedem Wort eine große Zuneigung heraus, ein Gefühl, das mir wohlthat und mich beglückte. So waren seine Worte; so waren auch seine Briefe."

Laß die Briese."

Du darfst mich nicht unterbrechen. Ich sage, so waren auch seine Briese. Dann kam das kleine Diner, wo wir Rostow und die Baronin zu Tisch hatten und von dem Augenblick an war er ein Andrer. Die Hergänge jenes Tages können ihn nicht umgestimmt haben, aber unmittelbar danach müssen Dinge zu seiner Kenntniß gekommen sein, ich brauche Dir nicht zu sagen welche, die sein Auftreten und seinen Ton veränderten."

Erbärmlich. Eine Infamie."

Nein, Pierre."

Gut. Weiter."

Ich empfand ans der Stelle diese Veränderung und wies in einem Gespräche, darin ich mich ihm offen gab und zugleich Scherz und Ernst zu mischen suchte, darauf hin, daß er diesen veränderten Ton nicht anschlagen dürfe, weder als Mann von Ehre noch als Mann von Welt und ich hatte den Ein­druck, daß er mir selber zustimmte. Wenigstens entsprach dem sein unmittelbares Thun. Er der-