nicht rückwärts, sondern in eine glänzende Zukunft voraus. Wie es Berlin nicht eilig genug hatte, das alte, knappe, aber charaktervolle Gewand der Königlich preußischen Residenz gegen die pompöse Tracht weltstädtischen Zuschnitts umzuwechseln, so hatten es die Menschen eilig, aus den Verhältnissen einer engen, aber behaglichen Beschränktheit in repräsentative Weiträumigkeit hinauszukommen. Sie begannen sich ihrer Herkunft ein wenig zu schämen, und man begrub in Schweigen, woran man nicht gern erinnert sein wollte.
Die alten Familien starben aus oder zogen sich still zurück. Die Stände trennten sich, und die besser Gestellten, voran der frische traditionslose Reichtum, blickten halb mitleidig, halb hochmütig auf die herab, die „es nicht verstanden" hatten, und die „in Handwerks- und Gewerbesbanden" dem steigenden Wohlstand die vorwiegend materiellen Genüsse des Lebens verschaffen mußten. Der Geist der Stadt, der vorher alle geeint hatte, in allen Gesellschastsschichten mächtig gewesen war, verflüchtigte sich in die unteren Klassen, die noch kein Ehrgeiz plagte, durch den richtigen Gebrauch von mir und mich sich als gebildet zu erweisen. Dort lebte er weiter in seiner Sachlichkeit, seinem Arbeitseifer, seiner Nüchternheit und seiner auf Genügsamkeit gegründeten guten Laune. Auch der berühmte bodenständige und viel verschrieene Berliner Humor, gelästert nur von denen, die seine Selbstironie mißdeuteten, schränkte sich ein auf die Domäne der kleinen Beamten, des bescheidenen Handwerkers, der Droschkenkutscher, Budiker, Ziehleute und Marktweiber, da, wo man ihn noch heute in seinem knorrigen Wurzelstand immer wieder entdeckt. Die oberen Schichten aber ergriff ein neuer Geist, dessen Unternehmungslust meist mit ein wenig Schwindel verbunden war, dessen Ruhelosigkeit kein Behagen kannte und keins auflommen ließ, dessen Witz an die Stelle saftiger Anschaulichkeit das künstlich platte Wortspiel setzte, wie es die Börse und der Journalismus lieferte. Die vielen namentlich aus dem Osten zuziehenden Elemente sorgten für die unablässige Zersetzung des alten kräftigen Teiges.
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