Interessen der Zeit lagen. So brach ich denn die Vorarbeiten über die Sixtinische Kapelle ab und saß viele Monate an den grünen Tischen des Geheimen Staatsarchivs, umschanzt von Stoßen vergilbter Aktenbündel. Die Arbeit wurde vollendet und mit einem zweiten Preise ausgezeichnet. Doch war, was ich damals erfuhr und erforschte, nicht zwingend genug, mich meiner alten Liebe für Italien abtrünnig zu machen.
Erst um die Jahrhundertwende traten die Anzeichen eines Umschwunges des allgemeinen Geschmackes ein. Psychologisch hatte er seinen Grund in der Ermüdung, die gesetzmäßig hochgespannten Reizstärken folgt, doch geschah diese Umstellung des Blickes auf eine neue Perspektive mit dem alten Berlin als Mittelpunkt keineswegs plötzlich. Wirksam hatten bereits zwei wissenschaftliche Bücher vorbereitet: Borrmanns im Aufträge des Magistrats vorzüglich und auf gewissenhaftester Aktengrundlage bearbeitetes Werk „Die Bau- und Kunstdenkmäler von Berlin", die erste seit des alten Nicolai Tagen wieder umfassende Kunstgeschichte Berlins, und Ludwig Geigers „Berlin 1688—1840", das die Geschichte des geistigen Lebens der preußischen Hauptstadt mit erstaunlicher Vielseitigkeit und reicher Belehrung darstellte. Anderes, zum Beispiel der jetzt erst einsetzende Erfolg Fontanes half bedeutsam mit. Entscheidend war aber doch die Abwendung neuzeitlichen Kunstwollens von den Ekstasen der Stilgelehrsamkeit. Wieder ergriffen Architektur und Kunstgewerbe in gewohnt enger Bindung die Führerrolle.
Die dekorative Entartung, die sich vom Gräzismus zur Gotik, von dieser mit spielerischer Gedankenlosigkeit zur Renaissance gewandt hatte, so daß Form und Zweck oft sich lächerlich widersprachen, wie denn z. B. die Möbel verkleinerten Bauten und die Bauten vergrößerten Möbeln glichen, löste ein ernstes Besinnen auf konstruktive Sinnfälligkeit ab. Die Ästhetik des spezifisch modernen Erzeugnisses, der arbeitenden Maschine, die mit geringstem Kraftaufwand größte Leistungen vollbringt, wurde den Werken der bildenden und bauenden Kunst untergelegt. Dies neue Formgefühl, das vom Konstruktiven ausging, entdeckte, weil es das die Logik
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