Blickes hatte ich mich schließlich abgewandt von einem bis zur Ermüdung durchpflügten Ackerfeld, aufdem tausend Grabende noch immer ihre Furchen zogen, nachdem der Boden langst seine besten Schätze hergegeben hatte. Die einst mit sportmäßiger Freude betriebene Entdeckertätigkeit, die mit Vorliebe den kleinen und kleinsten Quattrocentisten zugute kam, reizte nicht mehr. Was war das für ein niedriges Gewächs, diese „amici" und „alunni", die als schwachlebige komunculi in den Retorten der Stilkritik mühevoll hergestellt wurden; wieviel Kraft und Scharfsinn wurde an unbedeutende ausländische Künstler verschwendet, während einheimische große Meister im acherontischen Winkel der Geschichte ihr Schattendasein fristeten. War es nicht eine Sünde wider den heiligen Geist der Kunst, war es nicht eine ans Komische grenzende Beschränktheit, wenn Zeit, Kraft und Talent einem kleinen italienischen Dutzendmaler, einem fiorentinischen Steinmetzen mit stammelnder Formenunsicherheit aufgeopfert wurden, während sich keine Hand für die wahrhaften Meister der engen, eigenen Heimat rührte? Wer kannte Schadow, wem war, um nur von den Größten zu sprechen, Schinkel mehr als ein Name? Oder konnten sie sich etwa nicht sehen lassen neben einem Luca della Robbia, einem Verrocchio, einem Michelozzo, Giuliano da San Gallo e tutti quanti? Das geschichtliche Material lag wohl aufgespeichert und lockte mit dem starken Anreiz der Ungehobenheit, ihre Werke standen größtenteils mitten unter uns oder waren noch fast vollständig erreichbar, ihre Persönlichkeiten übten auf den Menschenschilderer einen beinah magischen Zwang aus, während dort, jenseits der Alpen, so viel Schemenhaftes ungreifbar, schwach Umrissen in der Luft flatterte.
Ich gestehe gern, daß es die Persönlichkeiten waren, die mich zuerst anzogen. Und indem ich ihnen nachging, ihre Beziehungen aufspürte, ihr Menschliches in mir aufleben ließ, gewann ich, was ich nie besessen hatte, woran die Gegenwart achtlos, ungeweckten Sinnes vorbeihastete und das mich entschädigte für die zerstörten Eindrücke aus meinen Kinderjahren: ein Bild der Vaterstadt mit still redenden Zügen, mit Menschen, deren
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