der Form trübende und verschleiernde Schmuckwerk verpönte, den lang übersehenen Reiz, der im Formwillen des rohen Materials schlummerte. Am stärksten schien er dem neuen Künstlergeschlecht in dem alten Mobiliar ausgeprägt. Die schön gemaserten, in einem tiefen brandigen Schildpattrot unter strahlender Politur glänzenden Mahagoniflächen, die das Empiremöbel kostbar machte, das flammende Herbstblattgoldgelb der Birke, die das verarmte Biedermeier verwandt hatte, zogen die Augen auf sich. Was Jahrzehnte hindurch auf den Böden und in den Kellern als überlebter Hausrat in verschämtem Versteck gehalten worden war, kam wieder zu Ehren, und die Antiquitätenläden füllten sich mit den reichlichen Überbleibseln alt- väterisch soliden Handwerks. Gegen die Absichten der Führer der neuen Bewegung, die keineswegs die Wiederbelebung einer abgetanen Mode befürworten wollten, sondern nach der Bildung eines neuen starken selbständigen Stils strebten, richtete man sich jetzt empire- oder biedermeiermäßig ein, wie man sich noch kürzlich zwischen Renaissancemöbeln „gemütlich" gefühlt hatte. Umsonst protestierte van de Velde gegen diese „Feigheit", als welche er die Rückkehr zum Biedermeier brandmarkte. Wie kann sich ein Biedermeier- Interieur mit dem rauhen Beruf des Offiziers vertragen, in welcher Beziehung steht es zu der nervösen Rastlosigkeit des Journalisten, wodurch könnte es einen modernen Rechtsanwalt an sein Heim fesseln, wodurch einen Bankier, einen Ingenieur, einen Fabrikdirektor anziehend „Wenn diese Leute", fährt van de Velde temperamentvoll fort, „Vorliebe für den Biedermeierstil an den Tag legen, so zeugt das einfach von Perversität oder Er- müdung,tödlicher Ermüdung von aller heutigen Berufsarbeit, die ihren Mann mit Peitschenhieben vorwärts treibt, immer weiter nach der Zukunft hin. Ich fürchte sehr, daß die Anziehung, die der Biedermeier- und Neo-Bieder- meierstil auf das Publikum und auf gewisse Künstler ausüben, ein Phänomen dieser allgemeinen Ermüdung ist."
Der Zug der Zeit war stärker als der entgegenwirkende Wille der bewußt Modernen. Gewiß war es eine ermüdete Kultur, die zu diesem Beruhigungs-
14