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(01/01/2019) 06
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Allgemeine Rundschau.

ein Lokal, wie man es nicht besser wünschen konnte, und das auch der Stadtrath sofort zur Verfügung stellte. Ein öffentlicher Aufruf wurde nun erlassen, der in allen Kreisen den lebhaftesten Anklang fand, und die Vorar­beiten begannen. Diese waren außerordentlich groß und mannigfaltig, und viele tausend Hände wurden dazu in Bewegung gesetzt wir aber machen uns das Privi­legium des Erzählers zu Nutze und überspringen die andert­halb Monate, die, Alles in Allem, zur Jnstallirung und Jnscenirung nöthig waren und führen unsere Leser sofort mitten in den Jahrmarktstrubel hinein, nicht ohne uns vorher mit kleiner Münze versehen zu haben, denn Thaler oder Goldstücke können leicht die schönen Damen, die überall als Verkäuferinnen fungiren, in Verlegenheit bringen, weil sie weit mehr ans das Einnehmen als auf das Herausgeben eingerichtet sind.

Schöne Damen! wäre der Vergleich mit denKindern Flora's" nicht so verbraucht, so könnte man ihn hier treffend anwenden, denn es war ein förmlicher Kranz, wie Stifter sagt, von schonen weiblichen Menschenblüthen. lind alle diese jungen Frauen und Fräuleins entweder in eleganter Balltoilette, oder, je nach den Maaren, die sie verkaufen, als Chinesinnen, Griechinnen oder Orientalinnen gekleidet, andere als Schwarzwälderinnen und wieder an­dere im Roeocokostüm, gepudert und in großblumigem Brokats oben an der Felsengrotte, wo Gefrorenes und Limonaden servirt werden, versehen sogar Wassernixen den Dienst, ganz in Silbergaze gekleidet, so schimmernd, wie wenn sie eben der krystallenen Fluth entstiegen wären. Aber Gefrorenes u. dergl. ist mehr für die weiblichen Besucher des Jahrmarkts: für die männlichen ist in an­derer und sehr ausreichender Weise gesorgt.

In den vier Ecken des großen Saales sind nämlich vier gemüthlich ausgestattete Räume hergerichtet: eine altdeutsche Weinstube, eine bayrische Bierkneipe, eine Bo­dega mit spanischen und griechischen Weinen und ein Casörestaurant, wo man sogar frühstücken und soupiren kann. Ich müßte nicht im kölnischen Geschmack und Sinne berichten, wenn ich nicht diese Etablissements zuerst nennte : das schwierige ist nur, hineinzugelangen, denn jedes Plätz­chen und Eckchen ist besetzt, und wer einmal einen Sitz erobert hat, verläßt ihn so leicht nicht wieder. Dafür sorgen die schönen Schenkmädchen .... fast genirt man sich, die vornehmen Fräuleins so zu tituliren und ebenso, sein Glas oder seinen Schoppen zum zweiten und dritten Mal wieder füllen zu lassen, obwohl man sich über diesen letzteren Punkt leichter hinwegsetzt, denn man trinkt ja zum Besten der armen Kinder", und je mehr man trinkt, desto größeren Vortheil haben die Kleinen davon. Eine herrliche Logik, so recht für die Kölner erfunden und die auch nicht Wenige sich zu Nutzen machen! In der Bodega stolzirt ein goldgestickterSpanier" auf und ab, der zur Mandoline schöne Liebeslieder singt. Daheim ist er ein angesehener Kaufmann: hier geht er mit einem silbernen Tellerchen umher und sammelt, ganz wie ein echter Jahr­markts-Virtuos.

Beide Langseiten des großen Saales sind mit Buden besetzt, die schon an sich sehenswerth sind, denn es sind durchweg kleine architektonische Kunstwerke. In diesen Buden stehen nun die hundert und tausend Gegenstände zum Verkauf, die von allen Seiten als Geschenke und Beiträge einliefen und die sogar von mancher reichen Ver­käuferin noch ansehnlich eompletirt wurden, um das Publi­kum kauflustiger zu machen und allen Nachfragen zu ge­nügen. Alles schön geordnet und geschmackvoll ausgesucht, und nach Bedeutung und Gebrauch hübsch zusammengestellt. Da giebt es eine Spielwaaren- und eine Glas- und Por­zellanbude, weiterhin sind japanische und chinesische Maaren zu haben, und anderswo nützliche Haushaltungsgegen­stände und sogar Weißwaaren. Diese Buden sämmtlich

