Allgemeine Rundschau.
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Grützner, Valentin, beide Achenbach u. s. w. Auch Franzosen, wie Diaz und Gudin, und den in seinem Genre unübertrefflichen Venetianer Rotta. Man möchte nur gleich den ganzen Catalag copiren und dann zu jedem Bilde noch eine besondere Beschreibung machen; doch wir können uns hier nicht darauf Anlassen. Es war wirklich ein erhebender Kunstgenuß! In der Mitte des Jsabellen- saales war auch das Geschenk der deutschen Industriellen an den Staatsminister und Admiral v. Stosch ausgestellt: ein prächtiger schrankartiger Aufbau aus Ebenholz mit silbernen Tritonen, Delphinen und ähnlichen Emblemen, ein Meisterwerk in schöner Holz- und Edelmetallarbeit, zu dessen Ausführung eine Menge deutscher Künstler und Kunsthandwerker beigetragen haben, und das die Geber wie den Empfänger gleich ehrt. Wir aber müssen trotzdem weiter und wieder in den großen Saal hinein.
Die erhöhte Orchester-Estrade der ganzen Breitseite ist in eine Alpeirlandschaft mit Felsen und Tannengrün verwandelt, wo sogar die „lebendige" Schafheerde nicht fehlt: allerliebste, schneeweiß gewaschene Lämmer mit einem wettergebräunten Hirten und mit schmucken Hirtinnen in Schweizertracht, ganz n ln Watteau. In der entlegensten Grotte dieser Landschaft saßen in magischer Beleuchtung zwei verschleierte Odalisken: Wahrsagerinnen, die jedem, der sich ihnen airvertraute, seine Zukunft enthüllten und die seltsamerweise nur Frohes und Glückliches prophezeiten — aber sie mußten es wissen.
Dabei fast ununterbrochen hoch über uns auf einer besonderen Galerie die rauschende Musik der verschiedenen Kölner und Dentzer Militärkapellen, die ihren alten Ruf glänzend bewährten, und dazwischen das unaufhörliche Knallen der Flauberts in der Schießbude, die von Schützen nicht leer wurde, lind immer neue Menschenmassen ziehen herein, die sich so gut es gehen will, überallhin vertheilen.
Nachmittags wurde aber doch jedesmal während der drei Tage, die das Jahrmarktfest dauerte, das Gedränge der auf- und abwogenden Besucher so enorm, und die „Stauungen" wurden so besvrgnißerregend, daß manchmal die Kasse für einige Stunden geschlossen werden mußte, weil man den immer neu znströmenden Personen doch nicht zumnthen konnte, auf den Treppen zu bleiben. Wenn es dann wieder Luft gab, so zogen neue Hunderte hinein, und das ging in Einem fort bis Abends acht Uhr, wo der eigentliche Jahrmarkt geschlossen wurde.
Aber das war nur die eine Hälfte des Festes; die andere begann jetzt, nämlich der eigentliche Jahrmarktströdel. Athleten, Akrobaten und Jongleurs erschienen, alle in phantastischen Costümen, machten sich Bahn und freien Platz und begannen ihre Produktionen, und einige Clowns führten abenteuerliche Virtuosenconcerte auf — man konnte sich mitten in einem Circus glauben. In einem Nebensaal gab ein Puppentheater Vorstellungen, das war das beliebte „Hänneschen", mit seinem urwüchsigen, echt rheinischen Humor, der ewige Magnet für die Kölner Jugend und nicht minder für die Alten.... Geschichten „zum Todtlachen".
In einem anderen Saal war ein Liebhabertheater in- stallirt, das kleine Einakter gab, so witzig und pikant, daß man sie mit Erfolg auf einer größeren öffentlichen Bühne hätte anfführen können. Verfasser und Darsteller waren sämmtlich Dilettanten, aber man sah bei dieser Gelegenheit wieder einmal, wie so oft bei ähnlichen, welch ein Neich- thnm von Talenten und welch eine Fülle von Geist, Witz und gutem Geschmack die gebildeten Kreise Kölns in sich schließen, und wie diese liebenswürdigen Damen und Herren sich auch stets zur Mitwirkung bereit finden lassen.