anzuführen, würde monoton werden, zumal ich ja doch nicht im Stande bin, das bunte, rauschende Leben und Treiben, das sich ans diesem amüsantesten aller Jahr­märkte entfaltete, auch nur annähernd zu schildern. Nur einige kleine originelle Einzelheiten darf ich nicht uner­wähnt lassen. So hielt eine Dame einen 50-Pfennig-Bazar, aber man war bei der Besichtigung ganz erstaunt, daß alle die kleinen Nippsachen und niedlichen Lnxusgegen- stände für einen so geringen Preis zu haben waren. Sie mußten wenigstens das Drei- und Vierfache gekostet haben. Was es damit für eine Bewandtnis; hatte, brauche ich wohl nicht weiter zu erklären. Der Zuspruch war ein un­geheurer, und wer aus eigenem Antrieb mehr zahlen wollte, dem stand es natürlich frei, aber sonst wie gesagt: jedes Stück für 50 Pfennig!" Die schöne gepuderte Dame trug ein Roeocokostüm mit Brillanten und ihre Gehülfinnen waren in nicht minder eleganter Toilette.... ein klein wenig weibliche Eitelkeit muß immer dabei sein, aber es fehlte wirklich, dies bei solcher Gelegenheit zu kritischen: im Gegentheil: je hübscher, auffallender und pikanter desto besser, zumal in diesen Kreisen Deceuz und feine Sitte zu Hause sind und die richtigen Grenzen zu ziehen wissen.

Gegenüber lag ein anderes, in seiner Art nicht min­der originelles Hänschen: die sogenannte Pvstbnde. Dort­hin brachten alle diejenigen ihre Einkäufe, die sich nicht selbst damit tragen wollten, um sie sorgfältig einpacken und sich in's Hans schicken zu lassen. Das Frachtporto war vielleicht etwas höher als bei der kaiserlichen Post, aber dafür wurde man auch von allerliebsten jungfräu­lichen Schaffnern und Postillons bedient, die selbst vor den Angen des sonst im Dienst so strengen Herrn und Meisters Stephan Gnade gefunden haben würden.

Daß am Eingang links eine Eau de Cologne-Bude (Farinal und rechts eine Chokoladen-Bude (Stollwerkt etablirt waren, ist im Hinblick auf diese beiden weltbe­kannten Kölner Firmen fast überflüssig zu bemerken. Die niedlichen Verkäuferinneil hatten alle Hände voll zu thun.

In der Mitte des Saales war ein hoher prächtiger Tempel erbaut, in welchem Blumen, vom bescheidenen Maiglöckchenstrauß bis zum kostbarsten Nosenbouquet, seil­geboten wurden .... feilgeboten von einer Anzahl junger Damen in vollständiger Balltoilette: hochvornehm, und manche Besucher wagten Anfangs gar nicht näher zu tre­ten; aber die gelben Marschall-Niel-Rosen dienten als zarte Vermittlerinnen. Diese waren einzeln und zwar zu Tausenden zu haben, und schon am ersten Tage bil­deten sie das Wahrzeichen der Jahrmarktsbesncher: alle waren damit geschmückt.

Neben dem Blumentempel lag der Lotterie-Pavillon: Tombola, Drehscheiben, Zahlenlotto n. s. w. Der Andrang war ungeheuer und der Dirigent des Glücksspiels (ein Herr, denn weibliche Lungen wären zu dem Geschäft un­zureichend gewesen» rief mit Stentorstimme die gezogenen Nummern aus und pries die Gewinne an, die dann von hold lächelnden Damen überreicht wurden. Die Tombola hat wohl die brillantesten Geschäfte von allen gemacht, denn die Neigung zum Glücksspiel liegt einmal in der menschlichen Natur tief begründet," wie noch neulich ein Redner im preußischen Abgeordnetenhause sagte.

Denjenigen aber, die sich für einige Zeit aus dem lärmenden Trubel zurückziehen wollten, bot der herrliche Jsabellensaal, freilich gegen ein besonderes Entree, die beste Gelegenheit; dort war nämlich eine Bildersammlung ausgestellt, zu welcher die reichen Kölner Mäcene die schönsten Gemälde ihrer Galerien eingesandt hatten. Nur sechzig und einige Bilder und doch, wie man behauptete, im Werth von fast einer halben Million. Nichts wie Cabinetstücke der ersten modernen Meister, wie Defregger, Knaus, Vautier, Hasenclever (die weltberühmte Weinprvbe),