Nach den Theatervorstellungen wurde getanzt, so gut es gehen wollte, und mancher Cavalier hatte das Glück, eine von den vielen hübschen Verkäuferinnen zu engagiren, für die nach der schweren und mühevollen Arbeit des ganzen
Tages ein kleiner Tanz wirklich eine Erholung war. Andere Besucher umdrängten das Raritätenkabinet, wo ganz unglaubliche, „nie dagewesene" Dinge gezeigt und in einer Weise erklärt wurden, daß auch dem verbittertsten Misanthropen die Augen vor Lachen hätten übergehen müssen.
Im Hauptsaale verbreiteten die elektrischen Bogen- und Glühlichter einen vollständigen Sonnenschein, und auf die Bitten vieler verspätet in Köln eingetroffenen Fremden öffnete manche Verkäuferin noch einmal ihre Bude und hatte die Ueberschreitung des Reglements, für die sie freilich auch Niemand zur Rechenschaft zog, nicht zu bereuen.
So dauerte das schöne Fest drei volle Tage, durch keinen Mißklang gestört und alle vorher davon gehegten Erwartungen weit übertreffend. Auch die praktische, zugleich die wichtigste Seite desselben, der pecuniäre Erfolg, war ein glänzender: er beträgt nach einem ungefähren Ueberschlag und nach Abzug der unvermeidlichen Kosten, wenigstens achtzigtausend Mark; aber die Verloosung (ohne eine Lotterie ist ja in unserer Zeit ein derartiges Unternehmen gar nicht mehr denkbar! der unverkauft gebliebenen Maaren, unter denen sich auch eine Menge sehr- schöner Kunstgegenstände befindet, wird noch eine namhafte Summe einbringen, so daß man im Ganzen wohl auf hunderttausend Mark.rechnen darf.
Als um Mitternacht des dritten Tages die Hellen Trompetenfanfaren den Schluß des Jahrmarktfestes verkündeten, trat aus der Bodega ein Herr mit gefülltem Champagnerkelch Hervor, dem Hunderte andere Herren mit ihren vollen Gläsern von allen Seiten zuströmten und brachte in begeisterten Worten ein lautes Hoch auf die Kölner Damen aus, „die allen Damen Deutschlands in Edelsinn und Nächstenliebe voranlenchten" (den Superlativ mußte man in diesem Moment schon gelten lassen) . . . . und dieses Hoch wurde mit einem so jubelnden und lufterschütternden Hnrrah beantwortet, daß es sogar den brausenden Orchestertusch übertönte.
Köln darf also schon wieder ein schönes Fest in seinen Annalen verzeichnen, doppelt schön, weil es einem edlen, ja vielleicht dem edelsten Zweck gedient hat, zu welchem gute Menschen sich die Hand bieten können: zu werk- thätiger Nächstenliebe, hier speciell für arme Kinder, und auch deshalb so schön, weil wir dasselbe den Kölner- Frauen und Jungfrauen verdanken, die es hochherzig geplant, großartig in's Leben gerufen und mit so glänzendem Erfolg durchgeführt haben.
Zu unseren Illustrationen.
Ludolf und Waldtraut. Originalzeichnnng von Karl Rickelt. Die anmuthige und reizvolle Zeichnung des bekannten Malers ist eine Illustration der Scene aus dem Epos „Der wilde Jäger":
Waldtraut: „Ich suche nur Karwendelkraut. Großmütterlein brancht's zum Bestreichen,
In ihm steckt wunderbare Kraft,
Es stillt das Blut, und Schmerzen weichen,
Kocht man beim Vollmond seinen Saft." x.
Der Brief ans Amerika. Nach dem Gemälde von F. Kallmorgen. Drei Jahre waren verflossen, seitdem der einzige Sohn der braven Bauersleute nach Amerika ausgewandert. — Drei Jahre voll Bangen und Sorgen für die armen Eltern, die ihn verschollen, ja todt geglaubt. — Da, — eines Tages langte ein mächtiges Schreiben von ihm, denl Heißbeweinten, an. Welche Freude die armen Eltern durchglühte, mit welcher peinlichen Genauigkeit der Vater jede Zeile des Brieses buchstabirte und vorlas, das hat der treffliche Künstler auf dem Bilde treu wiedergegeben. Bis in's kleinste Detail hinein ist Alles lebenswahr, farbenreich und mit vollendeter Technik durchgeführt.
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